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Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Hehl, Ernst-Dieter [Bearb.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

DOI Artikel:
Becker, Alfons: Das 12. Jahrhundert als Epoche der Papstgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0313

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ALFONS BECKER

Das 12. Jahrhundert als Epoche
der Papstgeschichte

Durch eine kalendarische Jahrhundertwende, eine Jahr tausend wende gar, lassen
sich Empfinden und Phantasie gerne zu Erinnerung und Rückblick anregen, zu ei-
ner möglichst irgendwie geordneten Übersicht über die Vergangenheit. Es fehlt
denn derzeit auch nicht an essayistischen, aneinandergereihten Jahrhundert-
überblicken, mit denen eine zeitrafferische Darstellung und Charakterisierung des
nach unserer Zeitrechnung jetzt zu Ende gehenden zweiten Jahrtausends europäi-
scher Geschichte versucht wird. Aber eine mechanisch ab grenzende Zenturienge-
schichtsschreibung vermag das Bedürfnis nach Verstehen unserer Welt und ihrer
Geschichte nicht zu befriedigen, und auch das Memorieren von Gedenktagen und
das beliebte Begehen von Jahrhundertjubiläen kann uns nicht die erstrebte Einsicht
in unsere Vergangenheit verschaffen.
Mit alledem wird nur erste Hilfe für den Erwerb von Geschichtskenntnis und
die Präzisierung von »Geschichtsbewußtsein« geboten. Geschichtsverständnis hof-
fen wir vielmehr dadurch zu gewinnen, daß wir den gleichgültig, unermeßlich breit
und vielfältig dahinströmenden Fluß des Geschehens in sinnvoll bestimmbare Ein-
heiten, vernünftig abgrenzbare Abschnitte, zu gliedern versuchen - in historische
Perioden und Epochen also, welche in sich deutlich Zusammenhängen, sich vonein-
ander teils durch eher fließende, teils durch schärfere Zäsuren abgrenzen und sich
in ihrer historischen Eigenart und Bedeutung befriedigend charakterisieren lassen.
Solches Periodisieren ist trotz aller dabei erforderlichen Abstraktion kein willkürli-
ches Konstruieren, kein wertloses Gedankenspiel, sondern, sofern es nur von
gründlich erforschten historischen Verhältnissen und Ereignissen ausgeht, eine er-
kenntnistheoretisch nicht nur nützliche, sondern notwendige Arbeit.
Das Tagungsthema selbst regt zu dem Versuch an, das 12. Jahrhundert als
»Epoche« nicht schlechthin und allgemeingeschichtlich, sondern nur als Epoche der
mittelalterlichen Papstgeschichte ins Auge zu fassen, auch wenn in den Vorträgen
und Diskussionen naturgemäß nicht alle Aspekte behandelt, sondern nur gewisse
für die Geschichte des Papsttums im 12. Jahrhundert kennzeichnende Exempla aus
bestimmten Forschungsperspektiven heraus dargestellt werden konnten. Ähnlich
können nun auch bei der Erörterung unserer Epochenfrage nicht alle Epochenkrite-
rien einbezogen und ihrem Wesen und Wirken entsprechend gewürdigt werden.
Dabei darf jedoch das Jahrhundert nicht in das Prokrustesbett der Säkulardaten
1100 und 1200 hineingezwungen werden, denn so gesehen ist das 12. Jahrhundert
gewiß keine »in sich verstehbare Sinneinheit« im Sinne von A. Toynbee1. Es wäre
1 Zu den Begriffen der »in sich verständlichen Sinneinheit« oder des »in sich verständlichen Fel-
des der Geschichtsforschung«: Arnold Toynbee, Der Gang der Weltgeschichte, Bd.l, Zürich
1961, Einleitung, S. lff.
 
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