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Hehl, Ernst-Dieter [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

DOI Artikel:
Becker, Alfons: Das 12. Jahrhundert als Epoche der Papstgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0314

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Alfons Becker

ohne die Geschichte insbesondere der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts nicht zu
verstehen und, als Epoche gesehen, wird es sich erst mit den 20er Jahren des
13. Jahrhunderts in etwa abgrenzen lassen. Beurteilt nach Epochenkriterien wie Be-
völkerungs- und Wirtschaftsentwicklung, erscheint das Jahrhundert freilich nur
noch als eine, wenn auch besonders aktive Phase in einer langfristigen Aufwärtsbe-
wegung zwischen etwa 1000 und 1300. Daran zeigt sich die Relativität und Themen-
gebundenheit unserer Periodisierungsversuche.
Als historischer Schauplatz unserer »Epochengeschichte« ist Europa das
brauchbare »in sich verständliche Feld der Geschichtsforschung«, ein Europa aller-
dings, das weder räumlich zu eng noch in sich isoliert gesehen werden darf. Mit
Recht sind daher in die Tagungsthematik Byzanz und auch der Kreuzfahrerorient -
ein kleiner »lateinischer« Osten - mit einbezogen worden. Diese europäische Welt
des 12. Jahrhunderts öffnet sich mehr denn je den geistigen Einwirkungen nicht nur
aus dem byzantinischen, sondern auch aus dem islamischen Kulturbereich, aus de-
nen sie bedeutende Anregungen aufnimmt, zumal über Sizilien-Süditalien und Spa-
nien. Während des hier anvisierten Zeitraumes wird im übrigen in wichtigen
Grundzügen die räumliche und kulturelle Gestalt des mittelalterlichen und neuzeit-
lichen Europa entscheidend geprägt.
Schließlich soll unser Epochenbegriff an der Papstgeschichte orientiert, auf das
Papsttum bezogen sein. Das soll freilich nicht bedeuten, daß sich das Interesse nur
auf Idee und Institution allein richtet, wie dies J. Haller sehr entschieden für seine
Geschichte des Papsttums sich zur Devise gemacht hat und wie es auch das Werk
von W. Ullmann stark geprägt hat2. Ähnlich hatte schon früher E. Caspar sein Dar-
stellungsprogramm formuliert: »Eine Geschichte des Papsttums soll und will mehr
sein als die Geschichte der einzelnen Päpste, nämlich die Geschichte einer Idee«3.
Neuerdings hat B. Schimmelpfennig darauf aufmerksam gemacht, daß »das Aus-
maß der Institutionalisierung hinsichtlich des Papstes, der Kardinäle sowie der ver-
schiedenen Gruppen der Kurialen« in den verschiedenen Papstpontifikaten und
Epochen der Papstgeschichte »sehr unterschiedlich« war, und er hat dabei gezeigt,
daß gerade das 12. Jahrhundert eine Zeit besonders starker Institutionalisierung ge-
wesen ist4. Als sozusagen epochencharakteristisch mag gelten, daß damals der (ab-
strakte) Amtsbegriff papatus geläufig wird, worauf E.-D. Hehl in seinem Einlei-
tungsreferat hingewiesen hat5.
Richtet sich denn auch hier bei unseren Studien freilich das Augenmerk mehr
auf »das Papsttum«, so steht doch außer Zweifel - und die Tagungsbeiträge haben

2 Johannes Haller, Das Papsttum. Idee und Wirklichkeit, Bd. 1, Stuttgart 1950, Vorwort,
S. Vllff.; Walter Ullmann, Die Machtstellung des Papsttums im Mittelalter, Idee und Ge-
schichte, Graz 1960; zur englischen Originalausgabe The growth of papal govemment in the
middle ages, London 1955 vgl. Friedrich Kempf, Die päpstliche Gewalt in der mittelalterlichen
Welt, in: Saggi storici intorno al papato (Miscellanea Historiae Pontificiae 21), Rom 1959,
S. 117-169.
3 Erich Caspar, Geschichte des Papsttums, Bd. 1, Tübingen 1930, S. VII.
4 Bernhard Schimmelpfennig, Das Papsttum im hohen Mittelalter, eine Institution?, in: Institu-
tion und Geschichte, hg. von Gert Melville (Norm und Struktur 1), Köln 1992, S. 209-229.
5 Vgl. oben S. 15f. Übrigens erscheint, wohl seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert, auch der Ter-
minus cardinalatus, vgl. Mittellateinisches Wörterbuch 2 Lfg. 2, München 1970, Sp. 274, während
der Begriff episcopatus schon älter sein dürfte.
 
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