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Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Hehl, Ernst-Dieter [Bearb.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

DOI Artikel:
Prinzing, Günter: Das Papsttum und der orthodox geprägte Südosten Europas 1180-1216
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https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0146

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Günter Prinzing

gestellt wurde, so vor allem deshalb, weil er uns ein Beispiel für die byzantinische
Sicht zur Frage nach dem Primat des Papstes vor Augen führt. Denn diese gehört im
Rahmen des anstehenden Themas zu denjenigen Faktoren des historischen Prozes-
ses, die gleichsam vorgegeben, weil aus der unmittelbaren oder ferneren Vergan-
genheit ererbt sind; an einige dieser Faktoren kurz zu erinnern erscheint mir daher
ebenso nützlich wie notwendig.
So lehrt uns das Dialogfragment, daß es im folgenden um eine Region geht, in
der schon vor der Katastrophe von 1204, erst recht aber nach ihr, die (in dem kirch-
lich zu Rom gehörenden Teil Europas allgemein durchgesetzte) Anerkennung des
päpstlichen Primats3 keineswegs selbstverständlich, sondern zumeist höchst um-
stritten, wenn nicht unmöglich war. Mit dem Hinweis auf Antiocheia und Jerusalem
wird überdies deutlich, daß man im byzantinischen Raum grundsätzlich die Auffas-
sung vertrat, die Kirche bilde vielmehr eine Gemeinschaft von fünf Patriarchatskir-
chen (Pentarchie) als eine auf Rom hin ausgerichtete, vom Papst beherrschte Institu-
tion4.
Weiterhin ist an das sog. große (morgenländische) Schisma zu erinnern. Es
gründet sich auf den Akt am 16. Juli 1054: Damals deponierten die Legaten Leos IX.
auf dem Altar der H. Sophia eine Bannbulle, die sich freilich nur gegen Patriarch
Michael I. Kerularios und seine Berater sowie gegen Erzbischof Leon von Achrida
richtete, nicht aber gegen den Kaiser und das orthodoxe Kirchenvolk5. Insofern be-

Kontrahenten entsprechende) 12. Jh,: So sehen Paul Magdalino, The Empire of Manuel I Com-
nenus 1143-1180, Cambridge 1993, S. 292 (andeutungsweise), Evelyne Patlagean, Die Bezie-
hungen zwischen Konstantinopel und Rom von der Mitte des 11. bis zum Ende des 12. Jahrhun-
derts, in: Andre Vauchez (Hg.), Machtfülle des Papsttums (1054-1274) (Geschichte des Chri-
stentums Bd. 5), Freiburg etc. 1994, S. 372-387, hier 384, Alexander Kazhdan/Gilbs
Constable, People and Power in Byzantium, Washington D.C. 1982, S. 157 und Michael
Angold, Church and Society in Byzantium under the Comneni 1081-1261, Cambridge 1995,
S. 110-112, doch auch inhaltliche Gründe dafür, daß der Text (zumindest wohl im Kem) der
Schlußphase der Regierungszeit Manuels I. entstammen könnte (s. Angold, lllf.: »The dialo-
gue may well have been one of those anonymous pamphlets at the end of Manuel Comnenus's
reign, about which a pro-unionist writer of the late thirteenth Century complained so bitterly«);
skeptisch indes (bzgl. der Argumente von Kazhdan /Constable) bleibt Joan M. Hussey, The
Orthodox Church in the Byzantine Empire, Oxford 1986, S. 173 Anm. 125.
3 Vgl. Klaus Schatz, Der päpstliche Primat, Würzburg 1990, Agostino Paravicini Bagliani,
Die päpstliche Vormachtstellung (1198-1274), in: Vauchez (Hg.), Machtfülle (wie Anm. 2),
S. 621-625 und zuletzt Rudolf Schieffer, s.v. Primat, in: LexMA VII, 1995, Sp. 210-211.
4 Vgl. in Ergänzung zur Literatur in Anm. 2 auch Peter Landau, s.v. Kirchenverfassungen, in:
TRE 19,1990, S. 110-165, hier 113-116 sowie Ferdinand Gahbauer, Die Pentarchietheorie. Ein
Modell der Kirchenleitung von den Anfängen bis zur Gegenwart (Frankfurter Theologische
Studien 42), Frankfurt am Main 1993, hier S. 177-241. Aber auch im byzantinischen Bereich gab
es durchaus (vor allem in der Spätzeit) Tendenzen, Konstantinopel als Sitz des ökumenischen
Patriarchen zu einer Art Oberpatriarchen über die drei weiteren Patriarchate des Ostens (An-
tiocheia, Jerusalem und Alexandreia) zu machen: vgl. schon Hans-Georg Beck, Kirche und
theologische Literatur im byzantinischen Reich (Handbuch der Altertumswisenschaft XII, 2,1),
München 1958, S. 32-35.
5 Dies haben erst kürzlich wieder Armin Hohlweg, Byzanz und der Westen, in: Ders. (Hg.), By-
zanz und seine Nachbarn, München 1997, S. 87-111, hier 107f., Peter Schreiner, Byzanz, Mün-
chen 21994, S. 130 und Friedhelm Winkelmann, Die Kirchen im Zeitalter der Kreuzzüge
(11.-13. Jh.) (Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen 1/1), Leipzig 1994, S. 113f. zu Recht be-
tont, vgl. aber vor allem Hans-Georg Beck, Geschichte der orthodoxen Kirche im byzantini-
schen Reich (Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch 1, Lfg. Dl), Göttingen 1980, S. 146f.,
 
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