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Hehl, Ernst-Dieter [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

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Hiestand, Rudolf: Das Papsttum und die Welt des östlichen Mittelmeers im 12. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0194

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Rudolf Hiestand

sondere Bedeutung des Hl. Landes irgendeinen Bezug zu nehmen, kaum zu unter-
scheiden von jenen, die für Kirchen und Klöster im Westen ausgestellt wurden4.
Dies galt selbst für feierliche Privilegien, die üblicherweise gerne auf die Geschichte
der Empfängerinstitution eingingen.
Auf einer umfassenderen Ebene entsprang dem Erfolg, den Ort des Heilsge-
schehen durch den Kreuzzug wieder in christliche Hände gebracht zu haben, vor-
erst ein gewaltiges Prestige für das Reformpapsttum, was ganz wesentlich zu sei-
nem Sieg über das Gegenpapsttum beitrug. Es war Urban II. gewesen, der zum
Kreuzzug aufgerufen hatte, nicht Clemens III. Vorerst gab die äussere Lage im
Osten auch keinen Anlass, sich irgendwelche Sorgen zu machen, so dass der Blick
wieder ganz auf den Westen ging; selbst die Niederlage auf dem Ager Sanguinis bei
Antiochia im Jahre 1119 wurde durch den Gewinn von Tyrus im sog. Kreuzzug von
1122-1124 sozusagen aufgewogen5. Wie sehr die Welt im Osten rasch wieder ferne
rückte, zeigt die Tatsache, dass nach 1120 nur eine einzige abendländische Chronik,
die Historia Ecclesiastica des Ordericus Vitalis6, kontinuierlich Ereignisse in Syrien
verzeichnete, nicht der Engländer Wilhelm von Malmesbury, nicht Otto von Frei-
sing, wie auch der Liber Pontificalis schweigt, um nur einige bedeutende Werke zu
nennen. Erst mit dem Fall von Edessa wurde man sich der mit der Entstehung eines
lateinischen Ostens verbundenen Verantwortung bewusst, die mit dem Jahre 1187
schlagartig erdrückend wurde. Wenn der König von Jerusalem nach dem Ausweis
der Briefsteller durch die päpstliche Kanzlei die Anrede als rex catholicus und als ein-
ziger neben dem König von Frankrich das Attribut imitator christianitatis erhielt7,
Frankreich und das Hl. Land so gleichsam die zwei Pfeiler waren, auf denen die
Stellung des Papsttums ruhte, so brach mit dem Verlust der Heiligen Stadt und dem
Zusammenbruch des Kreuzfahrerkönigreichs der eine unversehens weg. Man hatte
bis dahin nicht für denkbar gehalten, dass Gott einen Verlust des Hl. Landes zulas-
sen könnte8, wie man auch den Misserfolg des zweiten Kreuzzuges bald wieder ver-
drängt hatte. Daher stellten die Kreuzzugsenzykliken Gregors VIII. und nach dem
Misserfolg des dritten und des deutschen Kreuzzuges diejenigen Innozenz' III. in

4 Das schlagendste Beispiel ist das erste feierliche Privileg für das Hospital in Jerusalem von 1113
Februar 15, JL 6341, ed. Hiestand, Templer und Johanniter. Neue Folge (wie Anm. 3), S. 194
Nr. 1, das ohne jeden Vergleich mit anderen Urkunden der Zeit zu einer »foundation charter« ei-
nes Ordens u.ä. erhoben wurde, vgl. dazu Rudolf Hiestand, Die Anfänge der Johanniter, in:
Josef Fleckenstein (Hg.), Die geistlichen Ritterorden Europas (Vorträge und Forschungen 26),
Sigmaringen 1980, S. 31-80, hier S. 50-52.
5 Vgl. dazu Jonathan Riley-Smith, The Venetian Crusade of 1122-1124, in: Gabriella Airal-
di/Benjamin Z. Kedar (Hg.), I comuni italiani nel regno crociato di Gerusalemme (Collana sto-
rica di Fonti e Studi 48), Genova 1986, S. 337-350.
6 Ordericus Vitalis, Historia Ecclesiastica, ed. Marjorie Chibnall, 6 Bde., Oxford 1969-1983.
7 Vgl. Ars dictandi Aurelianensis, ed. Ludwig Rockinger, Briefsteller und Formelbücher des
elften bis vierzehnten Jahrhunderts, München 1863, S. 105: rex Hierosolemitanus vir katholicus di-
citur, quid tutor et defensor est christianitatis nostre; Baumgartenberger Formularius de modo pro-
sandi, ebd. 2, S. 731: (Papa) regi Francie et lerosolimitano sic scribit: ... illustri regi viro katholico ac
christianitatis imitatori... sic scribit lerosolimitano; Rudolf Hiestand, Kirchen im Heiligen Lande
(wie Anm. 3), S. 348 Nr. 170.
8 Für Ansätze einer anderen Haltung im Osten, vgl. Urkunden, die schon vor Hattin mit dem Ver-
lust Antiochias oder Jerusalems rechnen. Reinhold Röhricht, Regesta regni Hierosolymitani
1097-1291, Innsbruck 1893-1904 (künftig RRH.), Nr. 634, Vertrag zwischen Mons Thabor und
S. Paul in Antiochia: si terra Antiochie in manus Turcorum tradatur.
 
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