Das Papsttum und der orthodox geprägte Südosten Europas
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Das andere dieser einst in Südosteuropa dominierend gewesenen Staatswesen
war das Byzantinische Reich. Es umfaßte in seinem europäischen Reichsteil in der
Zeit zwischen ca. 1160 und 1180 außer den Kemregionen Thrakien und Griechen-
land (unter Einschluß von Epirus Vetus und Epirus Nova) auch folgende, dem Reich
mehr oder weniger dauerhaft einverleibte Randgebiete bzw. -provinzen:
a) Bulgarien, das seit Unterwerfung des östlichen Teils durch Kaiser Johannes I.
Tzimiskes (971) und des westlichen Restgebiets - einst das Reich des Zaren Samuel
- durch Kaiser Basileios II. (1018) dem Byzantinischen Reich, aufgeteilt hauptsäch-
lich auf die neuen Themen Bulgaria (mit dem Hauptort Skopia/Skopje) und Pari-
strion/Paradunabon, eingegliedert worden war; nominell und (bis ca. 1185/1190
bzw. ca. 1200) auch faktisch reichte die byzantinische Herrschaft daher bis zur Do-
nau, und zwar von Belgrad und Branicevo im Bereich der mittleren Donau entlang
der unteren Donau bis zu ihrer Mündung. Kirchlich war das Gebiet ganz orthodox
geprägt und unterstand seit 1020 größtenteils dem autokephalen Erzbistum von
»(ganz) Bulgarien« (bzw. von »Justiniana Prima und ganz Bulgarien«) mit Sitz in
Achrida/Ohrid, der Rest gehörte zum Patriarchat von Konstantinopel14.
b) Raszien (slav. Raska), das um den Hauptort Ras (heute Novi Pazar) gelegene
Kernland Serbiens, dessen Großzupan Stefan Nemanja sich zuletzt 1172 Manuel hat-
te unterwerfen müssen. Kirchlich gehörte Ras als Suffragan des Erzbistums Ohrid
seit 1020 zum orthodoxen Bereich, ist aber in der Zeit der Expansion der Zeta (siehe
im folgenden) dem lateinischen Erzbistum Bar unterstellt gewesen. Außerdem lag
im Südosten des serbischen Herrschaftsbereichs das Bistum Lipljan, ebenfalls ein
Suffragan Ohrids15.
c) Südwestlich davon, in Richtung Küste (etwa in der Region des heutigen
Montenegro und Nordalbaniens um Skutari), die Zeta bzw. Diokleia (slav. Duklja): Ih-
re Fürsten waren seit etwa 1043 faktisch selbständig und erhielten seit 1079 (unter
Michael/Mihalj) seitens der Kurie (unter Papst Gregor VII.) den Königstitel zuer-
kannt, nachdem erst zwei Jahre zuvor in Kroatien Fürst Zvonimir (1075-89/90) mit
päpstlicher Bestätigung zum König erhoben worden war16. Bis hin zu König Bodin
Bosnia, in: ODB 1,1991, S. 312. Noch immer grundlegend für die byzantinisch-ungarischen Be-
ziehungen ist Gyula Moravcsik, Byzantium and the Magyars, Amsterdam 1970.
14 Vgl. Aurelio de Santos Otero, s.v. Bulgarien I, in: TRE 7,1981, S. 363-372; Robert Browning,
s.v. Bulgaria, in: ODB 1, 1991, 332-334; Günter Prinzing, s.v. Ohrid, in: LexMA VI, 1993,
Sp. 1376-1380; Ders. s.v. Achrida, in: LThK3 1, 1993, Sp. 115, und Ders., s.v. Justiniana Prima, in:
LThK3 5, 1996, Sp. 1107f. Zur Eingliederung Bulgariens in das Byzantinische Reich s. zuletzt
Hans-Joachim Kühn, Die byzantinische Armee im 10. und 11. Jahrhundert (Byzantinische Ge-
schichtsschreiber, Ergänzungsband 2), Wien 1991, S. 223f. u. 227 sowie Paul Stephenson, By-
zantium's Balkan Frontier. A Political Study of the Northern Balkans, 900-1204, Cambridge 2000,
S. 47-79. Zur Dauer der byzantinischen Herrschaft an der mittleren Donau unten S. 146-148.
15 Vgl. Alexander Kazhdan, s.v. Raska, in: ODB 3 (1991) 1772f.; Jovanka Kalic, s.v. Ras, in:
LexMA VII (1995) Sp. 445, und Dies., Crkvene prilike u srpskim zemljama do stvaranja arhiepi-
skopije 1219. godine (Resümee: L'Organisation de l'eglise dans les pays serbes avant la fonda-
tion de l'archeveche Serbe en 1219), in: Sava Nemanjic - sveti Sava, istorija i predanje. Naucni
skupovi Srpske akademije nauka i umetnosti knj. VII / Sava Nemanjic - saint Sava, Histoire et
tradition. Colloques scientifiques de l'Academie serbe des Sciences et des arts, vol. VH, Belgrad
1979, S. 27-53, hier 32; allgemein zur Geschichte Serbiens jetzt auch Sima Cirkovic, s.v., in:
LexMA VH, 1995, Sp. 1777-1781.
16 Daß früher schon Tomislav der erste vom Papst anerkannte kroatische König (925) war, ist nicht
einwandfrei gesichert, jedenfalls sind königliche Insignien durch Rom nicht übersandt worden.
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Das andere dieser einst in Südosteuropa dominierend gewesenen Staatswesen
war das Byzantinische Reich. Es umfaßte in seinem europäischen Reichsteil in der
Zeit zwischen ca. 1160 und 1180 außer den Kemregionen Thrakien und Griechen-
land (unter Einschluß von Epirus Vetus und Epirus Nova) auch folgende, dem Reich
mehr oder weniger dauerhaft einverleibte Randgebiete bzw. -provinzen:
a) Bulgarien, das seit Unterwerfung des östlichen Teils durch Kaiser Johannes I.
Tzimiskes (971) und des westlichen Restgebiets - einst das Reich des Zaren Samuel
- durch Kaiser Basileios II. (1018) dem Byzantinischen Reich, aufgeteilt hauptsäch-
lich auf die neuen Themen Bulgaria (mit dem Hauptort Skopia/Skopje) und Pari-
strion/Paradunabon, eingegliedert worden war; nominell und (bis ca. 1185/1190
bzw. ca. 1200) auch faktisch reichte die byzantinische Herrschaft daher bis zur Do-
nau, und zwar von Belgrad und Branicevo im Bereich der mittleren Donau entlang
der unteren Donau bis zu ihrer Mündung. Kirchlich war das Gebiet ganz orthodox
geprägt und unterstand seit 1020 größtenteils dem autokephalen Erzbistum von
»(ganz) Bulgarien« (bzw. von »Justiniana Prima und ganz Bulgarien«) mit Sitz in
Achrida/Ohrid, der Rest gehörte zum Patriarchat von Konstantinopel14.
b) Raszien (slav. Raska), das um den Hauptort Ras (heute Novi Pazar) gelegene
Kernland Serbiens, dessen Großzupan Stefan Nemanja sich zuletzt 1172 Manuel hat-
te unterwerfen müssen. Kirchlich gehörte Ras als Suffragan des Erzbistums Ohrid
seit 1020 zum orthodoxen Bereich, ist aber in der Zeit der Expansion der Zeta (siehe
im folgenden) dem lateinischen Erzbistum Bar unterstellt gewesen. Außerdem lag
im Südosten des serbischen Herrschaftsbereichs das Bistum Lipljan, ebenfalls ein
Suffragan Ohrids15.
c) Südwestlich davon, in Richtung Küste (etwa in der Region des heutigen
Montenegro und Nordalbaniens um Skutari), die Zeta bzw. Diokleia (slav. Duklja): Ih-
re Fürsten waren seit etwa 1043 faktisch selbständig und erhielten seit 1079 (unter
Michael/Mihalj) seitens der Kurie (unter Papst Gregor VII.) den Königstitel zuer-
kannt, nachdem erst zwei Jahre zuvor in Kroatien Fürst Zvonimir (1075-89/90) mit
päpstlicher Bestätigung zum König erhoben worden war16. Bis hin zu König Bodin
Bosnia, in: ODB 1,1991, S. 312. Noch immer grundlegend für die byzantinisch-ungarischen Be-
ziehungen ist Gyula Moravcsik, Byzantium and the Magyars, Amsterdam 1970.
14 Vgl. Aurelio de Santos Otero, s.v. Bulgarien I, in: TRE 7,1981, S. 363-372; Robert Browning,
s.v. Bulgaria, in: ODB 1, 1991, 332-334; Günter Prinzing, s.v. Ohrid, in: LexMA VI, 1993,
Sp. 1376-1380; Ders. s.v. Achrida, in: LThK3 1, 1993, Sp. 115, und Ders., s.v. Justiniana Prima, in:
LThK3 5, 1996, Sp. 1107f. Zur Eingliederung Bulgariens in das Byzantinische Reich s. zuletzt
Hans-Joachim Kühn, Die byzantinische Armee im 10. und 11. Jahrhundert (Byzantinische Ge-
schichtsschreiber, Ergänzungsband 2), Wien 1991, S. 223f. u. 227 sowie Paul Stephenson, By-
zantium's Balkan Frontier. A Political Study of the Northern Balkans, 900-1204, Cambridge 2000,
S. 47-79. Zur Dauer der byzantinischen Herrschaft an der mittleren Donau unten S. 146-148.
15 Vgl. Alexander Kazhdan, s.v. Raska, in: ODB 3 (1991) 1772f.; Jovanka Kalic, s.v. Ras, in:
LexMA VII (1995) Sp. 445, und Dies., Crkvene prilike u srpskim zemljama do stvaranja arhiepi-
skopije 1219. godine (Resümee: L'Organisation de l'eglise dans les pays serbes avant la fonda-
tion de l'archeveche Serbe en 1219), in: Sava Nemanjic - sveti Sava, istorija i predanje. Naucni
skupovi Srpske akademije nauka i umetnosti knj. VII / Sava Nemanjic - saint Sava, Histoire et
tradition. Colloques scientifiques de l'Academie serbe des Sciences et des arts, vol. VH, Belgrad
1979, S. 27-53, hier 32; allgemein zur Geschichte Serbiens jetzt auch Sima Cirkovic, s.v., in:
LexMA VH, 1995, Sp. 1777-1781.
16 Daß früher schon Tomislav der erste vom Papst anerkannte kroatische König (925) war, ist nicht
einwandfrei gesichert, jedenfalls sind königliche Insignien durch Rom nicht übersandt worden.