168
Günter Prinzing
Kalojan, der sich den Unionsbestrebungen des Papstes gegenüber aufgeschlossen
gibt, schon in seinem ersten Schreiben deutlich aus, was er von der römischen Kir-
che hauptsächlich begehrt: coronam et honorem ..., secundum cjuod imperatores nostri
veteres habuerunt, mithin »Krone und Ehre ... gemäß dem, was auch unsere früheren
Kaiser gehabt haben«, letztlich also die Kaiserkrone und -würde107. Daß Kalojan da-
mit auf durchaus fragwürdige Weise an die Zaren des ersten bulgarischen Reiches
(von Simeon bis hin zu Samuel und seinen Nachfolgern) anzuknüpfen versuchte,
über deren Krönung von römischer Seite sich die sonstigen Quellen ausschweigen,
fiel schon dem Papst auf, wie den diesbzüglich vorsichtigen Formulierungen seiner
Antwort vom 27. November 1202 zu entnehmen ist108.
Gleichwohl griff Innozenz III. den Ball Kalojans auf; die Verhandlungen und
der sie begleitende Briefwechsel, an dem sich auch Erzbischof Vasilij/Basilius von
Tämovo als Oberhaupt der bulgarischen Kirche beteiligte, nahmen ihren Fortgang.
Dabei ist festzustellen, daß die bulgarische Seite mit Schreiben Kalojans an den
Papst von Ende Juni-Anfang Juli 1203 dazu überging, nicht nur speziell eine päpst-
lich autorisierte, durch einen Kardinallegaten vorgenommene Krönung Kalojans
zum Kaiser, sondern auch die Einsetzung bzw. Erhebung eines Patriarchen für Bul-
garien zu erbitten. Anlaß dazu gab anscheinend die in demselben Schreiben er-
wähnte Tatsache, daß in der Zwischenzeit ein in seinem Inhalt nach höchst erstaun-
liches, nur aus der akuten Notsitutation des Reiches erklärbares Angebot der Byzan-
tiner, d. h. Kaiser Alexios' III. und Patriarch Ioannes X. Kamateros, an Kalojan
ergangen war: Er solle zu ihnen nach Konstantinopel kommen, sie würden ihn zum
Kaiser krönen und ihm auch einen Patriarchen geben, da es kein Reich ohne Patriar-
chen geben könne; das aber habe er (Kalojan) abgelehnt109.
jata na Asenevci (1186-1460). Genealogija i prosopografija, Sofia 1985, S. 47 (berührt das Pro-
blem nur oberflächlich).
107 Rinn. 5 (wie Anm. 22), Nr. 114 (115), S. 224-226, hier 225 Z. 24-26. Ein weiteres Indiz ist z.B. auch
Kalojans Intitulatio Imperator (Bulgarorum et Blachorum) (225 Z. 23) sowie seine dem byzantini-
schen Kanzlei-Usus entlehnte Selbstbezeichnung imperium nostrum/meum (i) ßaoiÄeia
f]pöv/pou), vgl. ebenda S. 225 Z. 15,23 und 226 Z. 5-6.
108 Rinn. 5 (wie Anm. 22), Nr. 115 (116), S. 226-229. Wenn Gjuzelev, Papsttum (wie Anm. 101),
S. 40f. schreibt, der Papst habe die Angabe Kalojans, »daß den bulgarischen Chroniken nach die
Römische Kirche seinen Vorgängern, unter anderen den Zaren Simeon, Petar und Samuil
(997-1014), die Zarenkrone und -würde verliehen hätte«, in seiner ausführlichen Antwort be-
stätigt, so ist das angesichts dessen, daß der Papst selbst durch seinen Legaten weitere Erkundi-
gungen de corona progenitoribus tuis ab ecclesia Rornana collata (229 Z. 8-9) einziehen lassen wollte,
zu positiv formuliert, vgl. auch Sweeney, Innocent III (wie Anm. 98), S. 322. Vgl. aber auch
Rinn. 7 (wie Anm. 79), Nr. 127, S. 202-208, hier 204f. vom 15. Sept. 1204 (Brief an Kardinallegat
Leo, mit Botschaft für König Emmerich von Ungarn), wo der Papst von bulgarischen reges ...
auctoritate apostolica coronati, sicut Petrus et Samuel et alii spricht, so daß er insoweit Kalojans Ar-
gumente akzeptiert haben muß. Zur Anknüpfung Kalojans an das erste bulgarische Reich vgl.
Ivan DujCev, Le probleme de la continuite dans l'histoire de la Bulgarie, in: Aspects of the Bal-
kans. Continuity and Change. Contributions to the International Balkan Conference held at
UCLA, October 23-28,1969, ed. by Henrik Birnbaum/Speros Vryonis, Jr., Den Haag u. Paris
1972,S. 138-150, hier 145-149.
109 Rinn. 6 (wie Anm. 78), Nr. 142, S. 233-235, hier bes. 234 Z. 25-27: Ex quo sciverunt istud Greci, mi-
serunt mihi patriarcha et imperator: veni ad nos, coronabimus te in imperatorem et faciemus tibi patriar-
cham, quia imperium sine patriarcha non staret, sed ego non volui... Vgl. dazu Dölger/Wirth, Re-
gesten (wie Anm. 19), Nr. 1663a, mit Zweifeln an der Echtheit des Angebots aus Konstantinopel,
da sein Inhalt angeblich »unvereinbar mit den politischen Vorstellungen der Byzantiner« sei.
Günter Prinzing
Kalojan, der sich den Unionsbestrebungen des Papstes gegenüber aufgeschlossen
gibt, schon in seinem ersten Schreiben deutlich aus, was er von der römischen Kir-
che hauptsächlich begehrt: coronam et honorem ..., secundum cjuod imperatores nostri
veteres habuerunt, mithin »Krone und Ehre ... gemäß dem, was auch unsere früheren
Kaiser gehabt haben«, letztlich also die Kaiserkrone und -würde107. Daß Kalojan da-
mit auf durchaus fragwürdige Weise an die Zaren des ersten bulgarischen Reiches
(von Simeon bis hin zu Samuel und seinen Nachfolgern) anzuknüpfen versuchte,
über deren Krönung von römischer Seite sich die sonstigen Quellen ausschweigen,
fiel schon dem Papst auf, wie den diesbzüglich vorsichtigen Formulierungen seiner
Antwort vom 27. November 1202 zu entnehmen ist108.
Gleichwohl griff Innozenz III. den Ball Kalojans auf; die Verhandlungen und
der sie begleitende Briefwechsel, an dem sich auch Erzbischof Vasilij/Basilius von
Tämovo als Oberhaupt der bulgarischen Kirche beteiligte, nahmen ihren Fortgang.
Dabei ist festzustellen, daß die bulgarische Seite mit Schreiben Kalojans an den
Papst von Ende Juni-Anfang Juli 1203 dazu überging, nicht nur speziell eine päpst-
lich autorisierte, durch einen Kardinallegaten vorgenommene Krönung Kalojans
zum Kaiser, sondern auch die Einsetzung bzw. Erhebung eines Patriarchen für Bul-
garien zu erbitten. Anlaß dazu gab anscheinend die in demselben Schreiben er-
wähnte Tatsache, daß in der Zwischenzeit ein in seinem Inhalt nach höchst erstaun-
liches, nur aus der akuten Notsitutation des Reiches erklärbares Angebot der Byzan-
tiner, d. h. Kaiser Alexios' III. und Patriarch Ioannes X. Kamateros, an Kalojan
ergangen war: Er solle zu ihnen nach Konstantinopel kommen, sie würden ihn zum
Kaiser krönen und ihm auch einen Patriarchen geben, da es kein Reich ohne Patriar-
chen geben könne; das aber habe er (Kalojan) abgelehnt109.
jata na Asenevci (1186-1460). Genealogija i prosopografija, Sofia 1985, S. 47 (berührt das Pro-
blem nur oberflächlich).
107 Rinn. 5 (wie Anm. 22), Nr. 114 (115), S. 224-226, hier 225 Z. 24-26. Ein weiteres Indiz ist z.B. auch
Kalojans Intitulatio Imperator (Bulgarorum et Blachorum) (225 Z. 23) sowie seine dem byzantini-
schen Kanzlei-Usus entlehnte Selbstbezeichnung imperium nostrum/meum (i) ßaoiÄeia
f]pöv/pou), vgl. ebenda S. 225 Z. 15,23 und 226 Z. 5-6.
108 Rinn. 5 (wie Anm. 22), Nr. 115 (116), S. 226-229. Wenn Gjuzelev, Papsttum (wie Anm. 101),
S. 40f. schreibt, der Papst habe die Angabe Kalojans, »daß den bulgarischen Chroniken nach die
Römische Kirche seinen Vorgängern, unter anderen den Zaren Simeon, Petar und Samuil
(997-1014), die Zarenkrone und -würde verliehen hätte«, in seiner ausführlichen Antwort be-
stätigt, so ist das angesichts dessen, daß der Papst selbst durch seinen Legaten weitere Erkundi-
gungen de corona progenitoribus tuis ab ecclesia Rornana collata (229 Z. 8-9) einziehen lassen wollte,
zu positiv formuliert, vgl. auch Sweeney, Innocent III (wie Anm. 98), S. 322. Vgl. aber auch
Rinn. 7 (wie Anm. 79), Nr. 127, S. 202-208, hier 204f. vom 15. Sept. 1204 (Brief an Kardinallegat
Leo, mit Botschaft für König Emmerich von Ungarn), wo der Papst von bulgarischen reges ...
auctoritate apostolica coronati, sicut Petrus et Samuel et alii spricht, so daß er insoweit Kalojans Ar-
gumente akzeptiert haben muß. Zur Anknüpfung Kalojans an das erste bulgarische Reich vgl.
Ivan DujCev, Le probleme de la continuite dans l'histoire de la Bulgarie, in: Aspects of the Bal-
kans. Continuity and Change. Contributions to the International Balkan Conference held at
UCLA, October 23-28,1969, ed. by Henrik Birnbaum/Speros Vryonis, Jr., Den Haag u. Paris
1972,S. 138-150, hier 145-149.
109 Rinn. 6 (wie Anm. 78), Nr. 142, S. 233-235, hier bes. 234 Z. 25-27: Ex quo sciverunt istud Greci, mi-
serunt mihi patriarcha et imperator: veni ad nos, coronabimus te in imperatorem et faciemus tibi patriar-
cham, quia imperium sine patriarcha non staret, sed ego non volui... Vgl. dazu Dölger/Wirth, Re-
gesten (wie Anm. 19), Nr. 1663a, mit Zweifeln an der Echtheit des Angebots aus Konstantinopel,
da sein Inhalt angeblich »unvereinbar mit den politischen Vorstellungen der Byzantiner« sei.