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Hubertus Seibert
Im Schisma von 115992 suchen wir solche einflußreichen Wort- und Meinungs-
führer wie Norbert und Bernhard vergeblich, die ihr Charisma und ihre religiös-mo-
ralische Autorität zugunsten eines Kandidaten in die Waagschale geworfen hätten.
An die Stelle einzelner Persönlichkeiten traten nun Organe des Gesamtordens wie
das jeweilige Generalkapitel, die über die Ausrichtung der Politik bestimmten.
Im Zisterzienserorden fiel - nach längerem Zögern - auf dem Generalkapitel
Mitte September 1161 eine erste wichtige Vorentscheidung für Alexander III.93. Von
der Wirkkraft dieser Entscheidung zeugen noch die Bemerkungen eines weit ab von
Citeaux im holsteinischen Bosau ansässigen Beobachters, der davon sprach, »ihr
unüberwindlicher Entschluß (invincibilis sententia) habe Alexander außerordentlich
stark gemacht«94. Der Nachricht des Fortsetzers der Chronik Sigeberts von Gem-
bloux95 zufolge nahmen der Mönch Wilhelm von Morimond und die französischen
Zisterzienser neben dem Klerus auch maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidung
König Ludwigs VII., das von Barbarossa initiierte Treffen im burgundischen S. Jean-
de-Losne, im August 116296, scheitern zu lassen, auf dem Barbarossa Ludwig für sei-
nen Papst, Viktor IV., gewinnen wollte. Der vielleicht einflußreichste französische
Zisterzienser nach Bernhard, Petrus (II.) von Tamie (t 1174), seit 1141 Erzbischof von
92 Timothy Reuter, The papal schism, the Empire and the West, 1159-1169, Diss. masch. Oxford
1975; Johannes Laudage, Alexander III. und Friedrich Barbarossa (Beihefte zu J. F. Böhmer, Re-
gesta Imperii, 16), Köln 1997. Zur Haltung der Orden im Schisma vgl. Preiss, Tätigkeit (wie
Arrm. 67); Ingeborg Schnack, Richard von Cluny, seine Chronik und sein Kloster in den Anfän-
gen der Kirchenspaltung von 1159. Ein Beitrag zur Geschichte der Anschauungen von Kardi-
nalskolleg und Papsttum im 12. und 13. Jahrhundert (Historische Studien 146), Berlin 1926, und
Giles Constable, The Abbots and Anti-Abbots of Cluny during the Papal Schism of 1159, in:
Revue benedictine 94,1984, S. 371-400.
93 Statuta Capitulorum Generalium ordinis Cisterciensis ab anno 1116 ad annum 1786, ed. Jose-
phus-Maria Canivez (Bibliotheque de la Revue d'histoire ecclesiastique 9), tom. I, Louvain
1933, S. 73f.: das entsprechende Dekret ist nicht überliefert. Die von Chrysogonus Waddell,
Toward a New Provisional Edition of the Statutes of the Cistercian General Chapter, c.
1119-1189, in: Studiosorum Speculum. Studies in Honor of Louis J. Lekai, O. Cist., ed. by Fran-
cis R. Swietek/John R. Sommerfeldt, Kalamazoo 1993, S. 389-419, angekündigte Neuedition
der Ordensstatuten von 1119-1189 ist noch nicht erschienen. Preiss, Tätigkeit (wie Anm. 67),
S. 42f. m. Anm. 27, verlegt diesen Beschluß bereits in den Sept. 1160, ohne dafür aber einen
Quellenbeleg anführen zu können; dem widerspricht auch das Verhalten der Äbte von Eber-
bach und Ebrach, die sich im Frühjahr 1161 (sic!) darüber beraten, wie sie auf die Einladung des
Gegenpapstes Viktors IV. zur Synode nach Cremona reagieren sollen, vgl. unten S. 225.
94 Helmold von Bosau, Cronica Slavorum, cap. 91, ed. Bernhard Schmeidler, MGH SS rer.
Germ. [32], Hannover 1937, S. 176, Z. 35-177, Z. 1.
95 Sigeberti Gemblacensis Chronigraphiae Auctarium Affligemense ad a. 1162, ed. Pieter Goris-
sen, Brüssel 1952, S. 144; aus Vorsicht vor dem Zorn Barbarossas verlegten die Zisterzienser ihr
jährliches Generalkapitel Mitte September auf den 11. November in die entfernte Zisterze Foig-
ny in der Diözese Laon, Sigeberti Gemblacensis Chronica Continuatio Valcellensis ad a. 1162,
ed. Ludwig Bethmann, MGH SS 6, S. 460.
96 Johann Friedrich Böhmer, Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. 1152 (1122) -
1190,2. Lieferung 1158-1168, neubearb. von Ferdinand Opll (Regesta Imperii IV, 2. Abteilung),
Wien/Köln 1991, Nr. 1138,1139 u. 1154; Laudage, Alexander HI. (wie Anm. 92), S. 129-148; fer-
ner Beate Schuster, Das Treffen von St. Jean de Losne im Widerstreit der Meinungen. Zur Frei-
heit der Geschichtsschreibung im 12. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 43,
1995, S. 211-245. Zur wichtigen Rolle Wilhelms von Morimond im Dienst Alexanders III. Jo-
hannes Engel, Das Schisma Barbarossas im Bistum und Hochstift Freising (1159-77), München
1930, S. 88; Preiss, Tätigkeit (wie Anm. 67), S. 60-63.
Hubertus Seibert
Im Schisma von 115992 suchen wir solche einflußreichen Wort- und Meinungs-
führer wie Norbert und Bernhard vergeblich, die ihr Charisma und ihre religiös-mo-
ralische Autorität zugunsten eines Kandidaten in die Waagschale geworfen hätten.
An die Stelle einzelner Persönlichkeiten traten nun Organe des Gesamtordens wie
das jeweilige Generalkapitel, die über die Ausrichtung der Politik bestimmten.
Im Zisterzienserorden fiel - nach längerem Zögern - auf dem Generalkapitel
Mitte September 1161 eine erste wichtige Vorentscheidung für Alexander III.93. Von
der Wirkkraft dieser Entscheidung zeugen noch die Bemerkungen eines weit ab von
Citeaux im holsteinischen Bosau ansässigen Beobachters, der davon sprach, »ihr
unüberwindlicher Entschluß (invincibilis sententia) habe Alexander außerordentlich
stark gemacht«94. Der Nachricht des Fortsetzers der Chronik Sigeberts von Gem-
bloux95 zufolge nahmen der Mönch Wilhelm von Morimond und die französischen
Zisterzienser neben dem Klerus auch maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidung
König Ludwigs VII., das von Barbarossa initiierte Treffen im burgundischen S. Jean-
de-Losne, im August 116296, scheitern zu lassen, auf dem Barbarossa Ludwig für sei-
nen Papst, Viktor IV., gewinnen wollte. Der vielleicht einflußreichste französische
Zisterzienser nach Bernhard, Petrus (II.) von Tamie (t 1174), seit 1141 Erzbischof von
92 Timothy Reuter, The papal schism, the Empire and the West, 1159-1169, Diss. masch. Oxford
1975; Johannes Laudage, Alexander III. und Friedrich Barbarossa (Beihefte zu J. F. Böhmer, Re-
gesta Imperii, 16), Köln 1997. Zur Haltung der Orden im Schisma vgl. Preiss, Tätigkeit (wie
Arrm. 67); Ingeborg Schnack, Richard von Cluny, seine Chronik und sein Kloster in den Anfän-
gen der Kirchenspaltung von 1159. Ein Beitrag zur Geschichte der Anschauungen von Kardi-
nalskolleg und Papsttum im 12. und 13. Jahrhundert (Historische Studien 146), Berlin 1926, und
Giles Constable, The Abbots and Anti-Abbots of Cluny during the Papal Schism of 1159, in:
Revue benedictine 94,1984, S. 371-400.
93 Statuta Capitulorum Generalium ordinis Cisterciensis ab anno 1116 ad annum 1786, ed. Jose-
phus-Maria Canivez (Bibliotheque de la Revue d'histoire ecclesiastique 9), tom. I, Louvain
1933, S. 73f.: das entsprechende Dekret ist nicht überliefert. Die von Chrysogonus Waddell,
Toward a New Provisional Edition of the Statutes of the Cistercian General Chapter, c.
1119-1189, in: Studiosorum Speculum. Studies in Honor of Louis J. Lekai, O. Cist., ed. by Fran-
cis R. Swietek/John R. Sommerfeldt, Kalamazoo 1993, S. 389-419, angekündigte Neuedition
der Ordensstatuten von 1119-1189 ist noch nicht erschienen. Preiss, Tätigkeit (wie Anm. 67),
S. 42f. m. Anm. 27, verlegt diesen Beschluß bereits in den Sept. 1160, ohne dafür aber einen
Quellenbeleg anführen zu können; dem widerspricht auch das Verhalten der Äbte von Eber-
bach und Ebrach, die sich im Frühjahr 1161 (sic!) darüber beraten, wie sie auf die Einladung des
Gegenpapstes Viktors IV. zur Synode nach Cremona reagieren sollen, vgl. unten S. 225.
94 Helmold von Bosau, Cronica Slavorum, cap. 91, ed. Bernhard Schmeidler, MGH SS rer.
Germ. [32], Hannover 1937, S. 176, Z. 35-177, Z. 1.
95 Sigeberti Gemblacensis Chronigraphiae Auctarium Affligemense ad a. 1162, ed. Pieter Goris-
sen, Brüssel 1952, S. 144; aus Vorsicht vor dem Zorn Barbarossas verlegten die Zisterzienser ihr
jährliches Generalkapitel Mitte September auf den 11. November in die entfernte Zisterze Foig-
ny in der Diözese Laon, Sigeberti Gemblacensis Chronica Continuatio Valcellensis ad a. 1162,
ed. Ludwig Bethmann, MGH SS 6, S. 460.
96 Johann Friedrich Böhmer, Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. 1152 (1122) -
1190,2. Lieferung 1158-1168, neubearb. von Ferdinand Opll (Regesta Imperii IV, 2. Abteilung),
Wien/Köln 1991, Nr. 1138,1139 u. 1154; Laudage, Alexander HI. (wie Anm. 92), S. 129-148; fer-
ner Beate Schuster, Das Treffen von St. Jean de Losne im Widerstreit der Meinungen. Zur Frei-
heit der Geschichtsschreibung im 12. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 43,
1995, S. 211-245. Zur wichtigen Rolle Wilhelms von Morimond im Dienst Alexanders III. Jo-
hannes Engel, Das Schisma Barbarossas im Bistum und Hochstift Freising (1159-77), München
1930, S. 88; Preiss, Tätigkeit (wie Anm. 67), S. 60-63.