Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Hehl, Ernst-Dieter [Bearb.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

DOI Artikel:
Becker, Alfons: Das 12. Jahrhundert als Epoche der Papstgeschichte
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0334

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
314

Alfons Becker

anderem Zusammenhang, aber doch päpstliches Recht definierend - dem französi-
schen Episkopat erklärte, daß die gesamte episkopale Hierarchie dem Papst unter-
stehe68. Die allgemeine unmittelbare päpstliche Jurisdiktionsgewalt kommt auch
zum Ausdruck in dem Begriff des Papstes als episcopus universalis und in der neuen
Papstunterschrift: Ego NN catholicae ecclesiae episcopus (subscripsi)69, die, ihrer recht-
lich-inhaltlichen Konzeption nach von Gregor VII. und Urban II. vorbereitet, schon
seit Papst Paschalis II. üblich wurde.
Die schon erwähnte Stärkung der Bischofsautorität und des Bischofsamtes in
den Diözesen ging seit Urban II. einher mit einer nachhaltigen Zentralisierung des
Episkopats auf das Papsttum. Der episcopatus unus Cyprians70 stellte sich im Laufe
des 12. Jahrhunderts trotz gewisser regionaler, landes- und reichskirchlicher Ei-
gentümlichkeiten71 als ziemlich homogener, überregionaler, staatenübergreifender,
auf das Papsttum hin orientierter Ordo dar, der in der gratia et communio apostolicae
sedis mit dem Papst und durch ihn mit dem Apostel Petrus selbst verbunden war.
Die Papstkirche war aufgebaut auf einer Episkopalstruktur, deren wesentliche
Strukturlinien zuverlässig auf das Papsttum hin konvergierten, auch wenn sich
noch einmal z. B. vorübergehend Oboedienzprobleme in der staufischen Reichskir-
che während des Schismas von 1159 ergaben72; auch mit einem englischen oder
französischen »Kronepiskopat« war gelegentlich zu rechnen.
Ein beherrschendes Leitmotiv der hochmittelalterlichen Kirchenreform sei hier
wenigstens noch erwähnt, weil es aus der gregorianischen Zeit her in der Kirchen-
geschichte des 12. Jahrhunderts weiterwirkt: Libertas Ecclesiae. Als Vermächtnis von
Gregor VII. übernommen, hat Urban II. das darin enthaltene Programm keineswegs
nur auf die besonders privilegierten Mönchs- und Kanonikergemeinschaften, son-
dern sehr nachdrücklich auch auf die Bischofskirchen bezogen. Er hat den Begriff
ekklesiologisch und theologisch eindringlich als eine von Gott durch das Erlösungs-

68 Im Zusammenhang mit der Exkommunikation bzw. Absolution des französischen Königs: Cum
profedo luce darius constet apostolice sedis pontifid non solum episcopos, archiepiscopos et primates, sed
ipsos etiam patriarchas divina institutione esse subiectos, JL 5637 (1096 März), ed. Dietrich Lohr-
mann, Papsturkunden in Frankreich NF 7 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in
Göttingen. Philologisch-historische Klasse, 3. Folge Nr. 95), Göttingen 1976, S. 252 Nr. 16, sowie
JL 5636 (Migne PL 151, Sp. 460).
69 Vgl. Georg May, Ego NN catholicae ecclesiae episcopus, Entstehung, Entwicklung und Bedeu-
tung einer Unterschriftsformel im Hinblick auf den Universalepiskopat des Papstes (Kanonisti-
sche Studien und Texte 43), Berlin 1995.
70 Cyprian, De catholicae ecclesiae unitate c. 5, ed. Guilelmus Härtel, S. Thasci Caecili Cypriani
Opera omnia (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum III, 1), Vindobonae 1868, S. 213f.
(S. 214: Episcopatus unus est...). Zur kanonistischen Interpretation des Begriffs im 12. und frühen
13. Jahrhundert vgl. Stickler, La sollicitudo (wie Anm. 66), S. 571ff.
71 Diese finden sich keineswegs nur etwa beim deutschen Reichsepiskopat, dessen besondere
Funktion im Zeitalter der salischen und staufischen Geschichte Stefan Weinfurter am Bei-
spiel der großen Konflikte von 1111/12 und 1159 - 1177 in seinem Beitrag zu diesem Band ein-
dringlich dargestellt hat (siehe oben S. 77-99).
72 Es erscheint daher Vorsicht geboten bei der Anwendung des Begriffs »Episkopalismus« auf die
kirchenrechtlichen Beziehungen der Päpste zum europäischen Episkopat, zumal etwa bei Ur-
ban II. oder später dann Calixt II. (vgl. die knappen Anmerkungen dazu bei Schilling, Guido -
Calixt II. [wie Anm. 31], S. 578f., 613); denn gerade die Ekklesiologie oder auch »Politik« Ur-
bans II. war grundsätzlich hierarchisch, konstitutionell gesehen sozusagen monarchisch, ganz
im Sinne des päpstlichen Universalprimats und durchaus im Einklang mit der Entwicklung im
12. Jahrhundert.
 
Annotationen