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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0059
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Die Fürsten sind das Reich - aber wer ist der König?

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teiWF Und Paul von Bernried hob gleichfalls die Itttmzh'Hs hervor, die Rudolf vor al-
len anderen auszeichnetüN
Selbst für den Biographen Heinrichs IV. tat sich Rudolf in Ansehen, gutem Ruf,
Wahrhaftigkeit, Rechtschaffenheit und Tapferkeit hervor^; wäre es ihm nur darum
gegangen, die Überlegenheit des Saliers durch die Stärke seines Feindes aufzuwer-
ten, so hätte der Hinweis auf die Tapferkeit des Rheinfeldeners gereicht. Doch die
Vita betont explizit seine allgemeine Tugendhaftigkeit, die allein durch die Hab-
sucht, auan'czH, getrübt wurde, durch die sich Rudolf zum Verrat an seinem Herrn
habe hinreißen lassen.
Die Inhalte des Königsideals weisen bei alledem keine grundsätzlichen und
spektakulären Neuerungen gegenüber der Zeit vor der >Entsakralisierung< des Kö-
nigtums auf, wie man dies vielleicht erwarten könnte. Rudolf von Rheinfelden ver-
körperte alles in allem den Idealtypus eines Herrschers, wie er auch schon zu Zei-
ten etwa Heinrichs III. in den Quellen vertreten war^. Und doch hatte sich etwas
verändert: Die Erfahrung, daß der König diesen Vorstellungen nicht notwendiger-
weise entsprach, daß er geradezu diametral entgegengesetzte Eigenschaften auf-
weisen konnte, hatte die Aufmerksamkeit der Fürsten verstärkt auf die Idoneität
der Kandidaten gelenkt; das Königsideal diente zwar als Maßstab, an dem der Kö-
nig nach wie vor gemessen wurde, doch trat es gegenüber den konkreten Eigen-
schaften in den Hintergrund: eine Verschiebung vom Königsideal zum Idealkönig,
den die Großen aufgrund seiner Eignung auswählten.
Doch nicht nur das Bild des Königs gewann in dieser Zeit bei den Fürsten kon-
kretere Züge, auch ihre eigene Rolle war im Verständnis Heinrichs IV. einem Wan-
del unterworfen. Hatte der Salier lange Zeit das neu erwachende Selbstverständnis
der Großen übersehen oder einfach ignoriert, so läßt sich doch im Laufe der Zeit in
seiner Argumentation zunehmend eine Berücksichtigung der fürstlichen Ansprü-
che feststellen - allerdings um so mehr, je bedrohter seine Situation, je größer seine
Abhängigkeit war, was weniger für die Aufrichtigkeit seiner Aussagen als für sein
politisches Kalkül spricht. Noch 1075 klagte er in einem Brief an Gregor VII., die
Fürsten freuten sich mehr über ihrer beider Zwietracht als über ihr Einverneh-

186 Annales S. Disibodi, ad a. 1078, S. 8: Gregorias igitnr (...) Radoi/o reg:, missis Utens, apostoiicam
mandauit Nnedictionem; in ^a;Fas etiam omn;Fas Ctiristiftdüdias (...) aniuersaiiter insinaauit, Hen-
rico propter sapertn'am, inobedientiam acfaisitatem regni dignitatem abiatam, RHodMl/o uero reg; pro saa
bamiiitate, obedientia et ueritate aactoritate sauet; Petr; codatam. STRUVE, Das Bild des Gegenkönigs
Rudolf, S. 473, bemerkt dazu: »So wie das Bild Rudolfs von Schwaben wesentlich von kirchli-
chen Kreisen geformt wurde, so war es auch von kirchlichen Wertvorstellungen geprägt.« Man
wird aber die Vorstellungen von einem Idealkönig und seinen wichtigsten Eigenschaften nicht
auf kirchliche Kreise begrenzen dürfen, vielmehr war die gesamte Gesellschaftsordnung zu die-
ser Zeit von den kirchlichen Reformvorstellungen durchdrungen (vgl. oben S. 29f.).
187 Paul von Bernried, Vita Gregorii VIF, c. 95, S. 530: ... Radoipbam dacem SaeooraaiAMsfra mattaal
renitentem pastra^ae oei anias borae inducz'as ad consniendam petentem, regia dignitati saMimauer-
ant, oiram sane in bamiiitate praecipaam, regio Sonore aetate et mori&as idoneam ... Vgl. dazu auch
KELLER, Schwäbische Herzoge, S. 150.
188 Vita Heinrici IV., c. 4, S. 17: fste R(Jdoifas), dax eximias, oir magnae aactoritatis et iaadis in toto regno,
ueri rectn?ae tenax, (brtis in armis, denityne spectatas in omni genere oirtatam, iste, in^aam, aoaricia,
<?aoe uincit omnia, victas et sappiantator domini sai/actMS,/idem incerto postposait bonori.
189 Siehe vor allem Wipo, Gesta Chuonradi; dazu zuletzt KELLER, Das Bildnis Kaiser Heinrichs, ins-
bes. S. 195-197.
 
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