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Diutma regni discordm - Das entzweite Reich (1077-1125)
Schwaben beschränkt, sondern er wurde auch nach Bayern, Franken und ins Elsaß,
ja sogar bis an die Grenzen Ungarns getragen*'". Frank Martin Siefarth hat erst kürz-
lich darauf aufmerksam gemacht, daß dies über einen >Provinziallandfrieden<, als
welcher die Ulmer pax bislang bezeichnet wurde*"**, weit hinausweist, daß hier viel-
mehr auf Initiative der Fürsten Friede und Ordnung in weiten Teilen des Reichs wie-
derhergestellt werden sollten^'". Zugleich scheint hier erneut die enge Verbindung
der süddeutschen Herzoge mit der kirchlichen Reformbewegung auf, die von Bi-
schof Gebhard von Konstanz, der ehemals selbst Mönch in Hirsau gewesen war,
vertreten wurdet
Die Großen hatten sich also erneut ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl
gestellt und dabei sogar eine der wichtigsten Aufgaben des Herrschers, die Frie-
densstiftung und -Währung, übernommen^'". Immer weiter wuchsen sie in die Rolle
der Träger des Reichs hinein. Heinrich IV. dagegen griff erst 1103, ganze zehn Jahre
später, den Gedanken der Friedensbewegung auf und verkündete in Mainz den er-
sten Reichslandfrieden*'", der ein »neues Instrument« des Herrschers zur Wahrung
des Friedens wurde^. Doch das Verdienst, das dem Gottesfrieden innewohnende
Potential erkannt und erstmals umfassender genutzt zu haben, kam den Reichsfür-
sten, nicht dem König zu.
In engem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Großen für den Frieden und
die Ordnung im Reich steht ihr Engagement bei den Hoftagen. Die >Königslosen
203 Bernold, Chronik, ad a. 1094, S. 458: Welfb dux Baioan'ag Jürmissimam pacem ^aam dadam ca?7i Ade-
aiaaaico dace Bcrfdaldo cf rdayais Alemaaaiae pnacipAas aaciaud, as^ae Baioan'aai, iaiaio astyae ad
Hagariaai propagaud. Brancia <?ao^ae 7eafoaica gl A/sah'a eaadem pacew di sais parhhas se o^seraafa-
ras iaraaieaio decreaerafd. Hec tarnen pax ia Zkaiaaaia waxime diaalad, eo <?aod pn'acipcs das ^ais-
(?ae ia saa pofesfafe iasficiam Jacere aoa cessaaerd; ^aod red'^aae prouiaciae aoadam Jacere decreaendf.
204 Vgl. GERNHUBER, Die Landfriedensbewegung, S. 73; MAURER, Der Herzog von Schwaben, S.
214; DERS., Die Konstanzer Bischofskirche, S. 180f.
205 SiEFARTH, Friedenswahrung im Dissens, S. 120f.
206 Vgl. WADLE, Heinrich IV. und die deutsche Friedensbewegung, S. 152. Zu Gebhard von Kon-
stanz vgl. MAURER, Gebhard von Konstanz, S. 187f.; DERS., Die Konstanzer Bischofskirche, S.
177-181; WoLLASCH, Markgraf Hermann, S. 27-53; ROBINSON, Bernold von Konstanz.
207 SiEFARTH, Friedenswahrung im Dissens, S. 121. Zur Friedenswahrung als vornehmster könig-
licher Aufgabe vgl. WADLE, Heinrich IV. und die deutsche Friedensbewegung, S. 158 mit
Anm. 81. - BosHOF, Heinrich IV., S. 112, sieht im Adel dagegen nur den »Nutznießer« einer vom
König aufgegriffenen Entwicklung, ohne ihm eigene Initiative zuzubilligen.
208 MGH Const. I, Nr. 74, S. 125f.; Vita Heinrici IV., c. 8, S. 28. Zur Übernahme verschiedener »Struk-
turelemente« der vorangegangenen Frieden durch den Mainzer Frieden vgl. WADLE, Hein-
rich IV. und die deutsche Friedensbewegung, S. 156f.
209 WADLE, ebd., S. 171; DERS., Frühe deutsche Landfrieden, S. 87, hat allerdings auch darauf auf-
merksam gemacht, daß »Mitwirkung und Konsens der Großen einerseits und Eid und Ver-
sprechen andererseits [esl verbieten (...), die Aufrichtung eines Friedens und damit auch seine
Geltung im Rechtssinne allein auf die Autorität seines [sic!] Herrschers zu stützen«. Er bezieht
sich mit dieser Feststellung zwar vornehmlich auf die Landfrieden der frühen Stauferzeit, doch
gilt dies in gleicher Weise auch für den Mainzer Landfrieden von 1103. Auch WEiNFURTER, Herr-
schaft und Reich, S. 142, betont, »wie der Salier [sc. Heinrich IV.] um die Jahrhundertwende die
Entwicklungen und Veränderungen im fürstlichen Herrschaftsverständnis und in ihrem [sc. der
Fürsten] Bestreben nach Mitgestaltung der Reichsordnung stärker als früher berücksichtigte«.
Anders dagegen BosHOF, Heinrich IV., S. 111, der darin, »daß der Kaiser die Friedenswahrung
wieder zu einer Angelegenheit der Zentralgewalt machte, (...) ein deutliches Zeichen für die
Wiederherstellung seiner Autorität« sieht.
Diutma regni discordm - Das entzweite Reich (1077-1125)
Schwaben beschränkt, sondern er wurde auch nach Bayern, Franken und ins Elsaß,
ja sogar bis an die Grenzen Ungarns getragen*'". Frank Martin Siefarth hat erst kürz-
lich darauf aufmerksam gemacht, daß dies über einen >Provinziallandfrieden<, als
welcher die Ulmer pax bislang bezeichnet wurde*"**, weit hinausweist, daß hier viel-
mehr auf Initiative der Fürsten Friede und Ordnung in weiten Teilen des Reichs wie-
derhergestellt werden sollten^'". Zugleich scheint hier erneut die enge Verbindung
der süddeutschen Herzoge mit der kirchlichen Reformbewegung auf, die von Bi-
schof Gebhard von Konstanz, der ehemals selbst Mönch in Hirsau gewesen war,
vertreten wurdet
Die Großen hatten sich also erneut ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl
gestellt und dabei sogar eine der wichtigsten Aufgaben des Herrschers, die Frie-
densstiftung und -Währung, übernommen^'". Immer weiter wuchsen sie in die Rolle
der Träger des Reichs hinein. Heinrich IV. dagegen griff erst 1103, ganze zehn Jahre
später, den Gedanken der Friedensbewegung auf und verkündete in Mainz den er-
sten Reichslandfrieden*'", der ein »neues Instrument« des Herrschers zur Wahrung
des Friedens wurde^. Doch das Verdienst, das dem Gottesfrieden innewohnende
Potential erkannt und erstmals umfassender genutzt zu haben, kam den Reichsfür-
sten, nicht dem König zu.
In engem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Großen für den Frieden und
die Ordnung im Reich steht ihr Engagement bei den Hoftagen. Die >Königslosen
203 Bernold, Chronik, ad a. 1094, S. 458: Welfb dux Baioan'ag Jürmissimam pacem ^aam dadam ca?7i Ade-
aiaaaico dace Bcrfdaldo cf rdayais Alemaaaiae pnacipAas aaciaud, as^ae Baioan'aai, iaiaio astyae ad
Hagariaai propagaud. Brancia <?ao^ae 7eafoaica gl A/sah'a eaadem pacew di sais parhhas se o^seraafa-
ras iaraaieaio decreaerafd. Hec tarnen pax ia Zkaiaaaia waxime diaalad, eo <?aod pn'acipcs das ^ais-
(?ae ia saa pofesfafe iasficiam Jacere aoa cessaaerd; ^aod red'^aae prouiaciae aoadam Jacere decreaendf.
204 Vgl. GERNHUBER, Die Landfriedensbewegung, S. 73; MAURER, Der Herzog von Schwaben, S.
214; DERS., Die Konstanzer Bischofskirche, S. 180f.
205 SiEFARTH, Friedenswahrung im Dissens, S. 120f.
206 Vgl. WADLE, Heinrich IV. und die deutsche Friedensbewegung, S. 152. Zu Gebhard von Kon-
stanz vgl. MAURER, Gebhard von Konstanz, S. 187f.; DERS., Die Konstanzer Bischofskirche, S.
177-181; WoLLASCH, Markgraf Hermann, S. 27-53; ROBINSON, Bernold von Konstanz.
207 SiEFARTH, Friedenswahrung im Dissens, S. 121. Zur Friedenswahrung als vornehmster könig-
licher Aufgabe vgl. WADLE, Heinrich IV. und die deutsche Friedensbewegung, S. 158 mit
Anm. 81. - BosHOF, Heinrich IV., S. 112, sieht im Adel dagegen nur den »Nutznießer« einer vom
König aufgegriffenen Entwicklung, ohne ihm eigene Initiative zuzubilligen.
208 MGH Const. I, Nr. 74, S. 125f.; Vita Heinrici IV., c. 8, S. 28. Zur Übernahme verschiedener »Struk-
turelemente« der vorangegangenen Frieden durch den Mainzer Frieden vgl. WADLE, Hein-
rich IV. und die deutsche Friedensbewegung, S. 156f.
209 WADLE, ebd., S. 171; DERS., Frühe deutsche Landfrieden, S. 87, hat allerdings auch darauf auf-
merksam gemacht, daß »Mitwirkung und Konsens der Großen einerseits und Eid und Ver-
sprechen andererseits [esl verbieten (...), die Aufrichtung eines Friedens und damit auch seine
Geltung im Rechtssinne allein auf die Autorität seines [sic!] Herrschers zu stützen«. Er bezieht
sich mit dieser Feststellung zwar vornehmlich auf die Landfrieden der frühen Stauferzeit, doch
gilt dies in gleicher Weise auch für den Mainzer Landfrieden von 1103. Auch WEiNFURTER, Herr-
schaft und Reich, S. 142, betont, »wie der Salier [sc. Heinrich IV.] um die Jahrhundertwende die
Entwicklungen und Veränderungen im fürstlichen Herrschaftsverständnis und in ihrem [sc. der
Fürsten] Bestreben nach Mitgestaltung der Reichsordnung stärker als früher berücksichtigte«.
Anders dagegen BosHOF, Heinrich IV., S. 111, der darin, »daß der Kaiser die Friedenswahrung
wieder zu einer Angelegenheit der Zentralgewalt machte, (...) ein deutliches Zeichen für die
Wiederherstellung seiner Autorität« sieht.