Neue Zeiten, neue Konzepte: Die Fürsten als Königs- und Kaiserwähler
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Doch diesmal ging die Initiative zu dieser >ideellen Kompetenzerweiterung<
nicht von den Fürsten aus, vielmehr war es der Herrscher selbst, der die neue, ja re-
volutionäre Interpretation vorgab. Was er damit bezweckte, scheint zunächst aut
der Hand zu liegen: Zum einen wies er die Ansprüche des Papstes rigoros zurück,
indem er ihm überhaupt jeglichen Einfluß auf die Vergabe der höchsten irdischen
Würde absprach^, ihn implizit zum ausführenden Organ degradierte. Zum ande-
ren aber gewann er in den solchermaßen erhöhten Reichsfürsten sichere Parteigän-
ger für seine Sache, denn wer von ihnen hätte dem Herrscher wohl in einer Ange-
legenheit widersprechen wollen, die seine eigene Ehre derart steigerte? So
verwundert es nicht, daß sich sogar die geistlichen Großen in einem Antwort-
schreiben an Hadrian IV. den Standpunkt Friedrich Barbarossas uneingeschränkt zu
eigen machterP'A
Aber war das wirklich alles? Sollte Friedrich I., allein um in dieser konkreten
Situation Unterstützung gegen den Papst zu erhalten, den Fürsten eine so tragende
Rolle in seinem Herrschaftskonzept zugebilligt haben? Natürlich kann man ein-
wenden, daß es dabei um rein ideelle Werte, nicht um reale Rechte ging^; es kostete
den Herrscher wenig, seine Würde, die er schließlich als gottunmittelbar ansah, auf
die Wahl der Großen zurückzuführen. Und doch ging es auch im Streit mit dem
Papst um nicht mehr und nicht weniger als um ideelle Werte - für die Beteiligten
müssen diese Fragen also durchaus von erheblicher Bedeutung gewesen seirH7
Indem Barbarossa den Fürsten - und nicht dem Papst - die Mittlerstellung zwi-
schen Gott und Kaiser zusprach, brachte er eigentlich nur konsequent einen Ge-
danken zum Abschluß, der bereits unter seinem Vorgänger Konrad III. entwickelt
worden waHA Das Reich als Träger von Recht und Sakralität, wie es in dem Begriff
des sacrttm impennw zum Ausdruck kommt^, war eine vom Papsttum unabhän-
gige Größe, es bezog seine Sakralität nicht vom Papst, sondern aus sich selbst, und
so war das Kaisertum bereits in ihm selbst angelegt und bedurfte nicht der Legiti-
mation durch das geistliche Oberhaupt. Vielmehr waren die Fürsten als Garanten
und Träger des Reichs berufen, die kaiserliche Würde zu vergeben. Herrscher und
304 Vgl. SCHMIDT, A quo ergo habet, S. 80.
305 Rahewin, Gesta Frederici III, c. 20, S. 436/438: Debifam patri nostro rcocreMtiam iihenter exiii&emMS,
hhcmm imperii nosfri coronam Aoino tantnrn Nneficio ascnhiüiMS, eiecfionis primam oocem Magantino
arciiiepiscopo, Feinde (?M0^t saperest ceteris secnmUm oUinem pn'?ic;'pi&MS recognosciüiMS, regalem nnc-
tionem Coioniensi, snpremam uero, <?Me imperiaiis est, snmmo ponti/ici; prdgy Nc est, ex iia-
imntfanti est, a maio est. (*.. J in capite orin's Deus per Imperium exaitauit ecciesiam, in capite orNs eccle-
sia, non per Denm, nt crecümas, nnnc ctemolitar Imperium. A pictnra cepit, ad scriptnram picfnra
processit, scriptum in anctoritatem prociire conafnr. Non pnh'emnr, non snstineHmns; coronam ante po-
nemns, ^nam imperii coronam nna no&iscnm sic deponi consentiamns. Pictnre &ieaninr, scriptnre re-
tractentnr, nt inter regnnm et saceUotinm eterna inimicitiarnm monimenta non remaneant. Auch die-
ses Schreiben geht vermutlich auf Eberhard II. von Bamberg zurück; vgl. dazu SCHMIDT, A quo
ergo habet, S. 80, Anm. 130.
306 Vgl. ebd., S. 75, wo Schmidt darauf hinweist, daß man unter tionor imperii heute nicht mehr das
»Signum der Politik Barbarossas«, das noch Peter Rassow darin sah, und kaum noch die
»Grundlage der realen Politik des Staufers« verstehen kann. Dennoch muß man woh! auch den
ideellen Werten einen gewissen - und gerade in der Zeit Barbarossas nicht unerheblichen - Ein-
fluß auf die reale Politik zubilligen.
307 Vgl. auch REUTER, The Medieval German Sonderweg, S. 206f.
308 Vgl. oben S. 144f.
309 Vgl. ULLMANN, Von Canossa, S. 289f.; KocH, Sacrum imperium, insbes. S. 215-245.
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Doch diesmal ging die Initiative zu dieser >ideellen Kompetenzerweiterung<
nicht von den Fürsten aus, vielmehr war es der Herrscher selbst, der die neue, ja re-
volutionäre Interpretation vorgab. Was er damit bezweckte, scheint zunächst aut
der Hand zu liegen: Zum einen wies er die Ansprüche des Papstes rigoros zurück,
indem er ihm überhaupt jeglichen Einfluß auf die Vergabe der höchsten irdischen
Würde absprach^, ihn implizit zum ausführenden Organ degradierte. Zum ande-
ren aber gewann er in den solchermaßen erhöhten Reichsfürsten sichere Parteigän-
ger für seine Sache, denn wer von ihnen hätte dem Herrscher wohl in einer Ange-
legenheit widersprechen wollen, die seine eigene Ehre derart steigerte? So
verwundert es nicht, daß sich sogar die geistlichen Großen in einem Antwort-
schreiben an Hadrian IV. den Standpunkt Friedrich Barbarossas uneingeschränkt zu
eigen machterP'A
Aber war das wirklich alles? Sollte Friedrich I., allein um in dieser konkreten
Situation Unterstützung gegen den Papst zu erhalten, den Fürsten eine so tragende
Rolle in seinem Herrschaftskonzept zugebilligt haben? Natürlich kann man ein-
wenden, daß es dabei um rein ideelle Werte, nicht um reale Rechte ging^; es kostete
den Herrscher wenig, seine Würde, die er schließlich als gottunmittelbar ansah, auf
die Wahl der Großen zurückzuführen. Und doch ging es auch im Streit mit dem
Papst um nicht mehr und nicht weniger als um ideelle Werte - für die Beteiligten
müssen diese Fragen also durchaus von erheblicher Bedeutung gewesen seirH7
Indem Barbarossa den Fürsten - und nicht dem Papst - die Mittlerstellung zwi-
schen Gott und Kaiser zusprach, brachte er eigentlich nur konsequent einen Ge-
danken zum Abschluß, der bereits unter seinem Vorgänger Konrad III. entwickelt
worden waHA Das Reich als Träger von Recht und Sakralität, wie es in dem Begriff
des sacrttm impennw zum Ausdruck kommt^, war eine vom Papsttum unabhän-
gige Größe, es bezog seine Sakralität nicht vom Papst, sondern aus sich selbst, und
so war das Kaisertum bereits in ihm selbst angelegt und bedurfte nicht der Legiti-
mation durch das geistliche Oberhaupt. Vielmehr waren die Fürsten als Garanten
und Träger des Reichs berufen, die kaiserliche Würde zu vergeben. Herrscher und
304 Vgl. SCHMIDT, A quo ergo habet, S. 80.
305 Rahewin, Gesta Frederici III, c. 20, S. 436/438: Debifam patri nostro rcocreMtiam iihenter exiii&emMS,
hhcmm imperii nosfri coronam Aoino tantnrn Nneficio ascnhiüiMS, eiecfionis primam oocem Magantino
arciiiepiscopo, Feinde (?M0^t saperest ceteris secnmUm oUinem pn'?ic;'pi&MS recognosciüiMS, regalem nnc-
tionem Coioniensi, snpremam uero, <?Me imperiaiis est, snmmo ponti/ici; prdgy Nc est, ex iia-
imntfanti est, a maio est. (*.. J in capite orin's Deus per Imperium exaitauit ecciesiam, in capite orNs eccle-
sia, non per Denm, nt crecümas, nnnc ctemolitar Imperium. A pictnra cepit, ad scriptnram picfnra
processit, scriptum in anctoritatem prociire conafnr. Non pnh'emnr, non snstineHmns; coronam ante po-
nemns, ^nam imperii coronam nna no&iscnm sic deponi consentiamns. Pictnre &ieaninr, scriptnre re-
tractentnr, nt inter regnnm et saceUotinm eterna inimicitiarnm monimenta non remaneant. Auch die-
ses Schreiben geht vermutlich auf Eberhard II. von Bamberg zurück; vgl. dazu SCHMIDT, A quo
ergo habet, S. 80, Anm. 130.
306 Vgl. ebd., S. 75, wo Schmidt darauf hinweist, daß man unter tionor imperii heute nicht mehr das
»Signum der Politik Barbarossas«, das noch Peter Rassow darin sah, und kaum noch die
»Grundlage der realen Politik des Staufers« verstehen kann. Dennoch muß man woh! auch den
ideellen Werten einen gewissen - und gerade in der Zeit Barbarossas nicht unerheblichen - Ein-
fluß auf die reale Politik zubilligen.
307 Vgl. auch REUTER, The Medieval German Sonderweg, S. 206f.
308 Vgl. oben S. 144f.
309 Vgl. ULLMANN, Von Canossa, S. 289f.; KocH, Sacrum imperium, insbes. S. 215-245.