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König, Fürsten und Reich - Eine Schlußbetrachtung
existenzielle Bedeutung, als die Fürsten bereits über seine Absetzung verhandelten.
Erst ganz zum Ende seiner Regierung, erneut unter massivem Druck, billigte er ih-
nen eine Mitverantwortung für das Reich zu, rief er sie um der Ehre des Reichs wil-
len zur Unterstützung gegen seinen eigenen Sohn auf. Doch bleibt hier fraglich, in-
wieweit der Salier zwischen der Ehre des Reichs und seiner eigenen zu trennen
vermochte - die Fürsten jedenfalls konnte er mit diesem späten Einlenken nicht
mehr für sich gewinnen.
Diese entwickelten gerade in der Auseinandersetzung mit Heinrich IV. kon-
kretere Vorstellungen von einem gerechten Herrscher: Das Recht sollte er schützen,
die Reichsordnung respektieren, die Ehre der Reichsfürsten achten und sie ange-
messen an der Herrschaft beteiligen, schließlich sollte er ausgleichen und stabilisie-
rend Daß der Salier diesem Bild so wenig entsprach, daß er das genaue Gegenteil
verkörperte und in den Augen der Großen wider die Interessen des Reichs handelte,
mußte auf Dauer zu einer tiefen Entfremdung zwischen ihm und den Fürsten
führen. Der Schritt zu einer gedanklichen Trennung von Amt und Inhaber sowie zu
der Frage, ob man einen unwürdigen König seines Amts entheben dürfe, war unter
diesen Voraussetzungen nicht mehr weit.
Auch Heinrich V. erwies sich als unfähig, den Niedergang des königlichen An-
sehens aufzuhalten. Zwar begann er seine Regierung unter günstigen Vorzeichen
und im Einvernehmen mit den Reichsfürsten^. Aber schon bald legte er Züge des
salischen Alleinherrschaftsanspruchs an den Tag, die zu der Annahme berechtigten,
daß er sich einzig um des Machterhalts willen mit den Fürsten gegen seinen Vater
verbündet hatte. Der »Wirkverbund« von Herrscher und Großen zerbrach 1111 end-
gültig, als durch die Absprachen Heinrichs V. und Papst Paschalis' II. die Reichs-
bischöfe existenziell in ihrer Stellung bedroht wurden^. Bis zum Abschluß des
Wormser Konkordats nahm der Handlungsspielraum des letzten Saliers immer
weiter ab, nahmen die Fürsten ihm die Entscheidungen immer öfter aus der Hand.
Erst Lothar III. konnte das Königtum wieder rehabilitieren. Da er selbst aus den
Reihen der Reichsfürsten hervorgegangen war, selbst in Opposition zu Heinrich V.
gestanden hatte, waren die Voraussetzungen für ein einvernehmliches Zusammen-
arbeiten mit den übrigen Fürsten denkbar günstig. Der Süpplingenburger verstand
es zudem, die Großen in die Herrschaft einzubeziehen, ihrer Forderung nach Mit-
verantwortung gerecht zu werden. Regelmäßig einberufene Hoftage förderten den
Austausch zwischen König und Fürsten, Beratungen in allen wichtigen Angelegen-
heiten vermittelten ihnen nicht nur das Gefühl, die Politik mitzugestalten, sondern
banden sie zugleich an die getroffenen Entscheidungen. So stellt sich die Zeit Lo-
thars trotz der Anfechtungen durch die beiden Stauferbrüder insgesamt als eine
Zeit des Einvernehmens und des inneren Friedens dar, in der die Leitidee der con-
corüzü rggnz gf gcc/gszüg König und Fürsten weitgehend verband'.
Dennoch griff auch Lothar III. salische Gedanken auf, verfolgte dynastische In-
teressen und war bestrebt, das Königtum an sein Haus zu binden. Indem er seinen
5 Vgl. auch KELLER, Schwäbische Herzoge, S. 151.
6 Vgl. dazu oben S. 19f.
7 Vgl. vor allem WEiNFURTER, Reformidee.
8 Dazu oben S. 65f. Vgl. auch WEiNEURTER, Reformidee, S. 34-38.
9 Vgl. oben S.107f.
König, Fürsten und Reich - Eine Schlußbetrachtung
existenzielle Bedeutung, als die Fürsten bereits über seine Absetzung verhandelten.
Erst ganz zum Ende seiner Regierung, erneut unter massivem Druck, billigte er ih-
nen eine Mitverantwortung für das Reich zu, rief er sie um der Ehre des Reichs wil-
len zur Unterstützung gegen seinen eigenen Sohn auf. Doch bleibt hier fraglich, in-
wieweit der Salier zwischen der Ehre des Reichs und seiner eigenen zu trennen
vermochte - die Fürsten jedenfalls konnte er mit diesem späten Einlenken nicht
mehr für sich gewinnen.
Diese entwickelten gerade in der Auseinandersetzung mit Heinrich IV. kon-
kretere Vorstellungen von einem gerechten Herrscher: Das Recht sollte er schützen,
die Reichsordnung respektieren, die Ehre der Reichsfürsten achten und sie ange-
messen an der Herrschaft beteiligen, schließlich sollte er ausgleichen und stabilisie-
rend Daß der Salier diesem Bild so wenig entsprach, daß er das genaue Gegenteil
verkörperte und in den Augen der Großen wider die Interessen des Reichs handelte,
mußte auf Dauer zu einer tiefen Entfremdung zwischen ihm und den Fürsten
führen. Der Schritt zu einer gedanklichen Trennung von Amt und Inhaber sowie zu
der Frage, ob man einen unwürdigen König seines Amts entheben dürfe, war unter
diesen Voraussetzungen nicht mehr weit.
Auch Heinrich V. erwies sich als unfähig, den Niedergang des königlichen An-
sehens aufzuhalten. Zwar begann er seine Regierung unter günstigen Vorzeichen
und im Einvernehmen mit den Reichsfürsten^. Aber schon bald legte er Züge des
salischen Alleinherrschaftsanspruchs an den Tag, die zu der Annahme berechtigten,
daß er sich einzig um des Machterhalts willen mit den Fürsten gegen seinen Vater
verbündet hatte. Der »Wirkverbund« von Herrscher und Großen zerbrach 1111 end-
gültig, als durch die Absprachen Heinrichs V. und Papst Paschalis' II. die Reichs-
bischöfe existenziell in ihrer Stellung bedroht wurden^. Bis zum Abschluß des
Wormser Konkordats nahm der Handlungsspielraum des letzten Saliers immer
weiter ab, nahmen die Fürsten ihm die Entscheidungen immer öfter aus der Hand.
Erst Lothar III. konnte das Königtum wieder rehabilitieren. Da er selbst aus den
Reihen der Reichsfürsten hervorgegangen war, selbst in Opposition zu Heinrich V.
gestanden hatte, waren die Voraussetzungen für ein einvernehmliches Zusammen-
arbeiten mit den übrigen Fürsten denkbar günstig. Der Süpplingenburger verstand
es zudem, die Großen in die Herrschaft einzubeziehen, ihrer Forderung nach Mit-
verantwortung gerecht zu werden. Regelmäßig einberufene Hoftage förderten den
Austausch zwischen König und Fürsten, Beratungen in allen wichtigen Angelegen-
heiten vermittelten ihnen nicht nur das Gefühl, die Politik mitzugestalten, sondern
banden sie zugleich an die getroffenen Entscheidungen. So stellt sich die Zeit Lo-
thars trotz der Anfechtungen durch die beiden Stauferbrüder insgesamt als eine
Zeit des Einvernehmens und des inneren Friedens dar, in der die Leitidee der con-
corüzü rggnz gf gcc/gszüg König und Fürsten weitgehend verband'.
Dennoch griff auch Lothar III. salische Gedanken auf, verfolgte dynastische In-
teressen und war bestrebt, das Königtum an sein Haus zu binden. Indem er seinen
5 Vgl. auch KELLER, Schwäbische Herzoge, S. 151.
6 Vgl. dazu oben S. 19f.
7 Vgl. vor allem WEiNFURTER, Reformidee.
8 Dazu oben S. 65f. Vgl. auch WEiNEURTER, Reformidee, S. 34-38.
9 Vgl. oben S.107f.