Die Formierung der fürstlichen Opposition gegen Heinrich IV.
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ersten Regentschaftsjahren auf eine relativ rege Regierungstätigkeit schließen darf,
die in den Jahren 1060 bis 1062 stark nachließ; nach der Entführung des jungen Kö-
nigs aus der Obhut seiner Mutter zeichnet sich ein stetiger Anstieg des Urkunden-
ausstoßes ab, der im Jahr der Mündigkeitserklärung Heinrichs IV. seinen abschlie-
ßenden Höhepunkt findet^. Das Ergebnis dieser statistischen Auswertung spiegelt
also durchaus die in den erzählenden Quellen aufscheinende zunehmende Ent-
fremdung zwischen der Regentin und den Fürsten wider.
Mit den Vorgängen in Kaiserswerth, die von einer Reihe führender Reichsfür-
sten vorbereitet und durchgeführt wurdenQ tritt uns eine Gruppe entgegen, die
ihre ungewöhnliche Tat mit der Sorge für das Reich rechtfertigte" und die Verant-
wortung aktiv übernehmen wollte. Da sich die Unzufriedenheit jedoch nicht gegen
den unmündigen König, sondern gegen die Regentschaft gerichtet hatte, war eine
Übernahme der faktischen Herrschaft nicht ohne den rechtmäßigen Herrscher
denkbar. Es galt, ihn den schlechten Einflüssen zu ent- und zu einem guten Kö-
nig zu erziehen^. Und damit die Regentschaft und zugleich die Sorge für Hein-
rich IV. nicht wieder in eine Hand fielen, sollte demjenigen Bischof, in dessen Di-
özese der König sich gerade aufhielt, die Verantwortung für ihn und das Reich
übertragen werden^. Inwieweit dieses Modell wirklich praktiziert wurdeA ist weit
weniger interessant als die Tatsache, daß es gedacht wurde. Denn offenbar kam
bereits in dieser Zeit eine Idee auf, die in der weiteren Entwicklung große Bedeu-
tung erlangen sollte: die Idee der Handlungsgemeinschaft der Fürsten^.
20 Diese Aussage bezieht sich lediglich auf die Zeit der Regentschaft, die hier in den Blick ge-
nommen wurde, nicht auf die gesamte Regierungszeit Heinrichs IV.
21 Neben Anno von Köln erwähnen die Quellen noch Erzbischof Siegfried von Mainz, Herzog
Otto von Bayern, Gottfried den Bärtigen und Ekbert I. von Braunschweig; doch wird der Kreis
der »Verschwörer« wesentlich größer geschätzt. Vgl. WEiNFURTER, Herrschaft und Reich, S. 102.
22 Vgl. oben Anm. 17.
23 So die Rechtfertigung der Gruppe um Anno laut Annales Altahenses, ad a. 1062, S. 59f.: Rex ;'g:'-
far üm adoiescere mcipieEaf, paiah'o aafem praesHeafes si'H'mef ipsis taafam coasaieEaaf, aec regem
^ais^aam, Eoaam iaslaaayae esset, edoceEaf, i&oqae in regao maPa iaoUiaafe Ji'eEaaf. Qaaprop-
fer Aaao arcH'episcopMS Coloaieasis, ciaces ef oph'mates regal creEra coaueah'cala JacieEaaf, ^aH de Eoc
agendam/oref aaxie m'mis ad iam'cem coa^aireEaaE (...) Et (yaoaiam episcopas faac paiah'o praesideas
iash'ciae sfadeEaf, eh'am res paEE'ca JZorescere iacipieEah
24 Lampert, Annalen, ad a. 1062, S. 80: Episcopas, af mm'diam fach mih'garet, ne m'deh'cef prioaiae gio-
n'ae pocias ^aam commaais commod; rahcae Eaec admisisse m'derefar, siafaif, af episcopas ^aiE'Eef, in
caias diocesi rex dam femporis morarefar, ne t?aid deirimeafi res paEE'ca paferefar, prouideret et caasis,
^aae ad regem deiafaefaisseni, pohssima?n responderei.
25 Nur Lampert kommt im weiteren Verlauf seiner Erzählung noch einmal darauf zurück, als er
zu 1066 berichtet, daß der Erzbischof von Hamburg-Bremen den König nicht in andere Teile des
Reichs ziehen lassen wollte, um selbst nicht den ersten Platz im Rat zu verlieren. Die übrigen
Reichsfürsten aber seien nicht gewillt gewesen, dieses Unrecht (iniariam) zu dulden, und hät-
ten dem König ein Ultimatum gestellt: Entweder gebe er den Umgang mit Adalbert auf, oder
er müsse abdanken (S. 100f.).
26 Vgl. WEiNFURTER, Herrschaft und Reich, S. 108: Diese Konzeption »zeigt nicht nur den interes-
santen Versuch einer objektiv geregelten und damit persönliche Machtambitionen zurückwei-
senden Verpflichtung der Amtsbrüder, sondern auch eine neue Stufe im inneren Festigungs-
prozeß des Reichs. Das gesamte Reich war betroffen, und alle Bischöfe waren daher auch
aufgerufen, an der Überwindung der Schwierigkeiten mitzuwirken.« Dazu ausführlicher un-
ten, S. 22 und 45.
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ersten Regentschaftsjahren auf eine relativ rege Regierungstätigkeit schließen darf,
die in den Jahren 1060 bis 1062 stark nachließ; nach der Entführung des jungen Kö-
nigs aus der Obhut seiner Mutter zeichnet sich ein stetiger Anstieg des Urkunden-
ausstoßes ab, der im Jahr der Mündigkeitserklärung Heinrichs IV. seinen abschlie-
ßenden Höhepunkt findet^. Das Ergebnis dieser statistischen Auswertung spiegelt
also durchaus die in den erzählenden Quellen aufscheinende zunehmende Ent-
fremdung zwischen der Regentin und den Fürsten wider.
Mit den Vorgängen in Kaiserswerth, die von einer Reihe führender Reichsfür-
sten vorbereitet und durchgeführt wurdenQ tritt uns eine Gruppe entgegen, die
ihre ungewöhnliche Tat mit der Sorge für das Reich rechtfertigte" und die Verant-
wortung aktiv übernehmen wollte. Da sich die Unzufriedenheit jedoch nicht gegen
den unmündigen König, sondern gegen die Regentschaft gerichtet hatte, war eine
Übernahme der faktischen Herrschaft nicht ohne den rechtmäßigen Herrscher
denkbar. Es galt, ihn den schlechten Einflüssen zu ent- und zu einem guten Kö-
nig zu erziehen^. Und damit die Regentschaft und zugleich die Sorge für Hein-
rich IV. nicht wieder in eine Hand fielen, sollte demjenigen Bischof, in dessen Di-
özese der König sich gerade aufhielt, die Verantwortung für ihn und das Reich
übertragen werden^. Inwieweit dieses Modell wirklich praktiziert wurdeA ist weit
weniger interessant als die Tatsache, daß es gedacht wurde. Denn offenbar kam
bereits in dieser Zeit eine Idee auf, die in der weiteren Entwicklung große Bedeu-
tung erlangen sollte: die Idee der Handlungsgemeinschaft der Fürsten^.
20 Diese Aussage bezieht sich lediglich auf die Zeit der Regentschaft, die hier in den Blick ge-
nommen wurde, nicht auf die gesamte Regierungszeit Heinrichs IV.
21 Neben Anno von Köln erwähnen die Quellen noch Erzbischof Siegfried von Mainz, Herzog
Otto von Bayern, Gottfried den Bärtigen und Ekbert I. von Braunschweig; doch wird der Kreis
der »Verschwörer« wesentlich größer geschätzt. Vgl. WEiNFURTER, Herrschaft und Reich, S. 102.
22 Vgl. oben Anm. 17.
23 So die Rechtfertigung der Gruppe um Anno laut Annales Altahenses, ad a. 1062, S. 59f.: Rex ;'g:'-
far üm adoiescere mcipieEaf, paiah'o aafem praesHeafes si'H'mef ipsis taafam coasaieEaaf, aec regem
^ais^aam, Eoaam iaslaaayae esset, edoceEaf, i&oqae in regao maPa iaoUiaafe Ji'eEaaf. Qaaprop-
fer Aaao arcH'episcopMS Coloaieasis, ciaces ef oph'mates regal creEra coaueah'cala JacieEaaf, ^aH de Eoc
agendam/oref aaxie m'mis ad iam'cem coa^aireEaaE (...) Et (yaoaiam episcopas faac paiah'o praesideas
iash'ciae sfadeEaf, eh'am res paEE'ca JZorescere iacipieEah
24 Lampert, Annalen, ad a. 1062, S. 80: Episcopas, af mm'diam fach mih'garet, ne m'deh'cef prioaiae gio-
n'ae pocias ^aam commaais commod; rahcae Eaec admisisse m'derefar, siafaif, af episcopas ^aiE'Eef, in
caias diocesi rex dam femporis morarefar, ne t?aid deirimeafi res paEE'ca paferefar, prouideret et caasis,
^aae ad regem deiafaefaisseni, pohssima?n responderei.
25 Nur Lampert kommt im weiteren Verlauf seiner Erzählung noch einmal darauf zurück, als er
zu 1066 berichtet, daß der Erzbischof von Hamburg-Bremen den König nicht in andere Teile des
Reichs ziehen lassen wollte, um selbst nicht den ersten Platz im Rat zu verlieren. Die übrigen
Reichsfürsten aber seien nicht gewillt gewesen, dieses Unrecht (iniariam) zu dulden, und hät-
ten dem König ein Ultimatum gestellt: Entweder gebe er den Umgang mit Adalbert auf, oder
er müsse abdanken (S. 100f.).
26 Vgl. WEiNFURTER, Herrschaft und Reich, S. 108: Diese Konzeption »zeigt nicht nur den interes-
santen Versuch einer objektiv geregelten und damit persönliche Machtambitionen zurückwei-
senden Verpflichtung der Amtsbrüder, sondern auch eine neue Stufe im inneren Festigungs-
prozeß des Reichs. Das gesamte Reich war betroffen, und alle Bischöfe waren daher auch
aufgerufen, an der Überwindung der Schwierigkeiten mitzuwirken.« Dazu ausführlicher un-
ten, S. 22 und 45.