Die Formierung der fürstlichen Opposition gegen Heinrich IV.
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gänge in Sachsen und auf die dahinterstehenden Vorstellungen von Königtum,
Reich und Recht hin zu prüfen.
Welche Vorwürfe wurden nun konkret gegen den König erhoben? Die Inten-
sivierung des herrscherlichen Zugriffs, für die die königliche Burgenpolitik nur
das nach außen hin sichtbare Symbol war, wurde von der Bevölkerung in Sachsen
allgemein als »schreiendes Unrecht«'*' und »unzumutbarer Eingriff in ihre ühcrüts
und ihre Uycs pcfnac bzw. zürn pafrz'a« gewertet^. Die ungewohnten Forderungen
von Abgaben und Leistungen, die Heinrich IV. erhob, liefen ihrem Verständnis
von Freiheit zuwider^, und so behaupteten sowohl Bruno als auch Lampert, der
König beabsichtige, die Sachsen zu versklaven'". Hinter diesem Vorwurf stand
letztlich eine Mißachtung der althergebrachten Rechte und der Rangordnung
durch den König, eine Verletzung der dem Verhältnis von Herzogtum und Reich
zugrundeliegenden Rechtsvorstellungen. Indem der Herrscher selbst in die >Terri-
torialpolitik< der Fürsten eingriff, statt über ihr zu stehen, indem er Konkurrent
statt Schlichter wurde, störte, ja zerstörte er das bisherige Herrschaftsgefüge"'.
Hinzu kam eine als ungerecht und entehrend betrachtete Behandlung der sächsi-
schen Großen"*, die den Unmut und das Gefühl, unterdrückt zu werden, weiter
47 KELLER, Zwischen regionaler Begrenzung..., S. 172.
48 GiESE, Der Stamm der Sachsen, S. 154; vgl. auch DERS., Adel in Ostsachsen, S. 292f. Zum Begriff
der patrz'a in der Zeit des Sachsenaufstands vgl. EiCHENBERGER, Patria, S. 160-173, insbes. S.
165f.; zur Pflicht des Herrschers, die Rechte seiner Untertanen zu wahren, vgl. ULLMANN,
Schranken der Königsgewalt, insbes. S. 15f.
49 Vgl. zum Begriff der iz'&ertas im sächsischen Aufstand allgemein LEYSER, Von sächsischen Frei-
heiten, insbes. S. 76-82; außerdem GiESE, Adel in Ostsachsen, S. 291 f.; SCHUBERT, Geschichte
Niedersachsens, S. 287-289.
50 Brunos Buch vom Sachsenkrieg, c. 16, S. 23: Poshyanm uero praesz'ziz'a in z'psz's castePz's coiiocafa coe-
perMnf in cz'rcaz'ta sao praeziatz'ones agere, non snos tabores in saos asas comportare, /zheros tzomines azf
opns seroz'ie compePere, fiiias ue? axores aiz'enas iazü'&rz'o fza&ere.' tanc prz'mam, z^az'zt iiia casteiia porten-
Perent, z'ntePexerant, nee tarnen azPzac reszstere oei se ziefenziere praesampserant. c. 23, S. 28: Constz'tato
itaz?ae Pie ef ioco, q'ao omnes cam omnibas Saxonzhas conuenirent ei & PPertate coznmani, z^aam szPz' ui-
PePant erepfnzn in, commanz'ter agerenf ... Lampert, Annalen, ad a. 1073, S. 146f.: ftazyne oz'Pens rex
omnes circamz^aaz^ae manenfes meta attonz'tos et aP sascz'pz'enPas z^aascamz^ae unposnissef conPz'ciones
pacz'entissimos, nragnMnz z^az'PPam et a naPo maz'oram saoram anfeizac temptatam macPinari cepif, oi-
Peiz'cet nt omnes Saxones et Pnn'ngos in seroz'tatezn rePigeret et prePia eoram fisco pabiico aPiceret. Zu
Darstellungsabsicht und Bewertung dieser beiden Quellen vgl. SCHUBERT, Geschichte Nieder-
sachsens, S. 268-272, der noch einmal heraushebt, daß Lampert kein verkappter Königsgegner,
sondern nur der tiefen Überzeugung war, »daß im Gegensatz zur salischen Auffassung das
Reich nicht durch den König allein, sondern durch König und Fürsten repräsentiert sei« (S. 272).
Vgl. schon HoFFMANN, König, S. 151-155.
51 Kritisch zum Begriff der >Territorialpolitik< äußert sich SCHUBERT, Geschichte Niedersachsens,
S. 285, da mit diesem »begriffliche[n] Alleskleber« (S. 279) eine »zukunftsweisende Konzeption«
und eine »innere Berechtigung des Handelns im Interesse der Stärkung des Königtums« impli-
ziert werde, die fehl am Platze sei.
52 Brunos Buch vom Sachsenkrieg, c. 16, S. 23: ... et FriPericam Pe Monte, z?az' inter PPeros Pomines uei
noPPes eximias PaPePatar,famaiam saam esse rexasserMtt; Wz'PePaimam z?aoz?ae, (...) tanta craPeiitate
persezynitar, (...) at propter Pos Paos ab omni Saxonia praecipaefacta sz't aPversas regem coniaratio ...
c. 23, S. 27: fgifnrfestiuitate ceiebriter ceiebrata, cam Pies aP caasas agenPas statata uenisset, episcopi,
Paces, comites ceteriq'ae aP paiatiam PPacaio primo congregantar; ibiz^ae sePentes, Pones aP se rex egre-
Piatar oei aP se ialzeat eos z'ntrare, nez^aicz^aam operiantar. Nam iiie cabz'Ps saifbrz'bas ciaasis, z'ntas cam
saz's parasz'tz's aiez's oei ceterz's rebas nagatoriis operam Pabat et tot magnos Pomines aP saam z'anaam ex-
cabare, z^aasz mancipia uPissima, nz'ctzz'i: penPebat. Lampert, Annalen, ad a. 1070, S. 113f., berichtet
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gänge in Sachsen und auf die dahinterstehenden Vorstellungen von Königtum,
Reich und Recht hin zu prüfen.
Welche Vorwürfe wurden nun konkret gegen den König erhoben? Die Inten-
sivierung des herrscherlichen Zugriffs, für die die königliche Burgenpolitik nur
das nach außen hin sichtbare Symbol war, wurde von der Bevölkerung in Sachsen
allgemein als »schreiendes Unrecht«'*' und »unzumutbarer Eingriff in ihre ühcrüts
und ihre Uycs pcfnac bzw. zürn pafrz'a« gewertet^. Die ungewohnten Forderungen
von Abgaben und Leistungen, die Heinrich IV. erhob, liefen ihrem Verständnis
von Freiheit zuwider^, und so behaupteten sowohl Bruno als auch Lampert, der
König beabsichtige, die Sachsen zu versklaven'". Hinter diesem Vorwurf stand
letztlich eine Mißachtung der althergebrachten Rechte und der Rangordnung
durch den König, eine Verletzung der dem Verhältnis von Herzogtum und Reich
zugrundeliegenden Rechtsvorstellungen. Indem der Herrscher selbst in die >Terri-
torialpolitik< der Fürsten eingriff, statt über ihr zu stehen, indem er Konkurrent
statt Schlichter wurde, störte, ja zerstörte er das bisherige Herrschaftsgefüge"'.
Hinzu kam eine als ungerecht und entehrend betrachtete Behandlung der sächsi-
schen Großen"*, die den Unmut und das Gefühl, unterdrückt zu werden, weiter
47 KELLER, Zwischen regionaler Begrenzung..., S. 172.
48 GiESE, Der Stamm der Sachsen, S. 154; vgl. auch DERS., Adel in Ostsachsen, S. 292f. Zum Begriff
der patrz'a in der Zeit des Sachsenaufstands vgl. EiCHENBERGER, Patria, S. 160-173, insbes. S.
165f.; zur Pflicht des Herrschers, die Rechte seiner Untertanen zu wahren, vgl. ULLMANN,
Schranken der Königsgewalt, insbes. S. 15f.
49 Vgl. zum Begriff der iz'&ertas im sächsischen Aufstand allgemein LEYSER, Von sächsischen Frei-
heiten, insbes. S. 76-82; außerdem GiESE, Adel in Ostsachsen, S. 291 f.; SCHUBERT, Geschichte
Niedersachsens, S. 287-289.
50 Brunos Buch vom Sachsenkrieg, c. 16, S. 23: Poshyanm uero praesz'ziz'a in z'psz's castePz's coiiocafa coe-
perMnf in cz'rcaz'ta sao praeziatz'ones agere, non snos tabores in saos asas comportare, /zheros tzomines azf
opns seroz'ie compePere, fiiias ue? axores aiz'enas iazü'&rz'o fza&ere.' tanc prz'mam, z^az'zt iiia casteiia porten-
Perent, z'ntePexerant, nee tarnen azPzac reszstere oei se ziefenziere praesampserant. c. 23, S. 28: Constz'tato
itaz?ae Pie ef ioco, q'ao omnes cam omnibas Saxonzhas conuenirent ei & PPertate coznmani, z^aam szPz' ui-
PePant erepfnzn in, commanz'ter agerenf ... Lampert, Annalen, ad a. 1073, S. 146f.: ftazyne oz'Pens rex
omnes circamz^aaz^ae manenfes meta attonz'tos et aP sascz'pz'enPas z^aascamz^ae unposnissef conPz'ciones
pacz'entissimos, nragnMnz z^az'PPam et a naPo maz'oram saoram anfeizac temptatam macPinari cepif, oi-
Peiz'cet nt omnes Saxones et Pnn'ngos in seroz'tatezn rePigeret et prePia eoram fisco pabiico aPiceret. Zu
Darstellungsabsicht und Bewertung dieser beiden Quellen vgl. SCHUBERT, Geschichte Nieder-
sachsens, S. 268-272, der noch einmal heraushebt, daß Lampert kein verkappter Königsgegner,
sondern nur der tiefen Überzeugung war, »daß im Gegensatz zur salischen Auffassung das
Reich nicht durch den König allein, sondern durch König und Fürsten repräsentiert sei« (S. 272).
Vgl. schon HoFFMANN, König, S. 151-155.
51 Kritisch zum Begriff der >Territorialpolitik< äußert sich SCHUBERT, Geschichte Niedersachsens,
S. 285, da mit diesem »begriffliche[n] Alleskleber« (S. 279) eine »zukunftsweisende Konzeption«
und eine »innere Berechtigung des Handelns im Interesse der Stärkung des Königtums« impli-
ziert werde, die fehl am Platze sei.
52 Brunos Buch vom Sachsenkrieg, c. 16, S. 23: ... et FriPericam Pe Monte, z?az' inter PPeros Pomines uei
noPPes eximias PaPePatar,famaiam saam esse rexasserMtt; Wz'PePaimam z?aoz?ae, (...) tanta craPeiitate
persezynitar, (...) at propter Pos Paos ab omni Saxonia praecipaefacta sz't aPversas regem coniaratio ...
c. 23, S. 27: fgifnrfestiuitate ceiebriter ceiebrata, cam Pies aP caasas agenPas statata uenisset, episcopi,
Paces, comites ceteriq'ae aP paiatiam PPacaio primo congregantar; ibiz^ae sePentes, Pones aP se rex egre-
Piatar oei aP se ialzeat eos z'ntrare, nez^aicz^aam operiantar. Nam iiie cabz'Ps saifbrz'bas ciaasis, z'ntas cam
saz's parasz'tz's aiez's oei ceterz's rebas nagatoriis operam Pabat et tot magnos Pomines aP saam z'anaam ex-
cabare, z^aasz mancipia uPissima, nz'ctzz'i: penPebat. Lampert, Annalen, ad a. 1070, S. 113f., berichtet