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Schlick, Jutta; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
König, Fürsten und Reich: (1056 - 1159) ; Herrschaftsverständnis im Wandel — Mittelalter-Forschungen, Band 7: Stuttgart, 2001

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34721#0072
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DzMü/za regnz üz'scorüz'a - Das entzweite Reich (1077-1125)

rieh IVrA Daß er die erste Variante für seine Darstellung bevorzugte, ist ver-
ständlich, sollte sie doch den Gerüchten einer erzwungenen Herrschaftsübergabe
den Boden entziehen^. Dem gleichen propagandistischem Zweck diente ver-
mutlich auch die wohl von Ekkehard selbst in Auftrag gegebene Federzeich-
nung, die sich im gleichen Codex wie die Chroniken Frutolfs und Ekkehards
befindet und den idealen Verlauf des persönlichen und einvernehmlichen Insi-
gnienwechsels vom Vater auf den Sohn darstellt^ - ein Vorgang, der so nie statt-
gefunden hat, weil sich die Insignien auf der Burg Hammerstein befanden und
Heinrich V. erst bei seiner neuerlichen Investitur durch den Erzbischof von
Mainz überreicht wurderrü Aber diese Betonung der freiwilligen Herrschafts-
abtretung an den Sohn entspricht ganz dem Bemühen Heinrichs V. um dyna-
stische Kontinuität, wie sie eben in dem Verb fm&rg zum Ausdruck kommt.
Ekkehards Darstellung gibt auch hier getreulich das salische Selbstverständnis
wieder.
Um so mehr fällt es daher auf, daß Ekkehard ausgerechnet in dem Brief, den
er im Namen der Fürsten verfaßte, die Schilderung der Vorgänge leicht variierte.
Zum einen wird erstmals eingeräumt, daß Heinrich IV. sich nicht so freiwillig
zur Herausgabe der Insignien bereitfand, wie dies für einen >nahtlosen< Über-
gang offenbar erforderlich gewesen wäre. Diese Darstellung kommt der Version
Heinrichs IV. vom Hergang der Ereignisse - und auch dem >wahren< Sachverhalt
- immerhin näher^. Zum anderen aber verwendet Ekkehard hier den gleichen
Begriff für die Insignienauslieferung wie die kaiserliche Propaganda^, nämlich

254 Ekkehard I, ad a. 1106, S. 204 (= Kaiserchronik III, S. 238, Ekkehard III, S. 272):... z'pse parfz's zürz'MS-
coMSz'/z'z's a n n M e n s regalz'a ne? impenaha z'zzsz'gMM, crMcezrz scih'cef ei ianceam, scepfrMzrz, globazzz af-
^MecoroKam,Hhpofes?aÜ trazfzUzT ...; Ekkehard III, ad a. 1106,S.284: CMZMsregMz'pn'zicz'pzMMzsMz'
fz/zemessecoz-zspz'cz'enseh'am ipse lam^Me uolMzzfazÜMS,sec?,Miz'arngzüs ^zfrrzfMr Izter^, rzzrz z s z'zi-
n ü M s coHaMÜauz'f, regalz'a r e z? z? zü? z f, fz'/z'z CMZ*a??z CMm regno nosire/z'&z lacrz'zTzazzzIo commisii...
255 Ekkehard I, ad a. 1105, S. 200 (= Kaiserchronik II, S. 236): ... sec? naigans z'zz& sfzüfz'cz'a pairem a /z-
Iz'o z?o?o capiam ei CMSiocä'e ZMazzcz'pafMZM czrcMm^Mac^Me A^amanzi.
256 Staatsbibi. Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Cod. lat. 295, fol. 99r. Vgl. dazu ScHMiD, Kai-
serdynastie, S. 484 mit Anm. 93; zur Bedeutung der Anordnung von Text und Zeichnung im Co-
dex vgl. DERS., Zum Haus- und Herrschaftsverständnis, S. 39-42; Hum, Reichsinsignien, S. 288;
ebd., S. 290: »Insgesamt scheint es Ekkehard im Kontext seiner Schilderung des ebenso dramati-
schen wie ungewöhnlichen Herrschaftswechsels von 1105/6 auf die persönliche In-
signienübergabe angekommen zu sein, und genau diese Szene hat der Illustrator der Berliner
Handschrift festgehalten: als Inbegriff der Herrschaftsübernahme durch Heinrich V., eines Herr-
schaftswechsels, dessen Legitimität eben durch diese Zeremonie erwiesen werden sollte«; ebd.,
S. 310: »Das Bild von der Insignienreichung (...) zeigt also, was nicht stattfand, aber sehr wohl
hätte stattfinden sollen. Bezüglich der Legitimation von Heinrichs V. Einsetzung als Herr-
schaftsnachfolger seines noch lebenden Vaters zeigt das Bild, was nach zeitgenössischen Vor-
stellungen vermutlich hätte stattfinden müssen.« WBiNFURTER, Herrschaft und Reich, S. 144
und Tafel 17, geht sogar davon aus, daß eine Vorlage dieser Zeichnung schon im unmittelbaren
zeitlichen Umfeld der Ereignisse von 1105/06 angefertigt und der Recensio II beigefügt wurde.
257 Sog. >Libellus de rebe!lione<, Annales Hildesheimenses, ad a. 1106, S. 55f. Vgl. dazu Hum,
Reichsinsignien, S. 292 mit Anm. 21, 295f. Siehe auch Vita Heinrici IV., c. 10, S. 34; ERDMANN,
Briefe Heinrichs IV., Nr. 37 und 39 (wie Anm. 253).
258 Vgl. die Quellenstellen in Anm. 253.
259 Vgl. SCHMALE, Briefe Heinrichs IV., S. 123, der in Anm. 10 darauf hinweist, daß das Schreiben
an Philipp von Frankreich »wahrscheinlich zu reinen Propagandazwecken verfaßt und viel-
leicht niemals wirklich an den König von Frankreich abgeschickt« wurde.
 
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