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Jürgen Miethke
greifen. Es trafen sich die Gemeindeleiter, die ihre Gemeinden vollgültig reprä-
sentierten, sodass die Beschlüsse Geltung für die teilnehmenden Gemeinden
gewannen. Überliefert sind aus dieser Frühzeit etwa Beschlüsse zur Abwehr
von Irrlehren, die allgemeine Geltung erlangten. Hier wurde die eigene Iden-
tität durch Kontraposition geformt. Der Montanismus, Häretiker wie Noetus
oder Paulus von Samosate sind auf Synoden verurteilt worden. Heilige Schrift
und die Autorität von Kirchenvätern lieferten Maßstab und Richtschnur.
Mit und seit der konstantinischen Wende suchten auch die Kaiser das In-
strument synodaler Versammlungen der christlichen Kirche und damit die
gesamte Reichskirche ihrerseits der Reichseinheit dienstbar zu machen. »Kon-
zilien« versammelten die Reichskirche auf Geheiß des Kaisers, welcher auch
die Verhandlungen leitete und damit stark bestimmte. Auch für die Durchset-
zung der Beschlüsse fühlten sich die Kaiser verantwortlich. Die Kirche gewann
in diesem Prozess ein mehrstöckiges Synodalsystem,4 in welchem Synoden der
Bistümer, der Provinzen und Metropolitanbezirke sowie der gesamten Reichs-
kirche als Instrumente der Integration wirken konnten. Teilnehmer waren auf
der obersten Ebene außer dem kaiserlichen Leiter die führenden Kleriker, die
Patriarchen, Bischöfe und Gemeindeleiter, die ihre Gemeinden repräsentierten
und für sie sprechen konnten. Noch Augustinus sieht die Aufgabe von Kon-
zilien darin, mit Gottes Hilfe durch die Zusammenkunft begrenzte menschliche
Erkenntnis zu festigen, die Wahrheit zu bekräftigen und heilsame Gebräuche
und Lebensformen der Kirche zu sichern.5
Die Rolle des Klerus war nicht auf allen, insbesondere nicht auf den höher-
rangigen Synoden gleichförmig, aber die kirchlichen Amtsträger hatten als die
besten Sachkenner immer das wichtigste Wort. Der Bischof leitete die Synode
des Klerus seiner Diözese, der Metropolit die Synode seines Metropolitanver-
bandes, die Patriarchen standen Patriarchalsynoden vor. Die Gesamtsynode
des Reichs hatte kein selbstverständliches Haupt. Der Kaiser selbst leitete ihren
Verlauf (oder ließ die Synode durch einen Beauftragten leiten). Auch war die
Teilnahme wichtiger Amtsträger aus den verschiedenen Reichsteilen wichtig.
Ansprüche auf besondere Berücksichtigung stellte relativ früh der Patriarch
des Abendlandes, der römische Papst, der seine unabdingbare Teilnahme (oder
eine spätere Bestätigung der Beschlüsse) früh in Anspruch nahm, aber nicht wi-
derspruchslos erreichen konnte. Es wurde teilweise heftig darüber diskutiert.
Geltung und Autorität gewannen die Beschlüsse der lokalen, regionalen und
reichsweiten (»ökumenischen«) Versammlungen durch ihre Rezeption,6 d. h.
durch die Anerkennung bei den anderen Gemeinden und Kirchen. Kleriker,
4 Eine gediegene neuere Übersicht über die oberste Ebene lieferte Klaus Schatz, Allgemeine
Konzilien - Brennpunkte der Kirchengeschichte, Paderborn 1997.
5 Augustinus, De baptismo (contra Donatistas) libri septem, hg. von Michael Petschenig (Cor-
pus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum 51), Wien 1908, Reprint Wien 1963, II.4.5; II.7.12;
V.17.23; S. 179,187 u. 282.
6 Dazu vor allem bereits Albert Hauck, Die Reception und Umbildung der allgemeinen Sy-
node im Mittelalter, in: Historische Vierteljahresschrift 10, 1907, S. 465-482; Yves Congar,
La »reception« comme realite ecclesiologique, in: Revue des Sciences philosophiques et theo-
logiques 56, 1972, S. 369-403 (jetzt in: Congar, Droit ancien et structures ecclesiales [Collec-
Jürgen Miethke
greifen. Es trafen sich die Gemeindeleiter, die ihre Gemeinden vollgültig reprä-
sentierten, sodass die Beschlüsse Geltung für die teilnehmenden Gemeinden
gewannen. Überliefert sind aus dieser Frühzeit etwa Beschlüsse zur Abwehr
von Irrlehren, die allgemeine Geltung erlangten. Hier wurde die eigene Iden-
tität durch Kontraposition geformt. Der Montanismus, Häretiker wie Noetus
oder Paulus von Samosate sind auf Synoden verurteilt worden. Heilige Schrift
und die Autorität von Kirchenvätern lieferten Maßstab und Richtschnur.
Mit und seit der konstantinischen Wende suchten auch die Kaiser das In-
strument synodaler Versammlungen der christlichen Kirche und damit die
gesamte Reichskirche ihrerseits der Reichseinheit dienstbar zu machen. »Kon-
zilien« versammelten die Reichskirche auf Geheiß des Kaisers, welcher auch
die Verhandlungen leitete und damit stark bestimmte. Auch für die Durchset-
zung der Beschlüsse fühlten sich die Kaiser verantwortlich. Die Kirche gewann
in diesem Prozess ein mehrstöckiges Synodalsystem,4 in welchem Synoden der
Bistümer, der Provinzen und Metropolitanbezirke sowie der gesamten Reichs-
kirche als Instrumente der Integration wirken konnten. Teilnehmer waren auf
der obersten Ebene außer dem kaiserlichen Leiter die führenden Kleriker, die
Patriarchen, Bischöfe und Gemeindeleiter, die ihre Gemeinden repräsentierten
und für sie sprechen konnten. Noch Augustinus sieht die Aufgabe von Kon-
zilien darin, mit Gottes Hilfe durch die Zusammenkunft begrenzte menschliche
Erkenntnis zu festigen, die Wahrheit zu bekräftigen und heilsame Gebräuche
und Lebensformen der Kirche zu sichern.5
Die Rolle des Klerus war nicht auf allen, insbesondere nicht auf den höher-
rangigen Synoden gleichförmig, aber die kirchlichen Amtsträger hatten als die
besten Sachkenner immer das wichtigste Wort. Der Bischof leitete die Synode
des Klerus seiner Diözese, der Metropolit die Synode seines Metropolitanver-
bandes, die Patriarchen standen Patriarchalsynoden vor. Die Gesamtsynode
des Reichs hatte kein selbstverständliches Haupt. Der Kaiser selbst leitete ihren
Verlauf (oder ließ die Synode durch einen Beauftragten leiten). Auch war die
Teilnahme wichtiger Amtsträger aus den verschiedenen Reichsteilen wichtig.
Ansprüche auf besondere Berücksichtigung stellte relativ früh der Patriarch
des Abendlandes, der römische Papst, der seine unabdingbare Teilnahme (oder
eine spätere Bestätigung der Beschlüsse) früh in Anspruch nahm, aber nicht wi-
derspruchslos erreichen konnte. Es wurde teilweise heftig darüber diskutiert.
Geltung und Autorität gewannen die Beschlüsse der lokalen, regionalen und
reichsweiten (»ökumenischen«) Versammlungen durch ihre Rezeption,6 d. h.
durch die Anerkennung bei den anderen Gemeinden und Kirchen. Kleriker,
4 Eine gediegene neuere Übersicht über die oberste Ebene lieferte Klaus Schatz, Allgemeine
Konzilien - Brennpunkte der Kirchengeschichte, Paderborn 1997.
5 Augustinus, De baptismo (contra Donatistas) libri septem, hg. von Michael Petschenig (Cor-
pus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum 51), Wien 1908, Reprint Wien 1963, II.4.5; II.7.12;
V.17.23; S. 179,187 u. 282.
6 Dazu vor allem bereits Albert Hauck, Die Reception und Umbildung der allgemeinen Sy-
node im Mittelalter, in: Historische Vierteljahresschrift 10, 1907, S. 465-482; Yves Congar,
La »reception« comme realite ecclesiologique, in: Revue des Sciences philosophiques et theo-
logiques 56, 1972, S. 369-403 (jetzt in: Congar, Droit ancien et structures ecclesiales [Collec-