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Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Peltzer, Jörg [Bearb.]; Schwedler, Gerald [Bearb.]; Töbelmann, Paul [Bearb.]
Politische Versammlungen und ihre Rituale: Repräsentationsformen und Entscheidungsprozesse des Reichs und der Kirche im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 27: Ostfildern, 2009

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Töbelmann, Paul,: Formen der Repräsentation auf Reichsversammlungen des hohen und späten Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.34740#0221

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Paul Töbelmann

Kriterium für die Unterscheidung eines großen von einem kleinen Hoftag wird
häufig das Personal herangezogen: Die tägliche curia minor besteht aus den klei-
nen Rittern und Kronvasallen, den Ministerialen, Kanzleischreibern und Die-
nern, wohingegen die außergewöhnliche curia maior den Herrscher im Einver-
nehmen mit den Kurfürsten und Fürsten meint. Doch ist diese Unterscheidung
nicht notwendigerweise immer und überall tragfähig, wie Egon Boshof am
Beispiel der Hoftage Rudolfs I. gezeigt hat: Hier ist das Personal des täglichen
Hofes kaum von den Besuchern der Hoftage zu unterscheiden.3 Auch ist der
Entfaltungsraum der maior es, deren Anwesenheit die curia maior ausmachen
soll, in ihrem zentripetalen Bezug auf den Herrscher vor allem durch deren
gemeinsame Repräsentation gekennzeichnet: Repräsentation im Sinne einer
verengenden Stellvertretung (der Herrscher und die Kurfürsten beziehungs-
weise Fürsten für das Reich) wie auch Repräsentation im Sinne der konkretisie-
renden Darstellung abstrakter Herrschafts- und Ordnungsvorstellungen. Und
es ist diese zwiefaltige Repräsentation, die als ihr Mittel auf Prachtentfaltung
auf mehreren Ebenen des sinnlichen Wahrnehmens zurückgriff, auf einen ritu-
alisierenden Apparat, der allein sie der mittelalterlichen Fühl- und Denkwelt
angemessen vermitteln konnte. Diesem apparatus und seiner Wirkung nachzu-
gehen, wird das Ziel dieses Beitrags sein.


»Kleider machen Leute«,4 das erfuhr nicht erst Gottfried Kellers armer Schnei-
der Wenzel, den das Kostüm für kurze Zeit zum »Grafen Strapinski« machte.
Schon der römische Rhetoriker Quintilian, dem auch die Redewendung vestis
reddit virum zugeschrieben wird, stellte fest: »Auch geschmackvolle und präch-
tige Gewandung verleiht den Menschen Autorität, wie im griechischen Vers
bezeugt ist; doch weibische und ausschweifende schmückt nicht den Körper,
sondern entblößt den [verdorbenen] Geist.«5
Vor allem auf die richtige Kleidung kam es an, das wusste auch Albrecht I.,
der Sohn König Rudolfs I. von Habsburg, als er im Dezember 1282 zum Hoftag

Konrad von Megenberg. Das »Haus« als Norm für soziale und politische Strukturen (Norm
und Struktur 6), Köln/New York 1997.
3 Egon Boshof, Hof und Hoftag König Rudolfs von Habsburg, in: Moraw, Königshof (wie
Anm. 1), S. 387-416, hier S. 412 kommt zu dem Schluss: »Die Besucher der feierlichen Hoftage
unterscheiden sich also nicht von denen, die an der Regierungstätigkeit des täglichen Hofes
Anteil haben.« Will man curia minor und curia maior daher unterscheiden, muss man ein um-
fassenderes Kriterium dafür bestimmen.
4 Kleidung und Körperschmuck haben in den letzten Jahren in der Mediävistik vermehrt Auf-
merksamkeit gefunden, vgl. zuletzt Kleidung und Repräsentation in Antike und Mittelalter,
hg. von Ansgar Köb, (MittelalterStudien des Instituts zur Interdisziplinären Erforschung des
Mittelalters und seines Nachwirkens Paderborn 7), München 2005.
5 Marcus Fabius Quintilianus, Ausbildung des Redners. 12 Bücher, hg. u. übers, von Helmut
Rahn (Texte zur Forschung), 2 Bde., Darmstadt 1995, hier Bd. 2, VIII Pro. 20, S. 130-132: et
cultus concessus atque magnificus addit hominibus, ut Graeco versu testatum est, auctoritatem: at
muliebris et luxuriosus non corpus exornat, sed detegit mentem.
 
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