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Mitteilungen aus den sächsischen Kunstsammlungen — 2.1911

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Geisberg, Max: Der verlorene Sohn aus dem Verlage Jobst de Negkers im Kupferstichkabinett zu Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.63187#0040
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MITTEILUNGEN A. D. S. KUNSTSAMMLUNGEN 1911

laufen links vertikal entlang den Ohrlocken der Schönen, dann wagrecht
bis zum äußeren Winkel des rechten Auges, dann schräg herunter, den
Mundwinkel streifend bis zum Unterrande des Kinnes, und von hier
nach links unten, wo sie sich in der weißen Fläche des Halses ver-
lieren. Offenbar ist dem Formschneider der Schnitt an dieser Stelle
zunächst mißraten, so daß er sich genötigt sah, zu einer Korrektur
zu greifen, wie sie beim Holzschnitt nur durch Einsetzen eines Holz-
stückes möglich ist. Es ist das ein Verfahren, das uns nicht selten
auf Holzschnitten aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts begegnet,
und zwar ebensowohl bei Augsburger Formschnitten wie z. B. den
Theuerdank-Illustrationen Schäufeleins, wie bei Nürnberger Arbeiten,
z. B. der Triumphpforte Dürers. Wir müssen also unseren Holz-
schnitt, von dem kein zweites Exemplar bekannt ist, als einen zweiten
Zustand bezeichnen.
Die Erhaltung des Blattes ist eine verhältnismäßig gute; es weist
zwar viele Knicke auf, unten in der Mitte ist es eingerissen und oben
so scharf beschnitten, daß die Überschrift etwas beschädigt ist; doch
ist sie noch völlig zu entziffern und kann nur Die fyiftori. vom ver-
lornen Son. £ucas am XV. (Capittel. gelautet haben. Ein breiter Orna-
mentrahmen mit einem nicht sehr schönen Muster, das aus eng auf-
einander geschobenen Bändern gebildet ist, ist mit den Bildstöcken
zusammen gedruckt, nicht etwa aufgeklebt. Er schließt sich oben und
an den Seiten eng an die Hauptdarstellung an, nur unten läßt er einen
13,2 cm hohen Unterrand frei, den ein in 6 Kolumnen geteiltes Ge-
dicht von 100 Zeilen einnimmt. Die biblische Erzählung ist darin
recht trocken und phantasielos, nicht ohne eine moralisierende Ein-
leitung, in herzlich unbeholfene Verse gebracht. Ich beschränke mich
darauf, nur den Anfang und den Schluß davon abzudrucken, ohne die
Gefahr befürchten zu müssen, eine Perle gefunden und wieder ver-
scharrt zu haben.
(Softes gnab niemanb verjag
Sdjid auff ju <£>ot bein fänlicf? flag
5o wirt er bir barmfyerfsig fein
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(Srofi feinb vnb vtl on alle jal
So grof? tvarb nye bes menfdjen fal
(Er tvarb verjucft / vnb gar ju nidjt
Durd? reütve tvtber auffgeridjt
♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦
Der Patter fpradf / nit bifj am fier
2Tiein Son bu bift alljeyt bey mir
Pnb was idi fyab bas ift aud} bein
3ei? mujj id? aber frolid? fein
Dein Drüber lebt / ber gftorbn was
£afr bir mit mir gefallen bas.
 
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