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Mitteilungen aus den sächsischen Kunstsammlungen — 2.1911

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Engelmann, Max: Das Meisterstück des Nürnberger Uhrmachers Paulus Schuster
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https://doi.org/10.11588/diglit.63187#0056
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MITTEILUNGEN A. D. S. KUNSTSAMMLUNGEN 1911

Sonntag, dann folgten Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn.
Von den kleineren Zifferblättern oberhalb der Kalenderscheibe zeigt
das linke die Sonntagsbuchstaben, das rechte die güldne Zahl an.
An diesem Turm im kleinen durften natürlich nicht jene so häufig
an seinen großen Brüdern angebrachten Automaten fehlen. Das Schlagen
der Stunden und Viertel besorgen ein Schlagmännlein und -weiblein
(siehe Abb. 2). Sie haben ihr frühestes Vorbild in dem 1382 in Courtrai
entstandenen und bald darauf nach Dijon gebrachten Jaquemart, der
dort in Gesellschaft von zwei weiteren, 1714 angebrachten Schlag-
figuren noch heute seine Dienste verrichtet. Diese Jaquemarts er-
freuten sich, wie alle öffentlichen Automaten, außerordentlicher Beliebt-
heit; schlichten Gemütern erschienen ihre Hersteller als wahre Hexen-
meister, die Sage umspann diese Uhrmännlein, sie wurden zu Wahr-
zeichen der Städte. Es erfreuen sich u. a. die Mohrenschlagmänner
zu Venedig und die „Jacks of the clock“ in Southwold, Wells und
Norwich, die sämtlich im 14. und 15. Jahrhundert errichtet wurden,
noch heute ihres Lebens. Zwischen den Schlagfiguren der Uhr ist
der volkstümlichste aller Uhrenautomaten, der flügelschlagende und
krähende Hahn, als Sinnbild der Wachsamkeit, angebracht. Sein be-
rühmtester Kollege befindet sich bekanntlich an der großen astrono-
mischen Uhr im Straßburger Münster. In der obersten Galerie tanzen
zwei jugendliche Paare einen Rundtanz, während in der darüber-
gelegenen Bogenöffnung ein hockender Mandolinenspieler durch Hin-
und Herdrehen des Kopfes sein Spiel dazu markiert. Mit ihm steht
die Windfahne an der äußersten Spitze der Uhr in Verbindung, die
diesen Bewegungen in gleicher Weise folgt. Der schräg ansteigende
Sockel des Mittelbaues wird an seinen Ecken von silbernen Neptun-
gestalten auf Meerrossen reitend getragen (siehe Tafel). Auch diesen
Neptunen ist Leben eingehaucht, indem sie ihre Köpfe langsam in
rhythmischen Intervallen nach rechts und links drehen. Es drehen sich
immer nur zwei Köpfe der einen Längsseite. Nach Beendigung ihres
Spieles setzt das zweite Paar ein. Da das Spiel jedes Paares die
Zeit einer halben Minute beträgt eine Drehung jedes Kopfes
15 Sekunden ■—- ist es sehr wohl möglich, daß diese Einrichtung
bereits eine Unterteilung der Minute bezweckte.
Zur Betätigung der Uhr mit ihren Automaten brachte ihr Meister
drei getrennte, in sich selbständige Werke an, eines im Fuße unter-
halb des Mittelbaues für die Neptunautomaten, das Hauptwerk mit
Schlagwerken für die Zeit- und Kalenderangaben und als drittes und
kleinstes das Werk für die kleinen Automaten oberhalb der Schlag-
gruppe im Mittelteil des Galerieaufbaues. Die technische Ausführung
dieser Werke, teils in Eisen, teils in Messing, ist, wenn auch schmuck-
los, eine vorzügliche. Zu bewundern sind namentlich die zahlreichen
Betätigungen des auf sehr bescheidenem Raum zusammengedrängten
Hauptwerkes. Seine Hemmung ist die damals noch allein üblich ge-
 
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