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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1, Heft 7-12.1908

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Heft 7/8
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Steinmann, Ernst: Studien zur Renaissanceskulptur in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.70401#0057

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Steinmann. Studien zur Renaissanceskulptur in Rom. I.

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Von der Entstehungsgeschichte beider Büsten kann man jetzt unschwer eine
Vorstellung gewinnen, die sich auch mit Bodes Zeitbestimmungen vollständig deckt.
Giulio Mazzoni scheint den alten Francesco del Nero noch bei dessen Lebzeiten nach
eigenem Modell in Bronze gegossen zu haben. So erschien er naturgemäß dem Stifter
des Denkmals, Francescos überlebendem Bruder Agostino, als die geeignete Kraft da
es galt, auch das Andenken des Verstorbenen zu ehren. Mazzoni allein durfte auch
das Recht beanspruchen, sein eigenes Werk noch einmal für das Grabmonument zu
verwenden und seiner monumentalen Bestimmung entsprechend umzubilden.
Aus solchen Tatsachen heraus dürfte denn auch Vasaris Zeugnis die einfachste
Erklärung finden, der schwerlich die Marmorbüste seines Schülers so hoch gepriesen hätte,
wäre sie im letzten Grunde nur eine freie Kopie nach der Bronzebüste einer anderen
gewesen. Jene Angabe über die Büste del Neros, die er als Hauptwerk Mazzonis
preist, scheint eben nicht nur die Marmorbüste in Rom — „fatta di marmo" —
sondern auch die Berliner Bronze einzuschließen — „ritratta dal naturale". Beide
Büsten sind wohl zweifelsohne nacheinander in Rom entstanden, wo Vasari beide noch
gesehen haben kann.1) Haben sich die stolzen Hoffnungen erfüllt, für welche der
Aretiner in dieser Porträtbüste die sicherste Gewähr zu finden glaubte?
Giulio Mazzoni ist bis heute in der Kunstgeschichte eine ziemlich unbekannte Größe
geblieben und gewiß nicht der kleinste Teil seines Lebenswerkes muß noch gefunden und
bestimmt werden. Eine Kreuzigungsgruppe von seiner Hand in der Cappella Piccolomini
in Monte Oliveto erhielt im Cicerone die schlechte Note „von gewöhnlichster Kon-
zeption und auffallend ungeschlachten Formen.2) Eine mildere Beurteilung verdient
die anmutige Statue der h. Caterina in S. Maria del Popolo;3) aber auch dieses
nirgends erwähnte Werk vermochte nicht das Andenken seines Meisters vor Ver-
gessenheit zu bewahren, obwohl er es mit seinem vollen Namen bezeichnet hat:
Julius Mazzonus Placentinus pictor et scultor. Die Gemälde und Stuckarbeiten im
Palazzo Capodiferro - Spada in Rom endlich sind als das Hauptwerk Giulio
Mazzonis anzusehen. Er begegnet uns in dieser glänzenden Reihe heroischer Gestalten,
in dieser Freskenfülle, deren Kompositionen die Summe der mythologischen und alle-
gorischen Vorstellungen des späten Cinquecento zu umfassen scheinen, überall auf den
Spuren Michelangelos. Ja, er hat des großen Florentiners Zeichnungen zuweilen
ohne weiteres kopiert. Erst wenn einmal die unedierten Schätze gehoben sein werden,
welche der Palazzo Spada umschließt, wird es möglich sein, über die Kunst des
Meisters von Piacenza ein abschließendes Urteil zu fällen.

9 Die Bronzebüste Francescos gelangte dann später in den Familienpalast der del Nero
nach Florenz, wie Bode aus Bocchi, Bellezze della cittä di Firenze (p. 290) nadiweisen konnte.

2) Achte Auflage 1901. II, 2 p. 534.

") In der letzten Seitenkapelle des linken Querschiffes.
 
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