Studien und
ZUR IKONOGRAPHIE MICHEL-
ANGELOS
Nachtrag zu dem Titelbilde dieses Heftes
Nicht ohne Mühe ist es inzwischen gelungen
vom Porträt Michelangelos in S. Giovanni
Decollato eine Detail-Aufnahme herstellen zu
lassen. Ich glaube dieselbe hier den Lesern
der Monatshefte ohne weiteren Kommentar
bieten zu können. Gewiß ist die Malerei des
Jacopo del Conte als Kunstwerk betrachtet kein
Meisterstück, aber die Identität des Porträts
mit Michelangelo werden auch Skeptiker schwer-
lich anfechten wollen.
Die Ikonographie Michelangelos ist seitdem
durch Hans Mackowsky um ein äußerst feines
und wenig bekanntes Porträt bereichert worden.
Er hat in seiner jüngst erschienenen Michelangelo-
Biographie das wohlerhaltene Marmorrelief re-
produziert, welches Adolf von Beckerath unter
seinen Kunstschätzen in Berlin bewahrt. Die
Vermutung Mackowskys, daß Ammanati dies
Relief gearbeitet habe, glaube ich bestätigen zu
können. Völlig unbekannt dürfte selbst den
Michelangelo-Forschern ein Holzschnitt v. J. 1527
in Sigismondo Fanti's „Triompho di Fortuna" ge-
wesen sein, den Leo Baer vor kurzem im
Frankfurter Bücherfreund (Nr. 2, 1908, p. 27 ff)
publiziert hat. Wenn hier von einer wirklichen
Porträtdarstellung auch nicht die Rede sein kann,
so ist es doch äußerst fesselnd zu sehn, wie
sich die Zeitgenossen den „gran scultore" in
San Lorenzo bei der Arbeit vorstellten. Weitere
Beiträge zu dem fesselnden Problem stellt Baron
Joseph du Teil in den Publikationen der „Societe
des Antiquaires de France" in Aussicht. So
dürfte nun der Zeitpunkt nicht mehr allzu fern
sein, wo es mit Erfolg versucht werden kann,
sämtliche Porträtdarstellungen Michelangelos
Gemälde, Stiche, Zeichnungen, Marmorbüsten
und Bronzen zu sammeln und in kritischer
Studie die Spreu vom Weizen zu sichten.
Meine Vermutung, das vatikanische Relief
mit dem Profilbildnis Michelangelos sei von
Ammanati ausgeführt, fand ich inzwischen durch
einen Vergleich mit dem Denkmal des Benavides
in den Eremitani in Padua bestätigt. Vor allem
die Allegorien der Fama hier und der Stadt
Pisa dort verraten geradezu schlagende Ver-
wandtschaft in der Behandlung der Formen, in
der Faltengebung, der Haartracht usw. Auch
Forschungen
das Porträt Ammanatis auf dem vatikanischen
Relief scheint mir gesichert, seit ich es mit dem
beglaubigten Bildnis des Künstlers in S. Giovanni
degli Scolopi in Florenz vergleichen konnte, von
dem man in der Serie degli uomini i piu illustri
nella pittura, scultura e architettura (VI, 159)
eine Nachbildung finden kann.
Ernst Steinmann.
BEMERKUNGEN ZU EINIGEN VENE-
ZIANISCHEN BILDERN DER BRERA
Kürzlich ist ein vorzüglicher Katalog der
Breragalerie erschienen, der Malaguzzi Valeri
zum Verfasser hat.1) Die folgenden Notizen
wollen ein kleiner Beitrag zum weiteren Aus-
bau dieser Arbeit sein. —
Nr. 117 Tiziano Vecellio (Maniera). Abend-
mahl. Wenn das Bild auch kein eigenhändiges
Werk Tizians sein möchte, so besitzt es doch
als alte, vielleicht Werkstattswiederholung
des „Cenacolo" im Eskurial hohen Wert. Be-
kanntlich wurde dieses „Abendmahl" gleich nach
seiner Ankunft in Spanien, trotz Navaretes
Protest, barbarisch verstümmelt: Ein breiter
Streifen wurde oben abgeschnitten. Mit Hilfe
des Brerabildes läßt sich die „Cena" im Eskurial
ergänzen. Der Raum, in dem die heilige Feier
stattfindet, ist oben mit einer schattensammeln-
den, flachen Kassettendecke geschlossen. —
Nr. 123 Maniera di Bassano. Die Anbetung
der Hirten. Das Bildchen ist eine schlechte, der
Ausstellung in der Brera kaum würdige Kopie
Jacopos prachtvoller „Anbetung der Hirten" im
Museo Civico zu Bassano.
Nr. 137 Eredi di Bonifazio. Das Abend-
mahl. Das Bild kam, wie der Katalog angibt,
aus der Certosa di S. Andrea del Lido bei Vene-
dig in die Brera. — Durch G. Ludwig, Jahrbuch
der K. Preuß. Kunsts. XXII p. 70 wissen wir,
daß Bonifazio i. J. 1535 die beiden Heiligen-
paare Bruno und Katharina, Hieronymus und
Beatrix (Nr. 293 und 294 der Akademie zu Ve-
nedig) als Seitenstücke eines im Refektorium
der Certosa bereits existierenden Abendmahles
malte. Boschini, R. Min. Sest. Croce p. 48 und
, F. Malaguzzi Valeri, Catalogo della R. Pinacoteca
di Brera in Milano — Bergamo. Istituto italiano d'arti
grafiche. 1908. —
ZUR IKONOGRAPHIE MICHEL-
ANGELOS
Nachtrag zu dem Titelbilde dieses Heftes
Nicht ohne Mühe ist es inzwischen gelungen
vom Porträt Michelangelos in S. Giovanni
Decollato eine Detail-Aufnahme herstellen zu
lassen. Ich glaube dieselbe hier den Lesern
der Monatshefte ohne weiteren Kommentar
bieten zu können. Gewiß ist die Malerei des
Jacopo del Conte als Kunstwerk betrachtet kein
Meisterstück, aber die Identität des Porträts
mit Michelangelo werden auch Skeptiker schwer-
lich anfechten wollen.
Die Ikonographie Michelangelos ist seitdem
durch Hans Mackowsky um ein äußerst feines
und wenig bekanntes Porträt bereichert worden.
Er hat in seiner jüngst erschienenen Michelangelo-
Biographie das wohlerhaltene Marmorrelief re-
produziert, welches Adolf von Beckerath unter
seinen Kunstschätzen in Berlin bewahrt. Die
Vermutung Mackowskys, daß Ammanati dies
Relief gearbeitet habe, glaube ich bestätigen zu
können. Völlig unbekannt dürfte selbst den
Michelangelo-Forschern ein Holzschnitt v. J. 1527
in Sigismondo Fanti's „Triompho di Fortuna" ge-
wesen sein, den Leo Baer vor kurzem im
Frankfurter Bücherfreund (Nr. 2, 1908, p. 27 ff)
publiziert hat. Wenn hier von einer wirklichen
Porträtdarstellung auch nicht die Rede sein kann,
so ist es doch äußerst fesselnd zu sehn, wie
sich die Zeitgenossen den „gran scultore" in
San Lorenzo bei der Arbeit vorstellten. Weitere
Beiträge zu dem fesselnden Problem stellt Baron
Joseph du Teil in den Publikationen der „Societe
des Antiquaires de France" in Aussicht. So
dürfte nun der Zeitpunkt nicht mehr allzu fern
sein, wo es mit Erfolg versucht werden kann,
sämtliche Porträtdarstellungen Michelangelos
Gemälde, Stiche, Zeichnungen, Marmorbüsten
und Bronzen zu sammeln und in kritischer
Studie die Spreu vom Weizen zu sichten.
Meine Vermutung, das vatikanische Relief
mit dem Profilbildnis Michelangelos sei von
Ammanati ausgeführt, fand ich inzwischen durch
einen Vergleich mit dem Denkmal des Benavides
in den Eremitani in Padua bestätigt. Vor allem
die Allegorien der Fama hier und der Stadt
Pisa dort verraten geradezu schlagende Ver-
wandtschaft in der Behandlung der Formen, in
der Faltengebung, der Haartracht usw. Auch
Forschungen
das Porträt Ammanatis auf dem vatikanischen
Relief scheint mir gesichert, seit ich es mit dem
beglaubigten Bildnis des Künstlers in S. Giovanni
degli Scolopi in Florenz vergleichen konnte, von
dem man in der Serie degli uomini i piu illustri
nella pittura, scultura e architettura (VI, 159)
eine Nachbildung finden kann.
Ernst Steinmann.
BEMERKUNGEN ZU EINIGEN VENE-
ZIANISCHEN BILDERN DER BRERA
Kürzlich ist ein vorzüglicher Katalog der
Breragalerie erschienen, der Malaguzzi Valeri
zum Verfasser hat.1) Die folgenden Notizen
wollen ein kleiner Beitrag zum weiteren Aus-
bau dieser Arbeit sein. —
Nr. 117 Tiziano Vecellio (Maniera). Abend-
mahl. Wenn das Bild auch kein eigenhändiges
Werk Tizians sein möchte, so besitzt es doch
als alte, vielleicht Werkstattswiederholung
des „Cenacolo" im Eskurial hohen Wert. Be-
kanntlich wurde dieses „Abendmahl" gleich nach
seiner Ankunft in Spanien, trotz Navaretes
Protest, barbarisch verstümmelt: Ein breiter
Streifen wurde oben abgeschnitten. Mit Hilfe
des Brerabildes läßt sich die „Cena" im Eskurial
ergänzen. Der Raum, in dem die heilige Feier
stattfindet, ist oben mit einer schattensammeln-
den, flachen Kassettendecke geschlossen. —
Nr. 123 Maniera di Bassano. Die Anbetung
der Hirten. Das Bildchen ist eine schlechte, der
Ausstellung in der Brera kaum würdige Kopie
Jacopos prachtvoller „Anbetung der Hirten" im
Museo Civico zu Bassano.
Nr. 137 Eredi di Bonifazio. Das Abend-
mahl. Das Bild kam, wie der Katalog angibt,
aus der Certosa di S. Andrea del Lido bei Vene-
dig in die Brera. — Durch G. Ludwig, Jahrbuch
der K. Preuß. Kunsts. XXII p. 70 wissen wir,
daß Bonifazio i. J. 1535 die beiden Heiligen-
paare Bruno und Katharina, Hieronymus und
Beatrix (Nr. 293 und 294 der Akademie zu Ve-
nedig) als Seitenstücke eines im Refektorium
der Certosa bereits existierenden Abendmahles
malte. Boschini, R. Min. Sest. Croce p. 48 und
, F. Malaguzzi Valeri, Catalogo della R. Pinacoteca
di Brera in Milano — Bergamo. Istituto italiano d'arti
grafiche. 1908. —