Wolgemuts Gehilfen in Feuchtwangen und Hersbruck
Ein Beitrag zur Wolgemutforschung
Vön Ignaz Beth
Dem Problem „Wolgemut" weichen nicht selten auch jene Forscher in weitem
Bogen aus, die gerade verpflichtet wären, in den sauren Apfel zu beißen. Doch wenn
sie sich um die Stellungnahme zu einem der Hauptprobleme der deutschen Kunst des
XV. Jahrhunderts drücken, so werden sie wohl ihre guten Gründe dafür haben: es ist
ein allzu schwanker Boden, den man bei der Nennung dieses Namens betritt. Weiß
man doch mit dem überreichen Material nichts Rechtes anzufangen, wenn man sicher
gehen will. Denn wenn auch Thodes Vorgang: aus dem beglaubigt Wolgemutschen
Zwickauer Altar und der Predella des Schwabacher Altars seine authentischen Kenn-
zeichen abzuleiten und nach diesen sämtliche Zuschreibungen vorzunehmen als richtig
im Prinzip anerkannt werden könnte, so muß man doch nach der ablehnenden Auf-
nahme seiner Resultate, und vor allem des Endresultates recht skeptisch werden. —
Ist es aber auch so verwunderlich, wenn es vielen widerstrebt, im Lehrer Dürers eine
unheilbare Philisterseele zu sehen, aus seinem Geschäftssinn — eine Nüchternheit
seiner Gestaltung abzuleiten?
Da nun einmal Urkunden im Stich lassen (beispielsweise bei dem Hallerschen
Heiligenkreuz Kapelle- Altar) — oder gar verwirren (beim Peringsdörffer- oder
Schwabacher Hauptaltar) bleibt kaum etwas anderes übrig, als dem Wesen Wolgemutscher
Kunst negativ, durch Ausscheidung von Gehilfenhänden, beizukommen. Dieser
Weg wurde ja teilweise schon von früheren Forschern betreten, nur dachte man
auf das Wesen dieser mythischen Gehilfen nicht näher eingehen zu müssen; erst
Dörnhöffer hat neuerdings mit besonderem Geschick das Ausscheiden der fremden
Hände versucht.1) Mein Beitrag bezweckt in erster Linie das Sondern zweier aus-
gesprochener Individualitäten; wer darin nur ein Herausstreichen Namenloser sehen
sollte, den möchte der Verfasser nicht im Zweifel darüber lassen, daß es sich hier
nicht zuletzt um das oben erwähnte Ziel handelt. —
Nun aber könnte man gegen diesen Vorgang eine petitio principii einwenden,
da ja vorerst feststehen müßte, woraus man auszuscheiden habe. Allein es bedarf
nur einer eingehenden Vertiefung in die Nürnberger Kunst des ausgehenden XV. Jahr-
hunderts, um auf das stark ausgeprägte Wesen dieses produktiven Künstlers zu stoßen,
der nichts weniger als ein Proteus war. Denn nicht in der unklaren Vorstellung über
Wolgemut lag der Fehler der Forscher, auch der älteren und der ältesten, sondern
in der übereilten Synthese, die sie zu zeichnen sich für berechtigt oder gar verpflichtet
hielten. Wenn ein Hotho 1843 sagt „Scharf zu individualisieren, ist Wolgemuts
Hauptproblem", so wird er sich wohl das Richtige dabei gedacht haben, doch blieb
ß Fr. Dörnhöffer, Beiträge zur Geschichte der älteren Nürnberger Malerei im Rep.
f. Kw. XXIX, 421 ff.
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Ein Beitrag zur Wolgemutforschung
Vön Ignaz Beth
Dem Problem „Wolgemut" weichen nicht selten auch jene Forscher in weitem
Bogen aus, die gerade verpflichtet wären, in den sauren Apfel zu beißen. Doch wenn
sie sich um die Stellungnahme zu einem der Hauptprobleme der deutschen Kunst des
XV. Jahrhunderts drücken, so werden sie wohl ihre guten Gründe dafür haben: es ist
ein allzu schwanker Boden, den man bei der Nennung dieses Namens betritt. Weiß
man doch mit dem überreichen Material nichts Rechtes anzufangen, wenn man sicher
gehen will. Denn wenn auch Thodes Vorgang: aus dem beglaubigt Wolgemutschen
Zwickauer Altar und der Predella des Schwabacher Altars seine authentischen Kenn-
zeichen abzuleiten und nach diesen sämtliche Zuschreibungen vorzunehmen als richtig
im Prinzip anerkannt werden könnte, so muß man doch nach der ablehnenden Auf-
nahme seiner Resultate, und vor allem des Endresultates recht skeptisch werden. —
Ist es aber auch so verwunderlich, wenn es vielen widerstrebt, im Lehrer Dürers eine
unheilbare Philisterseele zu sehen, aus seinem Geschäftssinn — eine Nüchternheit
seiner Gestaltung abzuleiten?
Da nun einmal Urkunden im Stich lassen (beispielsweise bei dem Hallerschen
Heiligenkreuz Kapelle- Altar) — oder gar verwirren (beim Peringsdörffer- oder
Schwabacher Hauptaltar) bleibt kaum etwas anderes übrig, als dem Wesen Wolgemutscher
Kunst negativ, durch Ausscheidung von Gehilfenhänden, beizukommen. Dieser
Weg wurde ja teilweise schon von früheren Forschern betreten, nur dachte man
auf das Wesen dieser mythischen Gehilfen nicht näher eingehen zu müssen; erst
Dörnhöffer hat neuerdings mit besonderem Geschick das Ausscheiden der fremden
Hände versucht.1) Mein Beitrag bezweckt in erster Linie das Sondern zweier aus-
gesprochener Individualitäten; wer darin nur ein Herausstreichen Namenloser sehen
sollte, den möchte der Verfasser nicht im Zweifel darüber lassen, daß es sich hier
nicht zuletzt um das oben erwähnte Ziel handelt. —
Nun aber könnte man gegen diesen Vorgang eine petitio principii einwenden,
da ja vorerst feststehen müßte, woraus man auszuscheiden habe. Allein es bedarf
nur einer eingehenden Vertiefung in die Nürnberger Kunst des ausgehenden XV. Jahr-
hunderts, um auf das stark ausgeprägte Wesen dieses produktiven Künstlers zu stoßen,
der nichts weniger als ein Proteus war. Denn nicht in der unklaren Vorstellung über
Wolgemut lag der Fehler der Forscher, auch der älteren und der ältesten, sondern
in der übereilten Synthese, die sie zu zeichnen sich für berechtigt oder gar verpflichtet
hielten. Wenn ein Hotho 1843 sagt „Scharf zu individualisieren, ist Wolgemuts
Hauptproblem", so wird er sich wohl das Richtige dabei gedacht haben, doch blieb
ß Fr. Dörnhöffer, Beiträge zur Geschichte der älteren Nürnberger Malerei im Rep.
f. Kw. XXIX, 421 ff.
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