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Manchen, 15.Okt.1917.
Beiiage zar „Werkstatt der Haast" (E. A. Seemana, Leipzig).
Erscheint 14tägig aater Leitung voa Maler Prof.Erast Berger.
HY. Jahrg. Nr. 2.

Inhalt: Vom künstlerischen Können in der Maierei früher und jetzt. — Goethes Vorarbeiten zur Farben-
iehre. Von E. B. (i. Fortsetzung.) — Der Stahistich und die Stahiätzung. Von J. Mai. — Der Teer
und seine Abkömmiinge. — Literatur.

Vom künstlerischen Können in der Malerei irüher und jetzt.*)

In der ietzten Zeit ist von der Erziehung un-
serer Kunstjugend in öffentiichen Biättern und
besonderen Broschüren geschrieben worden; es
wurden Gutachten von einer Anzahl von Künstlern
und Direktoren unserer Kunstunterrichtsanstalten
beigebracht, um zu beweisen, dass wir uns auf
dem Gebiete der Kunsterziehung in einem falschen
Kreise bewegen und dringend Reformen nötig
hätten. Es wird wieder einmal gegen den soge-
nannten „Akademismus" oder vielmehr die bis-
herige Form, wie junge Leute zur „hohen Kunst"
erzogen werden sollen, zu Feld gezogen. Dabei
werden Vorschläge um das neue Schülermate-
rial, das unsere Akademien und Kunstgewerbe-
schulen nach dem Kriege zu erwarten haben wür-
den, gleich in rationellere Bahnen zu führen und
ihnen ein erspriesslicheres Fortkommen zu sichern.
So wertvoll derlei Vorschläge auch sein mögen
und die weitere Entwicklung unseres Unterrichts-
wesens zu beeinflussen imstande sind, so muss doch
vor allzu grossen umstürzlerischen Reformen halt
gemacht werden, und zwar gerade deshalb, weil
eine Verminderung des künstlerischen
Könnens in der Malerei dabei in Frage käme.
Nichts wäre gefährlicher als eine in Aussicht ge-
nommene „freiere" Richtung im Zeichenunterricht,
die nur „Verständnis für das künstlerisch Wesent-
liche wecken, den Instinkt für Raumfüllung, Ver-
teilung und Proportion schärfen" sollte und bei der

*) Die hier folgenden zeitgemässen Bemerkungen
werden uns von einem älteren Wiener Kollegen zur
Verfügung gestellt; wir drucken dieselben umso lieber
ab, weil die darin ausgesprochenen Ansichten mit den
von uns wiederholt vertretenen in vielfacher Hinsicht
übereinstimmen. Dem Wunsch des Einsenders ge-
mäss erscheint der Artikel ohne Namensnennung.
E. B.

der Hauptwert auf die „subjektive" Begabung des
Kunstjüngers gelegt würde.
Die Frage, um die es sich bei allen diesen
Erziehungsproblemen handelt, ist: Was kann hier
eigentlich grundlegend gelehrt und ge-
lernt werden? Die wirkliche künstlerische Be-
gabung ist ein Geschenk der Natur, der „Künstler",
d. h. der auf seine Zeit Einfluss nehmende schöp-
ferische Geist kann nicht aufgezogen werden, wie
eine seltene Pflanze, der „göttliche Funke" ist da
oder er ist nicht da! Es bleibt nur das erlernbar,
was man durch Uebung und Unterricht, durch gute
Vorbilder erlernen kann, und was man an konkreter
Erfahrungswissenschaft von jeher in sich aufnehmen
konnte. Zu den allerersten und wichtigsten Dingen
gehört das Ze ichnen, d. h. die manuelle Uebung
der Hand imNachbilden geschauter Natureindrücke,
sowohl in Helldunkel (also mit Licht und Schatten)
als auch mit Farben. Wichtige Hilfsmittel bieten
die Lehre von der Perspektive, die Kenntnis
der Anatomie bei Nachbildung menschlicher
Formen, dann die Kenntnis des technischen
Materials an Farben und ihrer Verwendungs-
weisen.
Uns älteren Malern sind diese Dinge von Jugend
auf vertraut; wir wissen es nicht anders, als dass
wir unser Können durch fortgesetztes Studium
und Zeichnen nach der Natur erworben haben
und nur so erwerben könnten; aber wenn wir
die Arbeiten unserer jüngeren Kollegen, der sog.
„Modernen" sehen, dann wird es uns angst und
bange und wir fragen unwillkürlich, wohin diese
Nichtskönner eigentlich hinauswollen. Es macht
sich ein absichtliches Zurschautragen des Unver-
mögens, eine vorsätzliche Missachtung aller bis-
her als künstlerisch erkannten Ausdrucksmöglich-
keiten in einer Weise breit, die geradezu abstos-
 
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