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Mönchen, 26 Nov. 1917,
Beiiage zar „Werkstatt der Knast" (E A. Seeetaaa, Leipzig.
Erscheint U tägig unter Leitang von Mater Prof. Ernst Berger.
XIV jährg, Nr. $
Inhalt: Vom künstlerischen Können in der Malerei früher und jetzt. (3. Fortsetzung.) —
zur Farbenlehre. Von E. B. (4. Fortsetzung.) — Wie sehen die Tiere? Von A.
als Klebemittel.
Goethes Vorarbeiten
Abels. — Wasserglas

Vom künstlerischen Können in der Malerei irüher und jetzt.
(3. Fortsetzung.)

Darin bestand seine Meisterschaft, die
vorher angelegten transparenten, goldig-tiefen und
satten Farben so zu benützen, dass eine völlig
naturwahre Wirkung eintrat; es bildeten sich,
durch ganz leichtes Uebergehen graue Zwischen-
töne von oft zauberhafter Wirkung und grösster
Naturwahrheit. Dabei benutzte er denselben
Pinsel, mit dem die Gesamtanlage gemacht war,
zum Aufsetzen der Deckfarbe, er ,,schaufelte" mit
der Breitseite des fast drei Finger breiten Pinsels
die mit viel Weiss gemischte Farbe, impastirte
wo er es nötig fand, d. h. er häufte viel Farbe
auf die gleiche Stelle, und mit dem gleichen
Pinsel, ohne wieder Farbe aufzunehmen,
nur durch Drehung erzielte er die weichsten
Uebergänge, oder er nahm die Schmalseite,
um eine schärfere Linie, im Faltenwurf, bei Blu-
menblättern und dergl. zu markieren. Das machte
er wahrlich unnachahmlich! Den windschiefen
„Dreh", der dadurch entstand, hatten aber alle
seine Pinsel mit der Zeit angenommen! Um schär-
fere Konturen (Augensterne, Augenbrauen u. dgl.)
zu machen, hatte er noch einen zweiten Pinsel
bereit. Mit diesen beiden kam er für ein Stück
Malerei aus; dagegen wechselte er oft die Palette.
Neben dieser ersten Manier hatte er eine zweite
(oft im Gefolge der ersten!) und zwar: pastose
Untermalung mit hellsten Deckfarben, bei Stof-
fen z. B., die hernach lasiert werden sollten, oder
bei Karnation, die nicht gut alle prima fertig wer-
den könnte. Nach dem völligen Trocknen kam
er mit Lasuren in der geeigneten transparenten
Farbe, diese Lasuren wurden sehr dünn gegeben
und es folgte die deckfarbige Abstimmung ge-
nau dem ersten Verfahren gemäss, nur viel deli-
kater; die Deckfarbe wurde oft ganz trocken (bei

Brokat z. B., um die höchsten Glanzlichter zu ma-
chen) durch leichtes „Ueberreissen", oder „Ueber-
schummern" aufgetragen.
Welche Naturwahrheit Makart auf diese Weise
zu erreichen wusste, sehen wir an seinen meister-
haften Stilleben auf den „Abundantia-Bildern" der
Pinakothek. Wie hier die „Gaben des Meeres",
die Fische, Krebse etc., oder die Früchte „ge-
zeichnet" sind, ist technisch meisterhaft, und kaum
zu übertreffen. Und seine Blumen! Ich sah ein-
mal, wie er einen Strauss von Marechal-Neal-Rosen
malte; wie er da erst die Gesamtanlage, die Blät-
ter mit den Stengeln, die Gruppierung der Knos-
pen und Blüten mit einer dunkeltransparenten Mi-
schung von Asphalt, dunkelbraunem Lack und
Krapplack, mit grösstem Geschmack und guter Na-
turbeobachtung (aus dem Kopf!) anbrachte, wobei
der dunkle Ton als tiefster Schatten stehen blieb,
und dann ganz leicht die rosa angehauchten Blüten-
blätter „einsetzte", immer mit dem gewissen „Dreh"
des Pinsels die dicke Farbe in dünnere Ueber-
gänge verlaufen liess (ich glaube, er nahm nur
etwas Neapelgelb dazu), wie er dann mit wenig
Blauschwarz und Weiss die Luftlichter aufsetzte,
war prächtig anzusehen. Aber alles ging sehr
bedächtig vor sich, keine Hetze, sondern jeder
Pinselstrich war überlegt; eines ergab sich
aus dem andern: aus dem Buschwerk kamen erst
die Hauptzweige, dann wurde jeder einzelne ge-
gliedert, die Stengel, die Dornen daran scharf
markiert, die Knospen gruppiert und als letztes
die halb und ganz erblühten Rosen angefügt. Das
war alles so leicht anzusehen, aber als ich es ver-
suchte, ihm diese Weise nachzuahmen, da merkte
ich erst, was für Können in dieser „Leichtigkeit"
steckte! Seine eminente Beobachtungsgabe kam
 
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