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Manchen, 19, August 1918.

Be!t*g§ zar „Werkatatt der Kaaet" (E. A. Seexaaa, Leipzig).
Ereohe!at)4tägig aater Leitaag voa Maier Prof.Eraet Berger.

IIY. Jahrg.Nr. 23

Inhalt: Irrungen und Wirrungen in der „neuesten Kunst". Von M. St. (2. Fortsetzung.) — Das Strassburger
Manuskript, die ätteste deutsche Quette für Mattechnik. — Ueber waschechte Stoffmatereien auf Lein-
wand, Seide, Leder usw. — Anfragen und Beantwortungen.

Irrungen und Wirrungen in der „neuesten Kunst"
Von M.St.
(2. Fortsetzung.)

Man muss sich bei dieser so anahsierten „rus-
sischen Seele" an Burgers Behauptung einer „rein
germanischen" Angelegenheit in Hinsicht auf die
neueKunstentwick!ungerinnern,die über die französi-
schen Impressionisten zu Kandinsky und Marc führt!
Franz Marc ist ein merkwürdiges Glied der
„neuesten" Kunst; anfänglich trieb er im Fahr-
wasser des gemässigten Impressionisten, und seine
Tierbilder waren immerhin realistisch gesehen, wenn
auch nicht so gemalt. Mit seinen blauen Pferden
und rosaroten Kühen hat er seinen koloristischen
Umschwung begonnen, dann kam der kubistische
Einschlag, indem er die Formen zerstückelte, oder
einfach mitten durchschnitt, die Formen umlegte,
z. B. den Tigerkopf nach vorne, den Tigerkörper
von rückwärts und dergl. Endlich kam er auf die
Idee, auch das Licht zu zerstückeln. Und da dies
am leichtesten geschieht, wenn man das Licht in
seine prismatischen Farben zerlegt, fand Marc die
letzte von ihm (vor seinem Tode) erreichte Phase:
Die Bilder sehen so aus, als ob man die Formen
durch ein Glasprisma betrachtet, sie sind gelbrot
bis grün, blau, tiefviolett umrandet und umstrahlt.
So zeigte sich seine Kunst in der Nachlassaus-
stellung als eine Mischung von Natur und Unnatur,
wobei die letztere den Vorrang behauptete. Es
ist zu bedauern, dass Hausenstein uns von Marc's
letzten Werken keine Analyse gegeben hat, aber
er weiss vom Wesen des Kubismus so viel
und eingehend zu berichten, dass wir übrigen, die
in dessen „tieferen Sinn" nicht einzudringen ver-
mögen, ihm dafür dankbar sind. Er spricht dar-
über auf S. 314 seines Buches:
„Das allgemeine Gesetz des Kubismus ist
die Vernichtung des Gegenstandes insofern,
als er eine visuelle Einheit, eine optisch-natürliche

Impression ist. Der Kubismus will die gesamte
Wesenheit des Objekts."
„Die Kubistierung (ein neues Wort!) eines
gegebenen natürlichen Farbenkomplexes . . . be-
wirkt, dass das Bild des Kubisten die Gleichungs-
verhältnisse stärker betont; es handelt sich beim
Kubisten vielleicht mehr als irgendwo um die bild-
nerische Herstellung eines ganz formal-abstrakten
Gleichungsverhältnisses zwischen den Bildelemen-
ten. . . . Das kubistische Mittel hat in ganz un-
gemeinem, in unvergleichlichem Mass die Wirkung,
dass es zwischen das natürliche Erlebnis und die
künstlerische Formulierung zunächst die notwen-
digen Hemmungen (sind diese wirklich so not-
wendig?) vorschiebt, dass es den Abbau der Wirk-
lichkeit vollzieht. Das kubistische Mittel be-
wirkt die Vernichtung des Natürlichen
radikal. Und das ist gut(!?). Denn das Na-
türliche ist der Feind des Künstlerischen(!!).
Das kubistische Netz bewirkt dasselbe wie die
Grenzen der musivischen Steine oder die Bleilinien
der Glasfenster (!) . . . Das Bild wird eine un-
endliche Gleichung."
„Aber weshalb gerade der Kubus? Die Logik
ist klar. Der Kubismus ist der Feind der kunst-
gewerblichen Flächenarabeske; er will den Raum
nicht verlieren. Ebensowenig will er den natura-
listischen Raum, die Raumillusion, ,les bassesse
de la perspective'. Er will die einfachsten bild-
nerischen Symbole des Raumes: Den Würfel, das
Parallelepipedon, die pyramidalen Formen, auch
die Kugel. Kubus ist hier einfach der abstrakte
bildnerische Ausdruck der dritten Potenz." —
Der Gedanke lässt Hausenstein offenbar nicht
zur Ruhe kommen; wir Anden S. 319 noch eine
Zusammenfassung der Methode des Kubismus:
 
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