Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
**


KOMSTTECRHiSOX

HBnchen, 12. Nov. 1917.

Beilage zar „Werkstatt der Knast" (E. A. Seemaaa, Leipzig).
Ereohelnt 14 tägig anter Leltnng von Mater Prof. Ernst Berger.

HY.jahrg. Nr. 4.

Inhalt: Vom künstlerischen Können in der Maierei früher und jetzt. (2. Fortsetzung.) — Goethes Vorarbeiten
zur Farbenlehre. Von E. B. (3. Fortsetzung.) — Der Stahistich und die Stahlätzung. Von J. Mai.
(Schluss.) — Franz Schmid-Breitenbachs Neubearbeitung von Jaennickes Handbuch der Oelmalerei. —
Verteilung von Terpentinöl.

Vom künstlerischen Können in der Malerei früher und jetzt.
(2. Fortsetzung.)

Aus den oben zitierten Sätzen des gelehrten
Kunstkritikers wird man ersehen, wie die Wert-
urteile sich ändern können; ich möchte hier gleich
ein weiteres Urteil eines Malers anlügen, der als
Kunstreferent der Wiener „Neuen freien Presse"
anlässlich seiner Besprechung der Neuordnung der
k. k. Staatsgalerie in Wien sich über Makart äussert.
Dabei fallen scharfe Worte gegen das um eine
grosse Summe Geldes erworbene Bild die „Strassen-
musikanten" von Manet und das Klingersche
Werk „Christus im Olymp". Manets Bild findet
er „ein mittelmässiges Werk, das einmal, wenn
der zum Teil künstliche Impressionisten-Rummel
vorüber sein wird, niemandem mehr besonderes
Interesse abnötigen dürfte". Der A. F. S.-Bericht-
erstatter (Maler Seligmann) fahrt also fort:
„Das Bild, das unter dem früheren Direktor
der Galerie erworben wurde, hat ungefähr das
Zwanzigfache von der Summe gekostet, die vor
etwa fünfzehn Jahren (als Makart sehr über die
Achsel angesehen wurde) für die grosse ,Ariadne'
dieses Künstlers vom Hofmuseum bezahlt wurde.
Das Bild ist jetzt gleichfalls im unteren Belvedere
zu sehen. Mag man sich zu Makart stellen, wie
man will; mag das Theatralische und Oberfläch-
liche seiner Kunst, die ungenügende geistige Durch-
dringung des Stoffes, die Nachlässigkeiten der
Zeichnung als noch so wesentliche Mängel emp-
finden: immerhin wird man zugestehen müssen,
dass sich hier ein geniales und echtes Maler-
temperament so austobt, wie nur wenig Aehn-
liches in der zeitgenössischen Kunst zu finden ist.
Der fabelhafte Schwung der Komposition
— bei solch riesenhaften Dimensionen! —, die
Freiheit und Kühnheit der Pinselführung,

die blendende Farbenglut — alles das sind
Qualitäten, wodurch sich das Makartsche Werk
zum allermindesten auf das gleiche Niveau erhebt,
wie das früher erwähnte von Manet. Wie küm-
merlich, wie gequält nimmt sich gegenüber der
,Ariadne' die armselige, trockene Malerei des
Klingerschen .Christus im Olymp' aus, ein Werk,
dessen Gedankentiefe und Reichtum an geistigen
Beziehungen fast so unergründlich ist, wie seine
malerische Dürre und Geschmacklosigkeit. Auch
dieses Gemälde ist seinerzeit zu einem sagenhaft
hohen Preis erworben worden, allerdings von einem
Privatmann, der es später — oh, wie begreiflich!
— der Galerie geschenkt hat; einem geschenkten
Klinger sieht man nicht auf die Finger — würde
der alte Hellmesberger (ein bekannter Witzbold)
gesagt haben."
Was hier so in die Augen fällt, ist der Gegen-
satz der Makartschen Kunstweise gegenüber der
Klingerschen; hier das Herauskehren des Geisti-
gen, des Gedankens, dort die reine Sinnenlust des
für das Auge bestimmten Vorwurfes. Wer diese
beiden Dinge vereinen könnte, wäre freilich ein
Genie!
Aber ich will nur vom künstlerischen Können
sprechen und nicht von der „Philosophie" oder
der „Metaphysik" der neueren Malerei. WerMarkarts
Maltechnik genauer kennt und weiss, wie sie sich
aus dem von ihm gebrauchten Farbenmaterial auf-
gebaut hat, muss sich auch vor Augen halten,
dass die meisten Makartschen Schöpfungen ent-
standen sind, wie aus einem inneren Trieb, der
durch nichts zu dämmen war! Solange es mir
gegönnt war, in des Meisters Werkstatt ein- und
auszugehen (etwa von 18/7—1882) habe ich sei-
 
Annotationen