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Manchen, 22. Juli 1918.
Beiiage zar „Werketatt der Kaaet" (E. A. Seeaaaa, Leipzig).
Erecheiat!4tägig aater Leitung voa Maier Prof.Eraat Berger.
XIY. jahrg. Nr. 22.
Inhaft: Irrungen und Wirrungen in der „neuesten Kunst". Von M. St. (i. Fortsetzung.)
Manuskript, die älteste deutsche Quelle für Maltechnik. — Das Malergewerbe im
— Das Strassburger
4. Kriegsjahr.

Irrungen und Wirrungen in der „neuesten Kunst".
Von M. St.
(i. Fortsetzung.)

„Man berauscht sich nicht mehr so sehr an
einem schönen ,Stück Malerei', d. h. an einer male-
risch besonders vollkommenen Einzelstelle in einem
ohnehin schon wahllos aufgestellten Bildausschnitt,
sondern man fordert geistige Vertiefung und
bildhafte Abrundung des Stoffes."
Man könnte daraus schliessen, dass die „Neuen"
zu den Prinzipien der früheren Meister zurück-
gekehrt sind und dass sie zur Erkenntnis gelangt
seien, die Methoden des Impressionismus oder
des L'art-pour-l'art könnten ihren neuen Zielen
nicht genügen. Aber dies scheint nicht der Fall
zu sein; wenn man ihre Werke damit vergleicht,
könnte man eher meinen, dass die Expressionisten
mit den gleichen Mitteln arbeiten, nämlich mit
dem Begnügen im Flüchtigen, Skizzenhaften, mit dem
Mangel der Durchführung und Zeichnung aller Ein-
zelheiten, also in dem blossen Andeuten, während
sie andererseits im Uebertreiben oder Karikieren
aller Formen und Farben oder im Hervorkehren
des Primitiven einen neuen Stil gefunden zu haben
glauben.
Der Hauptunterschied zwischen dem Impres-
sionisten und dem Expressionisten besteht in ihrem
Verhältnis zur Natur. Der erstere malt nur nach
der Natur, und wie sie sich ihm bietet. „Die
Impressionisten sind aber keineswegs nur genaue
wissenschaftliche Farbenbeschauer, ihr Verdienst
ist vielmehr, dass sie die Schönheit und Poesie
unseres wirklichen Lebens, des flutenden Lichts
und der feinen schleierigen Stimmut gen neu ent-
deckt haben." „Richtig sehen und dabei seelich
ergriffen sein (was nicht .sentimental sein' bedeutet),
das führte zum guten Malen."
„Der Impressionist kann nicht malen, wenn man
ihn in einem Atelier ohne Modell einschliesst. Der

expressionistische Porträtmaler malt nicht sein Mo"
dell, er schafft eine malerisch-monumentale Form
eines Menschen. Der Expressionist von reinem
Wasser aber ist geradezu froh, wenn man ihn im
Atelier einsam, ohne Modell, einschliesst, denn dann
kann er sich sammeln, seinen inneren Gesichten
zur Darstellung verhelfen." „Da ist ein Mensch
nicht mehr mit photographischer Treue der Einzel-
heiten abgebildet, sondern es entsteht unter den
Händen des Künstlers im Zusammenziehen der
Eindrücke mit grossartiger, denkmalhafter Einfach-
heit die gleichwohl überaus ähnliche Formel für ein
Individuum auf der Leinwand", wie Carl Schnebe!
in einem Artikel „Der Umschwung in der neueren
Malerei" sich ausdrückt. Daraus sind auch noch
folgende Sätze entnommen, die sehr treffend den
Unterschied zwischen Im- und Expressionisten
zeichnen:
„Da cs dem Impressionisten nicht auf Vortäu-
schung des plastischen Apfels ankommt, sondern
darauf, das Entzücken an dem herrlichen Spiel des
Lichts malerisch auszuleben (!), das über die far-
bige Apfelhaut hinspielt, so stellt der impressio-
nistische Stillebenmaler die Dinge auch im Zimmer
gern so hin, dass sie möglichst wenig Schatten,
möglichst wenig Plastik gewinnen, ihre Farben-
flächen dagegen sich in Licht und Luft beleben."
„Dabei werden alle Wunder der feinsten Farben-
tönungen neu. Und weil der Impressionist das
Ideal eines Abmalers ist, gibt es für ihn keinen
Umriss, er sieht alles verschmolzen, es gibt für
ihn nur gegeneinander grenzende, mehr oder weniger
weich und flockig sich von einander lösende Farben-
partien."
„Hier setzt nun der erste zunächst noch schüch-
terne Stilwandel ein. Wenn Cezanne oder Van
 
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