Nr 5-
Münchner kunsttechnische Blätter.
29
ten Jahren ist es gelungen, sie mit streng wissenschaft-
lichen Methoden in Angriff zu nehmen.
Der erste, der einen ernsthaften Versuch zur Klä-
rung der bunten Blütenfarben machte, war der geist-
volle Botaniker Christian K. Sprenge! (1793), dem die
Wissenschaft auch den ersten Nachweis der wunder-
voHen Anpassung des Baues vieler Blüten an den In-
sektenbesuch verdankt. Er war der Meinung, auch die
Farben der Blüten dienten dazu, die Insekten zum Be-
such anzulocken. Als Darwin seine berühmte Lehre
von der geschlechtlichen Zuchtwahl entwickelte, nahm
er die Sprengelschen Ansichten an und vertrat auch für
die Färbungen der Tiere die Meinung, diese seien zur
Entwicklung gekommen, damit die schöner gefärbten
Tiere ihren Artgenossen besser gefallen und sie an-
locken sollten (Hochzeitskleider). Freilich sollte dieses
erst von den Krebsen aufwärts gelten, während für die
bunten Farben der niederen Tiere eine solche Erklä-
rung nicht in Betracht kommt.
Diese Anschauungen Darwins über die bunten Tier-
färbungen sind bis heute in der Zoologie herrschend.
C. v. Hess unterwarf zum ersten Male die Grund-
lagen dieser Lehre einer eingehenden wissenschaftlichen
Prüfung und zeigte, dass sie sich auf drei Voraussetzun-
gen aufbaut. Er unterscheidet diese als die physika-
lische, die physiologische und psychologische.'Die letzte
nimmt an, dass den in Betracht kommenden Tieren ein
gewisser ästhetischer Sinn innewohne, vermöge dessen
die bunten Farben und Farbenzusammenstellungen, die
unserm Menschenauge schön und wohltuend erscheinen,
auch auf die Vögel und Fische, Krebse und Käfer
ebenso wirken müssten. Hess entwickelte neue Metho-
den, mit denen in einer Reihe von Fällen diese Vor-
aussetzung einer wissenschaftlichen Prüfung zugänglich
wird; es ergab sich, dass sie hier nicht erfüllt ist. Er
konnte z. B. nachweisen, dass von einer Vorliebe der
Bienen für gewisse Farben, wie angesehene Zoologen
noch annehmen, tatsächlich nicht die Rede sein kann.
Die physikalische Voraussetzung der herrschenden
Schmuckfarbenlehre nimmt an, dass die äusseren Be-
dingungen, unter denen die Farben gesehen werden,
bei allen Tieren die gleichen seien, wie beim Menschen.
So vertreten z. B. die Zoologen heute noch die Mei-
nung, die Färbung des Wassers sei ohne nennenswer-
ten Einfluss auf die Farben, in denen bunte Gegen-
stände unter Wasser gesehen werden können. Auch
hier hat Hess zum ersten Male in umfassenden Unter-
suchungen gezeigt, wie unzutreffend diese Voraussetzung
und wie gross der Einfluss der Wasserfarben auf die
bunten Farben der Tiere ist. So wies er u. a. nach,
indem er im Neapeler Golf grosse farbige Flächen ver-
schieden tief ins Meer versenkte und unter geeigneten
Bedingungen deren Färbung verfolgte, dass ein in der
Luft für uns schön roter Gegenstand schon 4—5 Meter
unter der Oberfläche nur noch farblos grau erscheint.
An einem gelben Gegenstand ist das Gelb nur noch
in 7—8 Meter Tiefe zu sehen usw. Dies hat seinen
Grund darin, dass die blaugrüne Farbe des Wassers
die roten und gelben Strahlen in grossem Umfange ver-
schluckt. Daraus folgt, dass rote und gelbe Färbungen
bei Fisphen und Krebsen, die im Meer in mehr als
8 Meter Tiefe leben, unmöglich als Schmuckfarben auf-
gefasst werden können, denn sie könnten selbst von
einem farbentüchtigen Auge in diesen Tiefen nicht mehr
wahrgenommen werden.
Man spricht noch immer gerne vom Hochzeitskleid
der Fische und führt z. B. unsern Königsseesaibling
an, der eine besondere schön rot gefärbte Flanke zeigt.
Er lebt aber in 60—80 Meter Tiefe; dort ist nach dem
Gesagten von einer Wahrnehmung jenes Rots selbst-
verständlich nicht mehr die Rede. Ein gleiches gilt
von der grossen Zahl der rot und gelb gefärbten Fische
und Krebse, die im Meere in grossen Tiefen leben.
Hess weist auf die bedeutsame Tatsache hin, dass die
grösste Farbenpracht im Tierreich gerade bei Tiefsee-
Organismen (d. h. bei den Geschöpfen, die in Meeres-
tiefen von mehr als 100 Meter leben) vorkommt, bei
denen die Wahrnehmung jener Farben schon aus phy-
sikalischen Gründen vollständig ausgeschlossen ist.
Aber auch bei den in der Luft lebenden Tieren
ist jene physikalische Voraussetzung nicht durchweg
erfüllt. Der Forscher fand, dass die Tagvögel (z. B.
Hühner und Tauben) nur rote und gelbe Farbentöne
ähnlich so sehen, wie wir, während die für uns grünen
und blauen Farben ihnen farblos grau bezw. schwarz
erscheinen, d. h. die Vögel sind relativ blaublind. In
einem nur von blauem Licht erhellten Raume lassen
die Hühner ihnen vorgeworfene Körner, die wir schön
blau sehen, unberücksichtigt liegen, während sie in
einem mit rotem oder gelbem Licht bestrahlten Raume
die Körner bei abnehmender Beleuchtung ebenso lange
sehen wie wir. Die Erklärung für diese merkwürdige
Erscheinung fand Hess darin, dass die Tagvögel in ihrer
Netzhaut vor der lichtempfindlichen Schicht einen aus
zahllosen roten und gelben Kügelchen gebildeten Schirm
besitzen, so dass sie die Welt der Farben ungefähr so
sehen wie wir durch ein rotgelbes Glas: auch für uns
erscheinen dann sonst schön blaue Gegenstände nur
blaugrau oder ganz farblos grau. Die Anhänger der
Lehre von den Schmuckfarben bei Vögeln müssten dem-
nach annehmen, dass nur die roten und gelben Farben
.. sich durch geschlechtliche Zuchtwahl zur Anziehung
der Artgenossen entwickelt haben können, während für
die hier so reichlich vertretenen grünen und blauen
Farben eine solche Annahme nach den Untersuchungen
von Hess nun vollständig ausgeschlossen ist.
Die dritte Voraussetzung der herrschenden Lehre,
die physiologische, nahm an, dass alle Tiere die bun-
ten Farben ebenso wahrnehmen, wie der normale Mensch.
Es war aber niemals versucht worden, diese Annahme
mit wissenschaftlichen Methoden zu prüfen. Auch hier
hat Hess in mühevollen Vorarbeiten eine Reihe von
Methoden entwickelt, die uns einen überraschend ge-
nauen Aufschluss über die Frage nach dem Sehen der
Tiere geben. Zum Verständnis des folgenden sind
einige Bemerkungen über das Farbensehen des Men-
schen unter verschiedenen Bedingungen erforderlich.
Wenn wir uns längere Zeit in einem sehr schwach
erhellten Raume befinden, z. B. abends bei vorgeschrit-
tener Dämmerung, so sind wir nicht mehr in der Lage,
die Farben der Gegenstände wahrzunehmen, während
wir noch eine gute Unterschiedsempfindlichkeit für
Helligkeiten besitzen; alle Gegenstände erscheinen uns
grau in grau, aber sehr verschieden hell, und jede Farbe
hat dann eine bestimmte, für diesen Zustand des Seh-
organs charakteristische Helligkeit. So erscheint uns
jetzt z. B. ein bei Tageslicht schön helles Rot tief dun-
kelgrau, fast schwarz, während ein bei Tageslicht viel
dunkleres Blau jetzt, in der Dämmerung, wo es farblos
gesehen wird, viel heller grau erscheint als das Rot
usw. Ebenso wie wir bei stark herabgesetzter Beleuch-
tung, sehen die total Farbenblinden die Welt der Far-
ben unter allen Umständen; auch bei hellem Tages-
lichte erscheint ihnen ein Gemälde, so wie uns ein
Kupferstich wieder in der charakteristischen Hellig-
keitsverteilung, wie sie eben geschildert wurde.
Nun gibt es eine Reihe von Tieren, Fische und
Wirbellose, die sich gegenüber verschiedenen Licht-
stärken auch sehr verschieden verhalten. Einige haben
ausgesprochene Neigung, zur Helle zu schwimmen oder
zu fliegen, wie viele Fische und Insekten; andere haben
Neigung zum Dunkel zu gehen, wieder andere Tiere
zeigen höchst merkwürdige Reaktionen bei plötzlichen
Aenderungen der Lichtstärken. Auch hier hat Hess
eine Reihe bis dahin unbekannter Erscheinungen auf-
gefunden, von denen nur einige als Beispiel angeführt
seien.
Münchner kunsttechnische Blätter.
29
ten Jahren ist es gelungen, sie mit streng wissenschaft-
lichen Methoden in Angriff zu nehmen.
Der erste, der einen ernsthaften Versuch zur Klä-
rung der bunten Blütenfarben machte, war der geist-
volle Botaniker Christian K. Sprenge! (1793), dem die
Wissenschaft auch den ersten Nachweis der wunder-
voHen Anpassung des Baues vieler Blüten an den In-
sektenbesuch verdankt. Er war der Meinung, auch die
Farben der Blüten dienten dazu, die Insekten zum Be-
such anzulocken. Als Darwin seine berühmte Lehre
von der geschlechtlichen Zuchtwahl entwickelte, nahm
er die Sprengelschen Ansichten an und vertrat auch für
die Färbungen der Tiere die Meinung, diese seien zur
Entwicklung gekommen, damit die schöner gefärbten
Tiere ihren Artgenossen besser gefallen und sie an-
locken sollten (Hochzeitskleider). Freilich sollte dieses
erst von den Krebsen aufwärts gelten, während für die
bunten Farben der niederen Tiere eine solche Erklä-
rung nicht in Betracht kommt.
Diese Anschauungen Darwins über die bunten Tier-
färbungen sind bis heute in der Zoologie herrschend.
C. v. Hess unterwarf zum ersten Male die Grund-
lagen dieser Lehre einer eingehenden wissenschaftlichen
Prüfung und zeigte, dass sie sich auf drei Voraussetzun-
gen aufbaut. Er unterscheidet diese als die physika-
lische, die physiologische und psychologische.'Die letzte
nimmt an, dass den in Betracht kommenden Tieren ein
gewisser ästhetischer Sinn innewohne, vermöge dessen
die bunten Farben und Farbenzusammenstellungen, die
unserm Menschenauge schön und wohltuend erscheinen,
auch auf die Vögel und Fische, Krebse und Käfer
ebenso wirken müssten. Hess entwickelte neue Metho-
den, mit denen in einer Reihe von Fällen diese Vor-
aussetzung einer wissenschaftlichen Prüfung zugänglich
wird; es ergab sich, dass sie hier nicht erfüllt ist. Er
konnte z. B. nachweisen, dass von einer Vorliebe der
Bienen für gewisse Farben, wie angesehene Zoologen
noch annehmen, tatsächlich nicht die Rede sein kann.
Die physikalische Voraussetzung der herrschenden
Schmuckfarbenlehre nimmt an, dass die äusseren Be-
dingungen, unter denen die Farben gesehen werden,
bei allen Tieren die gleichen seien, wie beim Menschen.
So vertreten z. B. die Zoologen heute noch die Mei-
nung, die Färbung des Wassers sei ohne nennenswer-
ten Einfluss auf die Farben, in denen bunte Gegen-
stände unter Wasser gesehen werden können. Auch
hier hat Hess zum ersten Male in umfassenden Unter-
suchungen gezeigt, wie unzutreffend diese Voraussetzung
und wie gross der Einfluss der Wasserfarben auf die
bunten Farben der Tiere ist. So wies er u. a. nach,
indem er im Neapeler Golf grosse farbige Flächen ver-
schieden tief ins Meer versenkte und unter geeigneten
Bedingungen deren Färbung verfolgte, dass ein in der
Luft für uns schön roter Gegenstand schon 4—5 Meter
unter der Oberfläche nur noch farblos grau erscheint.
An einem gelben Gegenstand ist das Gelb nur noch
in 7—8 Meter Tiefe zu sehen usw. Dies hat seinen
Grund darin, dass die blaugrüne Farbe des Wassers
die roten und gelben Strahlen in grossem Umfange ver-
schluckt. Daraus folgt, dass rote und gelbe Färbungen
bei Fisphen und Krebsen, die im Meer in mehr als
8 Meter Tiefe leben, unmöglich als Schmuckfarben auf-
gefasst werden können, denn sie könnten selbst von
einem farbentüchtigen Auge in diesen Tiefen nicht mehr
wahrgenommen werden.
Man spricht noch immer gerne vom Hochzeitskleid
der Fische und führt z. B. unsern Königsseesaibling
an, der eine besondere schön rot gefärbte Flanke zeigt.
Er lebt aber in 60—80 Meter Tiefe; dort ist nach dem
Gesagten von einer Wahrnehmung jenes Rots selbst-
verständlich nicht mehr die Rede. Ein gleiches gilt
von der grossen Zahl der rot und gelb gefärbten Fische
und Krebse, die im Meere in grossen Tiefen leben.
Hess weist auf die bedeutsame Tatsache hin, dass die
grösste Farbenpracht im Tierreich gerade bei Tiefsee-
Organismen (d. h. bei den Geschöpfen, die in Meeres-
tiefen von mehr als 100 Meter leben) vorkommt, bei
denen die Wahrnehmung jener Farben schon aus phy-
sikalischen Gründen vollständig ausgeschlossen ist.
Aber auch bei den in der Luft lebenden Tieren
ist jene physikalische Voraussetzung nicht durchweg
erfüllt. Der Forscher fand, dass die Tagvögel (z. B.
Hühner und Tauben) nur rote und gelbe Farbentöne
ähnlich so sehen, wie wir, während die für uns grünen
und blauen Farben ihnen farblos grau bezw. schwarz
erscheinen, d. h. die Vögel sind relativ blaublind. In
einem nur von blauem Licht erhellten Raume lassen
die Hühner ihnen vorgeworfene Körner, die wir schön
blau sehen, unberücksichtigt liegen, während sie in
einem mit rotem oder gelbem Licht bestrahlten Raume
die Körner bei abnehmender Beleuchtung ebenso lange
sehen wie wir. Die Erklärung für diese merkwürdige
Erscheinung fand Hess darin, dass die Tagvögel in ihrer
Netzhaut vor der lichtempfindlichen Schicht einen aus
zahllosen roten und gelben Kügelchen gebildeten Schirm
besitzen, so dass sie die Welt der Farben ungefähr so
sehen wie wir durch ein rotgelbes Glas: auch für uns
erscheinen dann sonst schön blaue Gegenstände nur
blaugrau oder ganz farblos grau. Die Anhänger der
Lehre von den Schmuckfarben bei Vögeln müssten dem-
nach annehmen, dass nur die roten und gelben Farben
.. sich durch geschlechtliche Zuchtwahl zur Anziehung
der Artgenossen entwickelt haben können, während für
die hier so reichlich vertretenen grünen und blauen
Farben eine solche Annahme nach den Untersuchungen
von Hess nun vollständig ausgeschlossen ist.
Die dritte Voraussetzung der herrschenden Lehre,
die physiologische, nahm an, dass alle Tiere die bun-
ten Farben ebenso wahrnehmen, wie der normale Mensch.
Es war aber niemals versucht worden, diese Annahme
mit wissenschaftlichen Methoden zu prüfen. Auch hier
hat Hess in mühevollen Vorarbeiten eine Reihe von
Methoden entwickelt, die uns einen überraschend ge-
nauen Aufschluss über die Frage nach dem Sehen der
Tiere geben. Zum Verständnis des folgenden sind
einige Bemerkungen über das Farbensehen des Men-
schen unter verschiedenen Bedingungen erforderlich.
Wenn wir uns längere Zeit in einem sehr schwach
erhellten Raume befinden, z. B. abends bei vorgeschrit-
tener Dämmerung, so sind wir nicht mehr in der Lage,
die Farben der Gegenstände wahrzunehmen, während
wir noch eine gute Unterschiedsempfindlichkeit für
Helligkeiten besitzen; alle Gegenstände erscheinen uns
grau in grau, aber sehr verschieden hell, und jede Farbe
hat dann eine bestimmte, für diesen Zustand des Seh-
organs charakteristische Helligkeit. So erscheint uns
jetzt z. B. ein bei Tageslicht schön helles Rot tief dun-
kelgrau, fast schwarz, während ein bei Tageslicht viel
dunkleres Blau jetzt, in der Dämmerung, wo es farblos
gesehen wird, viel heller grau erscheint als das Rot
usw. Ebenso wie wir bei stark herabgesetzter Beleuch-
tung, sehen die total Farbenblinden die Welt der Far-
ben unter allen Umständen; auch bei hellem Tages-
lichte erscheint ihnen ein Gemälde, so wie uns ein
Kupferstich wieder in der charakteristischen Hellig-
keitsverteilung, wie sie eben geschildert wurde.
Nun gibt es eine Reihe von Tieren, Fische und
Wirbellose, die sich gegenüber verschiedenen Licht-
stärken auch sehr verschieden verhalten. Einige haben
ausgesprochene Neigung, zur Helle zu schwimmen oder
zu fliegen, wie viele Fische und Insekten; andere haben
Neigung zum Dunkel zu gehen, wieder andere Tiere
zeigen höchst merkwürdige Reaktionen bei plötzlichen
Aenderungen der Lichtstärken. Auch hier hat Hess
eine Reihe bis dahin unbekannter Erscheinungen auf-
gefunden, von denen nur einige als Beispiel angeführt
seien.