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Nr, n.

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Here. Es Hegt zwar schon in Ihrer Natur, die
Sache und die Vorstellung wohl zu trennen, . . .
Ihre lange Arbeit mit den Farben und der Ernst,
den Sie darauf verwendet, muss mit einem nicht
gemeinen Erfolg belohnt werden. Sie müssen, da
Sie es können, ein Muster aufstellen, wie man phy-
sikalische Forschungen behandeln soll, und das
Werk muss durch seine Behandlung ebenso be-
lehrend sein als durch seine Ausbeute für die
Wissenschaft".
Man sieht daraus, wie ausserordentlich gross
Schillers Verdienst bei der Vollendung der „Farben-
lehre" gewesen ist und welchen Wert Goethe auf
dessen Urteil gegeben hatte. Die Forderung, die
Fakta ohne jeden hypothesischen Hintergrund dar-
zustellen, war eine der schwersten, die Schiller
forderte und Goethe fühlte wohl, dass ihm diese
Sonderung schwerlich ganz gelingen würde. Es lag
nicht in seiner Natur, die allen spekulativen, philo-
sophischen Problemen fremd gegenüber stand, ins-
besondere war die Kantsche Erkenntniskritik, auf
die er von Schiller wiederholt verwiesen worden
war, eine Lehre, welche Goethes Geist nicht adä-
quat gewesen ist und der er sich nur unvollstän-
dig assimilieren konnte. Es wird jetzt sogar Goethe
daraus ein Vorwurf gemacht und der „entschei-
dende Fehler" seiner wissenschaftlichen Schluss-
folgerungen in der Nichtverwendung der Kantschen
Prinzipien erblickt*).
Goethe war aber von seinem eigenen Stand-
punkte ausgegangen und hatte wie Schelling sich
der „Naturphilosophie", die zu seiner Zeit viele
Anhänger fand, angeschlossen, dem sog. Empiris-
mus, der nur in der Anschauung (der Einzelwahr-
nehmung) die Wahrheit zu finden sucht. In diesem
Sinne war Goethe bei seinen naturwissenschaft-
lichen Studien vorgegangen und er war auch bei
den optischen Beobachtungen von demselben Grund-
sätze geleitet. Für ihn war das Suchen nach den
„Phänomenen" die wichtigste Beschäftigung und
er hat es wiederholt ausgesprochen, dass in der
Feststellung der „Phänomene" schon die Haupt-
sache geschehen sei.
Im Jahre 1800 war Goethe die Haupteinteilung
der Farbenlehre in die drei Hauptmassen, die di-
daktische, polemische und historische, wie wir ge-
sehen haben, schon ganz klar geworden und er
ging an die Ausarbeitung der schon reichlich vor-
bereiteten einzelnen Teile, wozu er, mit Unter-
brechung, noch volle 6 Jahre benötigte, 1806 sollte
mit der Drucklegung begonnen werden. In diesem
Jahre trat jedoch die Teilnahme des Physikers
T. J. Seebeck hinzu, und Goethe bekennt selbst,
dass Seebeck „seine Einsicht in die Physik über-
haupt und besonders in die Farbenlehre nicht we-
nig förderte"**).

*) S. Magnus, Goethe als Naturforscher, S. 3:.
**) Tag- und Jahreshefte 1806, Abs. $78, 593, 719.

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Worin diese wesentliche Förderung durch See-
beck bestanden haben mag, darüber können wir
nur Vermutungen aussprechen; jedenfalls ist dessen
Einfluss nicht zu gering anzuschlagen, da der Be-
ginn der Drucklegung hinausgeschoben wurde, um
mancherlei Aenderungen und Besserungen an dem
Manuskripte vorzunehmen. War doch Seebeck der
einzige Fachmann, den Goethe auf seiner Seite
hatte und mit dem er von da ab in steter Freund-
schaft verbunden blieb!
Inwieweit Seebeck Goethes „Entwurf einer
Farbenlehre" beeinflusst haben mag, kann aus einer
kleinen Schrift desselben, die er bald nach Er-
scheinen des Werkes in Schweiggers Journal für
Chemie und Physik (Nürnberg 1811,1. Bd., S. 4 — 12)
veröffentlichte, ersehen werden. Er führt dabei
an, dass er „schon vor beinahe $ Jahren die hier
aufgestellte Farbenlehre entworfen und mehreren
Freunden mitgeteilt habe", also deutet dies gerade
auf die Zeit zurück, da er mit Goethe zusammen
arbeitete, und wir finden darin ganze Sätze, die
direkt mit Goethes Annahmen übereinstimmen.
So gleich zu Anfang den Satz:
„Die Farben sind Halblichter, Halbschat-
ten,— sie sind Ausgeburten von Licht und
Schatten" (in Uebereinstimmung mit Goethes
Worten: „Die Farben sind Taten des Lichts, Taten
und Leiden") und Seebeck verweist sogar zur Be-
stätigung dieser Thesis auf den I. Band, I. Teil
von Goethes Farbenlehre, „um überflüssige Wieder-
holungen zu vermeiden". Er bekennt sich dem-
nach zu Goethes Theorien. Da seine Ansicht aber
„in einigen Punkten von der Lehre derjenigen ab-
weicht, mit welchen er in der Hauptsache über-
einstimmte", hält er es für seine Pflicht, dieselbe
bekannt zu machen.
Und worin weicht seine Ansicht von der Goethes
ab? Für ihn sind Hell und Dunkel die nämlichen
Gegensätze und die Ursachen zur Erzeugung von
Farben. Blau und Gelb stehen sich ebenso als
Farbenpole, als „Urgegensätze" gegenüber.
Bezüglich des Rot scheint mir eine Differenz
zu bestehen. Im I. Beitrag zur Optik bezeichnete
Goethe nur zwei Farben, Gelb und Blau, als die-
jenigen, die einen ganz reinen Begriff der farbigen
Erscheinungen geben, während die rote Farbe ent-
weder zum Gelben oder zum Blauen hinneige (§ 30,
3 1); ähnliche Grundsätze sind in dem aus dem Lager
bei Marienborn an Jakobi gesandten Schreiben ent-
halten und sie wiederholen sich in dem „Versuch,
die Elemente der Farbenlehre zu entdecken"
(§21: „Rot nehmen wir also vorerst als keine
eigene Farbe an; es steht weder dem Blauen noch
dem Gelben entgegen, es entsteht vielmehr
aus ihnen und zwar durch Verdichtung und durch
Aneinandersetzung ihrer Teile"(!)).
Seebeck lässt Rot aus den beiden Elementen,
dem Hellen und dem Dunkeln als ,,g!eichwirkend"
 
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