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Nr. !$.

Münchner kunsttechnische Blätter.


wie schwierig es sein dürfte, die Rottmannschen Fres-
ken einwandfrei zu restaurieren, denn abgesehen von
den abgebiätterten Stehen, die neu zu bemalen wären,
sind die bis zur Unkenntiichkeit schwarz gewordenen,
obenbezeichnetenBitder soviei wie ganz neu zu schaffen,
während die nur trüben Partien vieheicht durch die
Gerhardtsche „Tränkungsflüssigkeit" durchsichtig ge-
macht werden könnten. Die vom Ministerium mit der
Aufgabe zu betrauenden Personen stehen demnach
keiner so einfachen Aufgabe gegenüber! —
Die Abfassung der obigen Zeilen war kaum be-
endigt, als wie eine Bombe der Bericht über einen im
Münchener Altertumsverein veranstalteten Rottmann-
Abend niederplatzt, in dem es heisst: „Die Bilder in den
Arkaden sind keine Fresken, sondern sind im pu-
nischen Wachsverfahren auf einen infolge Gips-
zusatzes rasch auftrocknenden Grund gemalt". Also,
was wir seit Jahrzehnten gläubig als wirkliche Fresko-
malerei gekannt und bewundert haben, wäre gar kein
Fresko! Und was sollen wir unter „punischem Wachs-
verfahren" verstehen? Wir haben doch genugsam er-
fahren müssen, dass die Gelehrten über das „punische
Wachs" sehr verschiedener Meinung sind, und dass
niemand früher das eigentliche punische Wachs zu Mal-
zwecken zu verwenden gelehrt hatte. Sollte am Ende
doch hier eine Verwechslung mit dem von Rottmann
in der neuen Pinakothek in „enkaustisch" genannter
Manier gemalten Bilder-Zyklus vorliegen?
Den die oben geäusserten Zweifel wachrufenden
Bericht lasse ich hier folgen; er lautet nach den
„M. N. N." vom 20. März:
„Die Rottmann-Fresken. Angeregt durch die in den
,M. N. N.' eröffnete Debatte veranstaltete der Alter-
tumsverein einen Rottmann-Abend. Wertvolle Originale
aus Privatbesitz wurden gezeigt und interessante Doku-
mente, Grabreden, Kunstvereinsberichte, Kritiken und
Briefe mitgeteilt. Zu dem an dieser Stelle erörterten
Thema wurden dabei folgende Feststellungen gemacht:
Die Bilder in den Arkaden sind keine Fresken, sondern
sind im punischen Wachsverfahren auf einen infolge
Gipszusatzes rasch auftrocknenden Grund gemalt. Die
helleren Farbtöne haben sich in denselben eingezogen
und deshalb besser erhalten; die dunkleren, die mehr
Bindemittel beansprucht haben, sind oft abgebröckelt.
Von mutwilligen Zerstörungen wird schon zu Lebzeiten
Rottmanns berichtet: den eigentlichen Ruin brachte die
von Rottmanns Bruder Leopold vorgenommene Restau-
rierung durch Verwendung zu fetthaltiger Bindemittel.
Der Zustand der Bilder war schon um 1860 nicht viel
besser als heute.
Der Vorsitzende, Herr Wolter, zeigte ausser der
Palette des Meisters auch eine ganz wundervolle, im
Charakter und in der enkaustischen Technik der Arkaden-
bilder auf Leinwand gemalte Landschaft. Er erklärte
es für möglich, aus beiden durch chemische Analyse
das von Rottmann auch seinem Bruder gegenüber leider
geheimgehaltene, dem Wachs zugesetzte Bindemittel
zu bestimmen. Mit diesem Mittel sollte nicht eine
Professorenkommission, sondern ein tüchtiger Fach-
mann die Bilder von neuem restaurieren. Alte, in öster-
reichischem Privatbesitz befindliche Kopien sollten zur
Vergleichung herbeigeschafftwerden. Gegen denSchutz
durch Glasplatten wurde der Einwand erhoben, dass
dann statt der italienischen Landschaften das monoton
wiederkehrende Spiegelbild des Pfeilers und der Bogen-
öffnung zu sehen sein werde. Die Entfernung der Fres-
ken und ihre Unterbringung in einem Museum wurde
allgemein für nötig erachtet.
Die Rottmannschen Bilder gehören aber doch wohl
in die Arkaden: dorthin, wohin sie der Künstler und
sein königlicher Auftraggeber bestimmt hat. Ihr künst-
lerischer Wert kommt dort jedenfalls bei weitem besser
zur Geltung als in irgend einem Museum. Sollten sie

wirklich nur dadurch vor dem Untergang gerettet wer-
den können, dass man sie entfernt, und verbürgen sich
die Fachleute für den unbedingt sicheren Erfolg, so
mag man sie transponieren. Aber dann müssen sie durch
Kopien ersetzt werden; wenn sie in der Technik des
Wolterschen Bildes und unter sorgfältiger Vergleichung
mit den alten Kopien hergestellt werden, versprechen
sie gutes Gelingen, und es wäre vielleicht auch dann
einmal möglich, in solchen Abbilden die griechischen
Landschaften nachträglich an den ihnen ursprünglich
zugedachten Platz in den anschliessenden Arkaden zu
bringen".
Soweit wären wir also, dass, noch bevor die Frage
recht in Fluss gekommen ist, bereits Meinungsver-
schiedenheit über die grundsätzlichsten Dinge herrscht
und dass die Fachmänner — und dazu rechne ich auch
den Vorstand des Altertumsvereins, Kollegen Wolter
— alle Mühe haben werden, sich über alle in Betracht
kommenden Fragen der Restaurierung, Transferierung,
Wiederaufstellung und Erhaltung zu einigen. Dass nach
einer auf Leinwand gemalten Probe durch chemische
Analyse das Lösungs- oder Verdünnungsmittel von
Wachs festgestellt werden kann, ist vielleicht möglich,
obwohl der für solche mikrochemische Untersuchungen
bedeutendste Fachmann, Prof. Raehlmann, leider nicht
mehr lebt; ob aber von einem solchen Leinwandbilde
zwingende Schlüsse auf dieTechnik der Arkadengemälde
und auf die Restauration früherer Zeit gezogen wer-
den dürfen, ist sehr anfechtbar.
Die nächste Zukunft wird uns hoffentlich lehren,
das Rechte im richtigen Sinne zu treffen, damit uns
spätere Reue erspart bleibt. Hoffen wir, dass es den
Rottmann-Fresken nicht ergeht, wie jenem Schwer-
kranken, über dessen notwendig gewordene Operation
eine Reihe konsultierender Aerzte sich lange nicht einigen
konnten, und der, als sie endlich zur Operation schreiten
wollten, — inzwischen sanft entschlafen war. E. B.
Literatur.
Friedrich Jodi: Aesthetik der bildenden Künste.*)
Aus den nachgelassenen Schriften des bekannten
Wiener Philosophie-Professors hat dessen Schüler Wilh.
Börner einen Band unter dem Gesamttitel „Aesthetik
der bildenden Künste" veröffentlicht. Unter Zugrunde-
legung der eigenhändigen Manuskripte für die an der
Technischen Hochschule zu Wien gehaltenen Vor-
lesungen über die Aesthetik in besonderer Beziehung
zur Architektur ist damit ein Werk entstanden, das nicht
nur als Fundament für das gesamte Gebäude einer
Aesthetik im allgemeinen, sondern einer solchen für die
bildenden Künste in klarer, leichtfasslicher und form-
vollendeter Darstellung umfasst.
Nicht nur die Freunde und zahlreichen Verehrer
des feinsinnigen Gelehrten, sondern weitere Kreise der
Gebildeten werden dieses Werk freudig begrüssen, denn
es bietet erwünschte Gelegenheit, sich über allgemeine
Probleme der Aesthetik, wie der Kunsttheorie an der
Hand eines weitgehenden, tiefes Verständnis für die
verschiedenen Richtungen in der Kunst bekundenden
Führers zu unterrichten, ln wechselseitiger Durch-
dringung kunsthistorischer und kunstphilosöphischer
Studiums, unter gewissenhaftester Benützung des ge-
samten Tatsachenmaterials bietet hier Jodl die Analyse
der in Betracht kommenden psychologischen Vorgänge
sowohl bei der Hervorbringung künstlerischer Schöp-
fungen als auch bei der nicht weniger wichtigen Tätig-
keit des Kunstgenusses.

*) Aesthetik der bildenden Künste. Von Friedr.
Jodl. Herausgegeben von Wilh. Börner. Verlag der
J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger. Stuttgart
und Berlin 19t?. Preis geh. n Mk., geb !<) Mk
 
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