Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
98

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 17.

oder müssen, so sollte es eigentlich nicht so fern
liegen, zu versuchen, über die Sehgrenze des Auges
hinaus vorzudringen und nun nicht nur durch ab-
strakte chemische Experimente oder durch gewalt-
sam abgekürzte und zusammengedrängte praktische
Versuche an den Reaktionen chemischer oder physi-
kalischer Art erkennen zu wollen, was sich begibt
und was geschieht, sondern gleichsam selbst an
die Stelle der Begebnisse und Geschehnisse zu gehen
und sehend sie zu erleben. Was man mit eigenen
Augen wahrgenommen hat, werde man dann wohl
in aller Runde verstehen und aus diesem Verstehen
heraus werde sich dann das technische Verständ-
nis gewinnen lassen.
Dieser Gedanke ist indessen schon über das
Ziel hinausgeschossen. Zu diesem Ziele führt das
„bewaffnete Sehen" zunächst noch nicht. Man darf
die Leistungsfähigkeit des Mikroskops nicht über-
schätzen. Und wo die Wirkung auf das äusserste
gesteigert ist, wie beim Ultramikroskop von Zsig-
mondy und Siedentopf, da ist zugleich auch dem
menschlichen Denken eine noch ganz neue und
ganz fremde Welt eröffnet, die ungeahnte Rätsel
aufgibt und mehr zum Erschauern vor der geheim-
nisvollen Tiefe der Natur erregt, als einer wirk-
lichen praktischen Erkenntnis zu dienen vermag.
Schon bei einer etwa fünfzig- oder hundertfachen
Vergrösserung ist das Bild, das sich von den schein-
bar uns so vertrauten Stoffen darbietet, oftmals ganz
fremd, und noch mehr neue Züge enthält natürlich
eine dreihundert- oder fünfhundertfache Vergrösse-
rung. Zweifellos haben auch die hier erkennbaren
Einzelheiten und jene, die noch aus grösserer Tiefe
des Unsichtbaren heraufgeholt werden, ihre Aus-
wirkung auf Charakter und Eigenschaften des Stoffes,
aber solange wir die Wege und Kräfte dieser Aus-
wirkungen nur dürftig kennen, können sie uns für
unsere praktischen Bedürfnisse weniger nützen, als
uns verwirren und kopfscheu machen.
Ich will es deshalb als ein zunächst zu erstre-
bendes Ziel bezeichnen, das Farbkorn eines Farb-
stoffs gewissermassenauf der Schwelle seines Wesens
zu besuchen. Wir sehen von dieser Schwelle aus
noch nicht die innere Einrichtung seines Hauses
und der Gemächer, aber wir stehen doch an der
Pforte und können erkennen, wie das Haus etwa
beschaffen ist. Mit anderen Worten, wir sehen
etwas von der Struktur des Farbstoffs, ob sie kristal-
linisch oder amorph, d. h. gestaltlos, glasig, erdig,
kugelig, splitterig, bröcklig ist. Bei diesen als
amorph vermuteten Strukturen werden sich immer
einige kryptokristallinische finden, d. h. solche, deren
kristallinische Struktur wir zwar theoretisch, wie
z. B. beim Bleiweiss infolge seiner Deckkraft vor-
aussetzen müssen, die wir aber im einzelnen nicht
nachweisen können, wenn wir nicht ein Mikroskop
mit sehr starker Vergrösserung zur Verfügunghaben.
Vermögen wir aber schon bei etwa fünfzig-
bis hundertfacher Vergrösserung die Farbstoffe nach

ihrer Struktur auszusondern in grob- und fein-
kristallinische, so haben wir darin auch den Schlüssel
für die Beurteilung ihrer Deckkraft und ihres sonstigen
optischen Verhaltens. Wie prächtig z. B. zeigt
sich der Grünspan mit seinen grossen Kristallen,
die natürlich durchscheinend sind. Eine etwas
kleinere Kristalliorm zeigt das Schweinfurtergrün,
aber seine Struktur ist noch grob gegen die Kristall-
formen anderer Kupferfarben, wie Bergblau, Bremer-
blau oder Berggrün usw. Vor einem solchen mi-
kroskopischen Bild der Farbstoffstruktur lässt sich
eine optische Theorie wie die von der Fähigkeit
eines Farbstoffes, einen anders gefärbten Unter-
grund zu überdecken, viel leichter begreifen und
es sollte wenigstens überall da, wo Maler in die
Theorie ihrer technischen Arbeit, in das Technische
ihres Berufes eingeführt werden, also an Schulen
und Unterrichtsanstalten immer auch ein gutes Mi-
kroskop zur Verfügung stehen, weil es die Begriffe
auf diesem schwierigen Gebiet durch konkrete An-
schauungsbilder stützen kann. (Schluss folgt.)
Kurze Bemerkungen zu Goethes
Farbenlehre.
Von E. B.
(1. Fortsetzung.)
Zum I. Didaktischen Teil.
Wir vergrössern dann die Entfernung des Pris-
mas vom Bild um ein weniges, oder neigen die
brechende Kante desselben etwas nach vorne
(Distanz vom Bild etwa 1 m) und beobachten die
entstandene Farbenreihe; wir bemerken jetzt (in
der Richtung des Pfeiles A B der Fig. 1):
Die Randfarben des oberen schwarzen Streifens
blau und violett verbreitern sich nach abwärts,
sie überstrahlen die oberen Randfarben des
weissen Streifens rot, dann gelb und hier bildet
sich die helle Purpurfarbe als Mischfarbe
des dunkeln Violett und tiefen Rot! Genau
so überstrahlt der farbige untere Rand des weissen
Streifens (blau, violett) in mächtiger Ausdehnung
die unteren Randfarben des Schwarz, nämlich rot
und gelb, und es entsteht hier ebenso die helle
Purpurfarbe als Mischfarbe von Violett und Rot.
Die Mitte des weissen Streifens zeigt dann
ein leuchtendes (Papageien-)Grün.
Die Farbenreihe hat sich also, wie folgt ver-
ändert (in der Mitte des Schnittes A B):
Blau
Violett
He 11-Purpur (Phrsichblüth Goethes)
(Gelbgrün)
Grün
(Blaugrün)
Hell-Purpur
Gelb
Die in Klammer gesetzten Farben, Gelbgrün
und Blaugrün, erscheinen je nach der Entfernung
des Bildes mehr oder weniger deutlich.
 
Annotationen