Münchner kunsttechnische Biätter
!ß6
Nr 23
Nach den Firnisrezepten foigen noch Rezepte für
Maierei und andere Dinge, darunter der Eierkiarfirnis
(85), der auch zur Tempera dienen kann und den wir
bei Boitz wiederfinden (S. 6, ,,wirt genannt Haussfür-
niss"), dann weitere Beizen für Vergoidung (97, 88) und
schiiessiich foigt eine Aufzähiung einzeiner Rezepte, die
der Kompiiator nicht weiter ausführt, ein sicherer Be-
weis, dass dem Schreiber ein anderes Ms. ais Vortage
gedient haben muss.
2. Vergleich mit anderen Queiien.
Nach dieser kurzen Inhaitsangabe müssen wir uns
die Frage nach dem Ursprung des Ms. steiien. Dass
der Schreiber aus anderen Queiien geschöpft hat, wurde
bereits erwähnt, aber weiches sind diese Queiien ge-
wesen? Dem Inhait der ersten zwei Teiie nach zu
schiiessen, könnten die iateinisch geschriebenen Ms.
des St. Audemar, des Aicherius oder einige Steiien des
jüngeren Teiies von Mapp. ciav. ais Vortage gedient
haben, vieiieicht könnten nur einige Rezepte aus diesen
entnommen sein, wie z. B. die für Seifenbereitung aus
Mapp.; wenn man aber dieRezeptenreihen genauer mit
den bekannten aiten Schriftqueiien vergieicht, so wird
man trotz der inhaitiichen, aus der Sache seibst sich
ergebenden Gieichheiten nirgends eine voiie Ueberein-
stimmung herausfinden können. Der Schreiber, der
offenbar seibst Maier gewesen ist, hat aus seiner iatei-
nischen Queiie frei übersetzt und Rezepte weggeiassen,
die ihm nebensächiich erschienen sind.
Dass er aus den Schriften des Heraciius geschöpft
hat, ist kaum wahrscheiniich, auch die Scheduia des
Theophiius diente ihm nicht als Vortage, denn es fehien
voiiständig die charakteristischen Bezeichnungen, wie
Menesch, Posch, Exedra für Fieischfarbe usw. Ueber-
einstimmend mit Theophiius ist nur die Bezeichnung
des Firnis vernis gias mit Gummi fornis, quod Romane
giassa dicitur (K. XXI, II. Abs.), was wohi dadurch er-
klärlich ist, dass die beiden Autoren einer gieichen
Gegend Deutschiands angehörten; Theophiius, der West-
faie, aus der Gegend von Paderborn und der eingangs
genannte Heinrich v. Lübecke sind Landsieute. Mit
Theophiius stimmt übrigens, wie bereits erwähnt, die
Art des Maiens mit Tempera und darauffolgenden Fir-
nissen überein, ein Beweis, dass diese Technik durch
mindestens zwei Jahrhunderte in Uebung gebiieben ist.
Immerhin wäre es der Mühe wert, in aiten Queiien
nach Rezeptenreihen zu suchen, weiche dem Strassb.
Ms. ais Vortage gedient haben konnten.
Solche Reihenfoigen wie z. B.
(48) Jetzt folgen einige Artikel
wie man soiie machen gut ßn heifenbein,
ein Wasser der tugend und ein Trank der tugend,
zwei wasser die iuter sind ais ein brun und wenn
man sie under einander tut so werdent sie ais
geieyti milch,
wie man die Hiegen aiie wol bringen kann in einen
Kreis, die in dem huse sind.
Oder
(83) Foigt ein Artikei
wie man pappier machen soi noch besser den es
an im selber ist,
wie man aiies gestein schön und glantz boiieren kann
wie man gestein weich machen kann,
terebinthinum et destiiia per aiambicum (Destiüierkoi-
ben) aquam ardentem, quam impones cue appiicatur
candeia et ardebit ipsa. Wann jedoch dieses Destii-
iationsproduktzuerstinderMaierei Verwendung
fand, ist unbestimmt. Nach Eastiake, S. 247, ist unter
weissem Firnis (vernisium aibum), in Rechnungen vom
Ende des XIII. Jhs. erwähnt, Terpentinharz zu verstehen.
Wahrscheiniich ist damit aber ein Terpentinfirnis ge-
meint, denn die Oeiilrnise sind aiie mehr oder weniger
geib und braun.
wie man einen agstein macht,
wie man andren kiugen agstein soi machen,
wie man schön ßn heifenbein machen so!,
(89) Es foigt hier nun
wie man soi siiber und goid uff legen,
wie man goid uffiegen soi an aiien grund,
wie man gut assis machen soii zu goide und zu siiber,
wie man soi uff bermet schön erhaben goid machen,
uff was materien man goid und siiber iegen mag.
(90) Es foigt
wie man brun rotte varwe machen um mit ze ver-
wen uff ieder und uff iinin,
wie man schön vioivarw verwen kann garn und
iinis und ouch uff ieder,
wie man schön ßn grün bekommt,
wie man so! Horn weich machen etc.
müssten sich doch irgendwo wieder nachweisen iassen.
Da sich aber in keiner der zugängiichen iateinischen
Queiien diese seiben Reihen wiederhnden, muss ange-
nommen werden, dass zum mindesten dem ietzten,
III. Teii eine d eutsche Urschrift zu gründe gelegen
ist. Diese Urschrift scheint verloren gegangen zu sein,
oder beßndet sich noch irgendwo verborgen in einer
Bücherei.*)
Viei sicherer können wir beweisen, dass die Rezepte
des Strassburger Ms. (od. der Urschrift) in der Foigezeit
wieder seibst ais Vorbiid gedient hüben, und von Hand
*) In dem Kataiog der aitdeutschen Heideiberger
Handschriften von Bartsch (Heideiberg 1887) ßndet sich
ein Ms.: Pai. germ. 638 pap. XV. Jh., das in seiner
Inhaitsangabe eine gewisse Aehniichkeit mit dem Strassb.
Ms. zeigt. Es handeit von Bereitung verschiedener
Wasser zu technischen Zwecken, von Seifen, von „wassern
derTugend" usw.; etiicheNotizensind datiertvom J. 1438.
Nach diesen Angaben schien es, ais ob hier für unser
Ms. etwa ein Queiiennachweis zu ßnden gewesen wäre;
ich konnte aber nach Durchsicht der mir durch die
Bibiiothekdirektion übersandten Handschrift auch hierin
die Reihen der Rezepte nicht wiederßnden, denn das
Buch enthäit mit wenigen Ausnahmen medizinische An-
weisungen. Gieich das erste Rez. von den zwei Wassern,
die man untereinanderschüttet und schneeweiss wer-
den, hat Aehniichkeit mit der zweiten Anweisung von
48 des Strassb. Ms. Verschiedene von den „Wassern"
sind offenbar für Metaiiarbeit bestimmt. Ein Rez. (3a)
iehrt ,,goit wachsen zu machen" mit Taubenmist, star-
kem Essig und Goid, so dass aus 100 Drachmen 1000
des Goides werden! Es foigt ein „Goldgrund": wiidu
einen gutten goit grund machen so nym kryd vnd hönig
oder zucker gandei vnd verrieb dz uff einem Stein
vnderbinander gar kiein vnd wen es zu dick sey so
tue zucker gandei in Wasser und ruer es damit und
was damit geschriben mag da mit schrib es dann ieg
dz goit uff". Dieses Rez. hat mit den gieichen des
Strassb. Ms. viei Uebereinstimmung; die „Seiffen", die
das Heideiberger Ms. beschreibt, sind in der Fassung
ähnlich aber nicht wörtiieh gieich. Die,,Tugendwasser"
beziehen sich wieder auf medizinische Dinge, die für
uns kein weiteres Interesse haben. Das erste (27a) be-
schreibt die tugend, d. h. sovie! wie die innewohnende
Kraft der Natterhaut und darauf folgen wieder die zwei
„edien wissen iuteren wasser, dy grob tugend habend";
ais Kuriosum iasse ich den Anfang hier foigen: Diss
zw(ei) noch geschribne iuttere (iautere) wasser ais ein
prunne (Brunnen) vnd wan mans temperiert vndereinander
so werdend sy sne wiss (schneeweiss) vnd diseiben
zwey wasser habend manigeriey tugend; die erst tugend
ist wer sich da mit westreicht der unsawber ist an dem
Leib der wiert gesunt vnd woit er veit siech werden
er genist etc. (das Wasser besteht aus Satz, Weinstein
und Saimiak). Vergi. auch über die „Jungfernmilch"
im Abschnitt über die Van Eycktechnik.
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Nr 23
Nach den Firnisrezepten foigen noch Rezepte für
Maierei und andere Dinge, darunter der Eierkiarfirnis
(85), der auch zur Tempera dienen kann und den wir
bei Boitz wiederfinden (S. 6, ,,wirt genannt Haussfür-
niss"), dann weitere Beizen für Vergoidung (97, 88) und
schiiessiich foigt eine Aufzähiung einzeiner Rezepte, die
der Kompiiator nicht weiter ausführt, ein sicherer Be-
weis, dass dem Schreiber ein anderes Ms. ais Vortage
gedient haben muss.
2. Vergleich mit anderen Queiien.
Nach dieser kurzen Inhaitsangabe müssen wir uns
die Frage nach dem Ursprung des Ms. steiien. Dass
der Schreiber aus anderen Queiien geschöpft hat, wurde
bereits erwähnt, aber weiches sind diese Queiien ge-
wesen? Dem Inhait der ersten zwei Teiie nach zu
schiiessen, könnten die iateinisch geschriebenen Ms.
des St. Audemar, des Aicherius oder einige Steiien des
jüngeren Teiies von Mapp. ciav. ais Vortage gedient
haben, vieiieicht könnten nur einige Rezepte aus diesen
entnommen sein, wie z. B. die für Seifenbereitung aus
Mapp.; wenn man aber dieRezeptenreihen genauer mit
den bekannten aiten Schriftqueiien vergieicht, so wird
man trotz der inhaitiichen, aus der Sache seibst sich
ergebenden Gieichheiten nirgends eine voiie Ueberein-
stimmung herausfinden können. Der Schreiber, der
offenbar seibst Maier gewesen ist, hat aus seiner iatei-
nischen Queiie frei übersetzt und Rezepte weggeiassen,
die ihm nebensächiich erschienen sind.
Dass er aus den Schriften des Heraciius geschöpft
hat, ist kaum wahrscheiniich, auch die Scheduia des
Theophiius diente ihm nicht als Vortage, denn es fehien
voiiständig die charakteristischen Bezeichnungen, wie
Menesch, Posch, Exedra für Fieischfarbe usw. Ueber-
einstimmend mit Theophiius ist nur die Bezeichnung
des Firnis vernis gias mit Gummi fornis, quod Romane
giassa dicitur (K. XXI, II. Abs.), was wohi dadurch er-
klärlich ist, dass die beiden Autoren einer gieichen
Gegend Deutschiands angehörten; Theophiius, der West-
faie, aus der Gegend von Paderborn und der eingangs
genannte Heinrich v. Lübecke sind Landsieute. Mit
Theophiius stimmt übrigens, wie bereits erwähnt, die
Art des Maiens mit Tempera und darauffolgenden Fir-
nissen überein, ein Beweis, dass diese Technik durch
mindestens zwei Jahrhunderte in Uebung gebiieben ist.
Immerhin wäre es der Mühe wert, in aiten Queiien
nach Rezeptenreihen zu suchen, weiche dem Strassb.
Ms. ais Vortage gedient haben konnten.
Solche Reihenfoigen wie z. B.
(48) Jetzt folgen einige Artikel
wie man soiie machen gut ßn heifenbein,
ein Wasser der tugend und ein Trank der tugend,
zwei wasser die iuter sind ais ein brun und wenn
man sie under einander tut so werdent sie ais
geieyti milch,
wie man die Hiegen aiie wol bringen kann in einen
Kreis, die in dem huse sind.
Oder
(83) Foigt ein Artikei
wie man pappier machen soi noch besser den es
an im selber ist,
wie man aiies gestein schön und glantz boiieren kann
wie man gestein weich machen kann,
terebinthinum et destiiia per aiambicum (Destiüierkoi-
ben) aquam ardentem, quam impones cue appiicatur
candeia et ardebit ipsa. Wann jedoch dieses Destii-
iationsproduktzuerstinderMaierei Verwendung
fand, ist unbestimmt. Nach Eastiake, S. 247, ist unter
weissem Firnis (vernisium aibum), in Rechnungen vom
Ende des XIII. Jhs. erwähnt, Terpentinharz zu verstehen.
Wahrscheiniich ist damit aber ein Terpentinfirnis ge-
meint, denn die Oeiilrnise sind aiie mehr oder weniger
geib und braun.
wie man einen agstein macht,
wie man andren kiugen agstein soi machen,
wie man schön ßn heifenbein machen so!,
(89) Es foigt hier nun
wie man soi siiber und goid uff legen,
wie man goid uffiegen soi an aiien grund,
wie man gut assis machen soii zu goide und zu siiber,
wie man soi uff bermet schön erhaben goid machen,
uff was materien man goid und siiber iegen mag.
(90) Es foigt
wie man brun rotte varwe machen um mit ze ver-
wen uff ieder und uff iinin,
wie man schön vioivarw verwen kann garn und
iinis und ouch uff ieder,
wie man schön ßn grün bekommt,
wie man so! Horn weich machen etc.
müssten sich doch irgendwo wieder nachweisen iassen.
Da sich aber in keiner der zugängiichen iateinischen
Queiien diese seiben Reihen wiederhnden, muss ange-
nommen werden, dass zum mindesten dem ietzten,
III. Teii eine d eutsche Urschrift zu gründe gelegen
ist. Diese Urschrift scheint verloren gegangen zu sein,
oder beßndet sich noch irgendwo verborgen in einer
Bücherei.*)
Viei sicherer können wir beweisen, dass die Rezepte
des Strassburger Ms. (od. der Urschrift) in der Foigezeit
wieder seibst ais Vorbiid gedient hüben, und von Hand
*) In dem Kataiog der aitdeutschen Heideiberger
Handschriften von Bartsch (Heideiberg 1887) ßndet sich
ein Ms.: Pai. germ. 638 pap. XV. Jh., das in seiner
Inhaitsangabe eine gewisse Aehniichkeit mit dem Strassb.
Ms. zeigt. Es handeit von Bereitung verschiedener
Wasser zu technischen Zwecken, von Seifen, von „wassern
derTugend" usw.; etiicheNotizensind datiertvom J. 1438.
Nach diesen Angaben schien es, ais ob hier für unser
Ms. etwa ein Queiiennachweis zu ßnden gewesen wäre;
ich konnte aber nach Durchsicht der mir durch die
Bibiiothekdirektion übersandten Handschrift auch hierin
die Reihen der Rezepte nicht wiederßnden, denn das
Buch enthäit mit wenigen Ausnahmen medizinische An-
weisungen. Gieich das erste Rez. von den zwei Wassern,
die man untereinanderschüttet und schneeweiss wer-
den, hat Aehniichkeit mit der zweiten Anweisung von
48 des Strassb. Ms. Verschiedene von den „Wassern"
sind offenbar für Metaiiarbeit bestimmt. Ein Rez. (3a)
iehrt ,,goit wachsen zu machen" mit Taubenmist, star-
kem Essig und Goid, so dass aus 100 Drachmen 1000
des Goides werden! Es foigt ein „Goldgrund": wiidu
einen gutten goit grund machen so nym kryd vnd hönig
oder zucker gandei vnd verrieb dz uff einem Stein
vnderbinander gar kiein vnd wen es zu dick sey so
tue zucker gandei in Wasser und ruer es damit und
was damit geschriben mag da mit schrib es dann ieg
dz goit uff". Dieses Rez. hat mit den gieichen des
Strassb. Ms. viei Uebereinstimmung; die „Seiffen", die
das Heideiberger Ms. beschreibt, sind in der Fassung
ähnlich aber nicht wörtiieh gieich. Die,,Tugendwasser"
beziehen sich wieder auf medizinische Dinge, die für
uns kein weiteres Interesse haben. Das erste (27a) be-
schreibt die tugend, d. h. sovie! wie die innewohnende
Kraft der Natterhaut und darauf folgen wieder die zwei
„edien wissen iuteren wasser, dy grob tugend habend";
ais Kuriosum iasse ich den Anfang hier foigen: Diss
zw(ei) noch geschribne iuttere (iautere) wasser ais ein
prunne (Brunnen) vnd wan mans temperiert vndereinander
so werdend sy sne wiss (schneeweiss) vnd diseiben
zwey wasser habend manigeriey tugend; die erst tugend
ist wer sich da mit westreicht der unsawber ist an dem
Leib der wiert gesunt vnd woit er veit siech werden
er genist etc. (das Wasser besteht aus Satz, Weinstein
und Saimiak). Vergi. auch über die „Jungfernmilch"
im Abschnitt über die Van Eycktechnik.