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Koninklijke Nederlandse Oudheidkundige Bond [Editor]
Oudheidkundig jaarboek — 3. Ser. 1.1921

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Clemen, Paul: Denkmalpflege und Kunstverwaltung in neuem Deutschland in ihren Beziehungen zum Ausland
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https://doi.org/10.11588/diglit.19958#0035

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DEUTSCHLAND IN IHREN BEZIEHUNGEN ZUM AUSLAND

19

Höhe von Angeboten geblendet, die eben nur nach der jammerlichen Mark gerechnet,
hoch erscheinen können, und geschreckt durch die bevorstehende wahrhaft fürch-
terliche Steuerbelastung, werden sie von den allzu beredten Handlern überrumpelt,
und nicht nur der private Kunstbesitz ist in dieser Weise bedroht, auch die neuen
Privatmanner Mitteleuropas, die früheren regierenden Fürsten, sind dieser Ansteckung
ausgezetzt. Der Fall der Oldenburger Galerie ist hier in guter Erinnerung. Die Gross-
herzogliche Gemaldegalerie zu Oldenburg, aus einer schon 1804 von einem damaligen
Herzog angekauften Sammlung gebildet, befand sich seit 1866 in einem Neubau,
dem Augusteum. Sie ist nie anders als eine öffentliche Galerie angesehen worden,
wenn auch nicht als eine im Eigentum des Staates stehende. Aber zwischen ihr
und dem kunsthistorischen Hofmuseum in Wien bestand nur ein Unterschied der
Grosse. In ihrem Verhaltnis zum Hof und dem Herrscherhaus standen sie sich relativ
gleich. Nachdem eine Auseinandersetzung zwischen Regierung und Grossherzog
missglückt war, hat der Grossherzog selbst einen grossen, den materiell wertvollsten
Teil der Sammlung, die italienischen, vlamischen und hollandischen Werke, nach
Holland verbracht, wahrend die deutschen Kunstwerke zunachst im Lande verblieben
sind. Noch ist das Schicksal nicht entschieden, die Gefahr besteht noch weiter, dass
diese ganze Sammlung in den internationalen Handelsstrom kommt — und man
denke an dies gefahrliche Vorbild für die übrigen deutschen Sammlungen. Aber die
Gefahr ist ebenso gross bei den bürgerlichen und kirchlichen Gemeinden und bei
den sonstigen Körperschaften. Wenn sich eine Gemeinde in einer verzweifelten finan-
ziellen Lage befmdet, wenden sich ihre Blicke eben den ungenutzt und vielfach
vielleicht wenig beachteten Kunstschatzen zu, deren Verkauf die Not für kürzere
oder langere Zeit bannen könnte, genau wie in kleinerem Masstabe eine in Not
befindliche Familie eben schweren Herzens zuletzt zu dem kostbaren ererbten Kunst-
besitz als ausserstem Rettungsmittel greifen muss.

Die Lage der verschuldeten und verelendeten Mittelmachte ist heute eine
solche, dass mit dem grössten Teil des bisherigen Reichtums auch notwendig ein
grosser Teil des alten Kunstbesitzes verschwinden muss. Ueberall dort, wo dieser
Kunstbesitz bislang blosser Luxus war oder als Kapitalanlage galt, wird er zuerst
daran glauben müssen. In den beiden letzten Jahren sind schon ungeheuerliche Men-
gen des deutschen Kunstbesitzes zusammen mit mittlerem Ausstattungsgut in das
Ausland abgeflutet. Und dass es sich hier nicht nur um den privaten Besitz, sondern
auch um den staatlichen handelt, beweist der Fall Oesterreichs. Hier hatte im
Herbst 1919 die Regierung selbst gegen den vergeblichen Einspruch aller Akademien,
Hochschulen und aller hierbei beteiligten Korporationen den verhangnisvollen Plan
ausgearbeitet, staatliche Kunstwerke und Sammlungen allmahlich auf den Markt zu
bringen. Es war zunachst der Verkauf von folgenden Gruppen von Kunstwerken
beabsichtigt: des oesterreichischen Schatzes an Tapisserien und Gobelins, die fast
tausend Stück umfassen, eines Schatzes, der umfangreicher ist, als irgend einer in
Europa, noch weit grösser als der im Besitz des spanischen Königshauses; dann
der orientalischen Teppiche, des Schatzes an Silber, Geschirr und Porzellan von der
 
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