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Zweites Capitel.

Sockel in weißem Stuck eine Bekleidung mit bunt und etwas kleinlich profi-
lirten Marmorplatten nachgeahmt ist. Nicht ganz fehlt es an der Abwechse-
lung. welche durch das Nebeneinanderstehen von Bauten aus verschiedenen
Zeiten hervorgebracht wird. Zwischen den nur durch die Farben wirkenden,
in den Formen ganz vernachlässigten und unkünstlerischen Stuckfacaden der
Kaiserzeit begegnen wir den ernsten Quaderfacaden aus dem grauen Tuff von
Nocera, wie sie in der spätoskischen Zeit beliebt waren. Der Reiz der Farbe
ist hier verschmäht; der Stein erscheint in seiner natürlichen, unscheinbaren
Farbe ; dagegen finden wir hier schöne und reine griechische Formen, nament-
lich an den Thüren mit ihren durch korinthische Capitelle gekrönten, durch
ionisches Gebälk verbundenen Pilastern : bisweilen, wie an der casa clel Fauno,
ist die Thür durch einen einfach weißen Stucküberzug ausgezeichnet. Nur
einmal, an einem FTause der Mercurstraße (VI, 8, 20-—-22), finden wir eine
geschlossene Facade aus Tuffquadern : sonst ist überall die Facade aufgelöst
in Pfeiler von geringer Ausdehnung zwischen den Läden. Die nicht aus Tuff-
quadern bestehenden Facaden derselben Zeit waren einfach weiß.

Zu weiterer Belebung der Straßen trugen die zahlreichen Brunnen und
sonstigen kleinen Monumente bei, von denen weiterhin die Rede sein wird.

Ohne Zweifel hatten die Straßen ursprünglich eine gleichmäßigere Breite
als jetzt; dieselbe ist vielfach verändert worden, theils durch die Anlage öffent-
licher Gebäude, theils durch das eigenmächtige Vorrücken der Privathäuser,
deren Besitzer ihr Grundstück auf Kosten der Stadt vergrößerten. Es scheint
aber, dass die großen, die ganze Stadt durchschneidenden Hauptstraßen auf
26 bis 29 oskische Fuß (ä 0,275 M.) normirt waren. Die Nebenstraßen schwan-
ken je nach ihrer Wichtigkeit von 11 bis 23 Fuß, so dass es unmöglich ist, für
sie ein Normalmaß aufzustellen. Der mit polygonen Lavaplatten gepflasterte
Fahrdamm pflegt die Hälfte, und nach Bedürfniss mehr, der gesammten Breite
einzunehmen; die andere Hälfte kommt auf die erhöhten Fußwege.

Pflasterung und Theilung in Fahrweg und Trottoir waren sicher nicht
von Anfang an vorhanden. Wenn auch in manchen Beziehungen die gräci-
sirten Osker ihren römischen Siegern an Cultur überlegen waren, so dürfen
wir doch dies nicht auf die specifisch römische Kunst des Wegebaues ausdeh-
nen, müssen vielmehr annehmen, dass auf diesem Gebiete der Fortschritt von
Rom ausging. Und in Rom selbst ist die Pflasterung erst spät und allmählich
durchgeführt worden. Im Jahre 174 v. Chr. beschränkte man sich darauf, die
innerhalb der Stadt liegenden Strecken der großen Landstraßen und außerdem
den Aufgang zum Capitol zu pflastern, und als im Jahr 45 v. Chr. Cäsar seine
Städteordnung [lex Iulia municipalis) erließ, war offenbar die Pflasterung noch
keineswegs in der ganzen Stadt durchgeführt. Um die Zeit der Pflasterung
Pompejis zu bestimmen, haben wir nur einen Anhaltspunkt. Nämlich an zwei
Stellen, westlich der Insula IX, 4 (an der Stabianer Straße) und nördlich der
Insula IX, 2 finden wir in der senkrechten Fläche des Trottoirrandes die In-
schrift EX • K QVI , d. h. ex kcilendis Quinctilibus, »vom ersten Juli an«; und
zwischen Ins. VII, 2 und 4 steht in einem Lavastein des Pflasters die offenbar
gleichbedeutende Inschrift K-Q. Diese vermuthlich auf die Pflasterung be-
züglichen Inschriften beweisen jedenfalls, dass das Pflaster schon vorhanden
 
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