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532

Zweites Capitel. Die Plastik.

Zweites Capitel.

Die Plastik.

Es ist schon früher bemerkt worden, dass die Plastik in ihrer ganzen
Ausdehnung nicht eigentlich die Trägerin des Charakters der Kunst in Pom-
peji sei. Dennoch darf sie in diesen Betrachtungen nicht übergangen oder
vernachlässigt werden, und zwar aus mehr als einem Grunde. Erstens näm-
lich gehören ihre Werke doch nicht allein mit zu dem Ganzen dieser ver-
sunkenen kleinen Welt, sondern es finden sich unter denselben, wenn auch
nicht eben viele, so doch immerhin einige Stücke, welche als Muster in ihrer
Art eine eingehende Betrachtung erheischen und lohnen, und die allgemeinste
Aufmerksamkeit erregen würden , wenn sie auch nicht in Pompeji gefunden
wären, Stücke, welche sich, wo nicht dem Besten, das wir überhaupt von
antiker Kunst besitzen, jedenfalls dem Bessern anreihen, und welche sich
namentlich neben Allem, was das wesentlich vornehmere und an plastischen
Kunstwerken ungleich reichere Herculaneum hat zu Tage fördern lassen,
getrost sehn lassen können. Dazu kommt zweitens, dass die plastischen Monu-
mente aus Pompeji uns mancherlei lehren, was uns unser übriger Antiken-
besitz entweder gar nicht oder doch nicht in der Ausdehnung und Klarheit zu
lehren im Stande ist. Das gilt schon von manchen technischen Eigenthümlich-
keiten, wie z. B. von der Bemalung und Vergoldung der Statuen, welche an
den pompejaner Sculpturen vermöge der Art ihrer Erhaltung sich vollständiger
nachweisen lassen, als an den meisten übrigen Antiken : ganz besonders aber
tritt auch bei den plastischen Monumenten in Pompeji das Interesse in den
Vordergrund, welches, wie schon früher hervorgehoben wurde, allem Pompe-
janisehen seinen eigentümlichen Werth verleiht, das Bekanntsein der Be-
stimmung , der Aufstellung, der Zusammengehörigkeit mit Anderem. Die
Werke der Bildhauerei nehmen in unserer modernen Welt einen verhältniss-
mäßig so untergeordneten Platz ein, dass es denen, welche auf diesem Gebiete
nicht besondere Studien gemacht haben, schwer wird, sich ein richtiges Bild
von der ganz verschiedenen Stellung zu entwerfen, welche die Plastik in der
antiken Welt einnahm. Es ist uns freilich geläufig genug geworden, dass die
Alten einen überschwänglichen Reichthum plastischer Kunstwerke besaßen,
wohl wissen wir, dass manche kleine griechische Stadt mehr Statuen aufweisen
konnte, als viele unserer Hauptstädte, dass das kaiserliche Rom neben seiner
lebenden noch eine andere Bevölkerung von Stein und Erz hatte; allein so
wenig wie überhaupt erweckt in diesem Falle das Anhören von abstracten
großen Zahlen eine lebendige Vorstellung. Und wenn wir die Masse von
Sculpturen überblicken, welche als geringe Reste dessen, was einst vorhanden
war, zu Tausenden unsere Museen füllen, so mag uns das freilich vergegen-
wärtigen, wie groß der Reichthum der Alten gewesen ist, allein nun werden
wir andererseits nicht wissen, wo wir diesen Reichthum, der ja doch im
Alterthum nicht wie bei uns in Museen zusammengehäuft war, in der
lebendigen antiken Welt unterbringen sollen. Freilich wird der Gelehrte hier
wohl nicht in Verlegenheit gerathen ; die Bilder dessen, was an plastischen
 
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