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Drittes Capitel.

Drittes Capitel.

Die öffentlichen Gebäude.

Erster Abschnitt.

Die Tempel und Capellen.

Der Betrachtung der pompejanischen Tempel und Capellen werden wenig-
stens einige allgemeine Bemerkungen über Zweck und Bedeutung, Anlage,
Raumvertheilung und bauliche Construction in den verschiedenen Erschei-
nungsformen der Tempel, sowie über den an sie geknüpften Cultus voranzu-
senden sein, durch welche der Betrachtung der einzelnen Monumente größeres
Interesse und Leben verliehen werden wird. Und zwar ist hier von der grie-
chischen wie von der italischen Tempelanlage zu reden, weil wir neben der in
allen übrigen Tempeln von Pompeji hervortretenden italischen Bauform in
dem s. g. Tempel des Hercules, dessen Ruinen auf dem Forum trianguläre
stehn, ein Beispiel des griechischen Tempelbaus haben.

Der antike Tempel, ausgenommen etwa den Weihetempel, in welchem die
Mysterien gefeiert wurden, war nicht, wie die christliche Kirche, Versamm-
lungsort für die Gemeine, Bethaus für eine Menge Menschen, welche gemein-
samer Gottesdienst vereinigte, sondern seiner Grundbestimmung nach das
Haus des in seinem Bilde persönlich anwesend geglaubten Gottes und daher
sein Name im Griechischen »Naos« (das Haus), im Lateinischen aedis, gleich
dem griechischen Naos.

Aus dieser seiner Bestimmung folgt erstens, dass der eigentliche Tempel,
der Naos oder die Cella, selbst in den größten Gebäuden nie von einer solchen
Bedeutung im Maßstabe oder von einer solchen Anordnung der Räumlich-
keiten war, dass er viele Menschen fassen sollte oder konnte ; denn es gab bei
Griechen und Römern keinen Cultusact, welcher für die Theilnahme und
gleichzeitige Anwesenheit einer großen Menschenmenge im Tempel berechnet
gewesen wäre ; auch da wo an großen Festtagen der Tempel offen stand und
von vielen tausend Menschen besucht wurde, geschah doch der Besuch nur im
Zu- und Abgang. Die großen Festopfer und Festschmäuse, an denen das Volk
gemeinsam Theil nahm, wurden nicht im Tempel, sondern vor demselben ge-
halten, wo, wie dies auch die pompejaner Tempel zeigen, mit noch nicht genau
übersehbaren und bestimmbaren Ausnahmen, die Brandopferaltäre standen,
während in der Cella sich nur Speiseopfertische oder Altäre für unblutige
Opfer, Früchte, Kuchen und Räucherwerk, befanden.

Aus demselben Grundprincip folgt zweitens, dass bei einer Erweiterung
und Vergrößerung des Heiligthums es nicht sowohl auf ein Hinausrücken der
Wände ankam, als vielmehr darauf, die zum äußern Schmuck der Cella be-
stimmten Bautheile zu erweitern und zu vermannigfachen.

Und drittens ergiebt sich aus demselben Grundprincip, was schon in dem
eben Gesagten mitenthalten ist, dass hei dem antiken Tempel der nach außen
gewendete Schmuck der Architektur und der mit ihr verbundenen Schwester-
 
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