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Die öffentlichen Gebäude. Das kleine Theater.

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erwähnte Annahme, dass das eine Tribunal dem spielgebenden Beamten, das
andere aber den öffentlichen Priesterinnen reservirt war, wird durch den ganz
gesonderten Eingang noch wahrscheinlicher.

Die in der Mitte und links von der Bühne fast vollständig erhaltenen Sitz-
stufen unterscheiden sich von denen des großen Theaters durch Material und
Form. Sie bestehen aus Mauerwerk, nur oben mit einer 0,21 M. dicken Tuff-
platte bedeckt. Trotz diesem bescheidenem Material sind sie so gut wie die
Marmorstufen des großen Theaters lange vor der Aufdeckung großentheils
fortgeholt worden. Der nebenstehende Querdurchschnitt
zweier Stufen, mit Angabe der Maße, zeigt, Avie der Platz
für die Füße des Hintermannes gegen den eigentlichen
Sitz etAvas vertieft ist, wodurch die Kleider vor Be-
schmutzung geschützt wurden, Avas um so nothwendiger
war, da man das Theater durchaus in Aveißem Anzuge zu jqg. ioi. Sitzstufen,
besuchen pflegte, mit Ausnahme des niedern Volkes der

summa cavea. Übrigens brachte man sich entweder Sitzkissen mit oder faltete
einen Mantel als Polster zusammen; denn bloße Steinstufen würden bei der
Dauer der Aufführungen auch dem eifrigsten Theaterbesucher die Lust ver-
dorben haben. Auch das vordere Profil diente nicht nur dem gefälligem Anblick,
sondern zugleich der Bequemlichkeit, indem es ermöglichte, die Füße etwas
zurück zu setzen. Die Zahl der Zuschauer, Avelche hier Platz finden konnten,
hat man auf 1 500 berechnet. Die Treppen und die untersten, breiten Stufen
sind aus Lava.

Die Orchestra ist, der römischen Sitte entsprechend, nicht unbeträchtlich
kleiner als die des großen Theaters, Avenn sie auch den von Vitruv vorgeschrie-
benen Halbkreis nicht unbeträchtlich überschreitet. Durch den Duumvirn
M. Oculatius Verus wurde sie mit mehrfarbigen Marmorplatten (Giallo und
Africano) belegt; die bezügliche, mit großen Bronzebuchstaben in den Streifen,
Avelcher die Sehne der untersten Cavea bildet, eingelegte Inschrift [M. Ocula-
latius M. f. Verus Ilvir pro ludis) ist im Jahre 1816 theilweise geraubt und
falsch hergestellt worden, so dass jetzt Olconius statt Oculatius dasteht. Pro
ludis bedeutet, dass M. Oculatius statt der von ihm zu veranstaltenden Spiele
diese Verschönerung ausführen ließ.

Die Mauer der Seena ist, im Gegensatz zu der reichen architektonischen
Entwickelung des großen Theaters, ganz glatt und war nur durch Malerei, von
der Reste gefunden sein sollen, decorirt; außer den gewöhnlichen drei Thüren
hatte sie noch zwei kleinere \d), Avelche jedoch schon im Alterthum vermauert
wurden. Auch hier ist die Bühne außerdem durch zwei AAreite Seitenthüren 6
zugänglich, deren eine vergittert auf Fig. 98 sichtbar ist. Auffallend ist es,
dass das Postscenium nicht weniger als sechs Thüren hat: eine [D) aus der
das Theater von der Stabianer Straße trennenden Säulenhalle, vier (e) aus dem
von dieser Straße zur Gladiatorenkaserne führenden Wege, eine [JD') ans der
kleinen Säulenhalle F, Avelche übrigens zur Gladiatorenkaserne gehört und
älter ist als das Theater.

Die Substructionen des Bühnengebäudes sind hier sehr einfach ; auf den
vorspringenden Fundamenten der Scenawand sieht man hier deutlich die
 
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