Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
562

Zweites Capitel. Die Plastik.

dass irgend ein pompejaner Monnment von echt altertümlichem Stile sei, ist
nicht anzunehmen. In erster Reihe kommt hier die Artemis Fig. 281 in Frage.
Es ist wahr, dass die Merkmale der Nachahmung des altertümlichen Stiles
grade hei dieser Statue weniger fühlbar und augenfällig hervortreten, als hei
manchen anderen archaistischen Arbeiten, und dass man grade sie eher, als
manche andere für ein Originalwerk alter Kunst halten könnte, dessen Auf-
findung in Pompeji dann eine ganz besondere Merkwürdigkeit sein würde.
Allein vorhanden sind gewisse derartige Kennzeichen dennoch, und man wird
sicherer gehn, wenn man auch diese Statue für archaistisch (d. h. nachgeahmt
altertümlich), als wenn man sie für archaisch (echt alt) hält236). Ihr gesellt sich
am nächsten die Statuette einer s. g. Venus Proserpina (ahgeb. Mus. Horb.
IV, 54), hei der aber keinerlei Zweifel sein kann, dass sie kein archaisches
Originalwerk sei, und ferner kommen ein paar marmorne Oscillen mit Relief
in Betracht (oben Fig. 277, vgl. Mus. Borb. X, 15 und 16), deren erstes
in sehr bestimmter Weise nachgeahmt altertümlich ist, während die Reliefe
des zweiten Oscillum eigentlich nur noch Spuren altertümlicher Formbe-
handlung zeigen , welche der absichtlich so arbeitenden Hand eines späten
Künstlers zuzuschreiben gewiss nichts im Wege steht. Wenn endlich Einige
in der Gruppe des Dionysos und seines Satyrn (Fig. 283 b) ebenfalls Spuren
des Archaismus haben erkennen wollen , so ist ihnen durchaus nicht beizu-
stimmen; was hier steif und beschränkt ist, kommt auf Rechnung spätem
Ungeschicks, nicht auf diejenige früher Gebundenheit in der Formgebung.
Gegenüber diesen archaistischen Sculpturen entsteht nun die Frage nach
ihrer wahrscheinlichen Periode. Es ist Thatsache, dass die Nachahmung
älterer Kunst, des, wenn man so sagen darf, kirchlichen Stils , in Griechen-
land ziemlich früh begonnen und nicht unbeträchtliche Ausdehnung ange-
nommen hat; nicht minder aber ist bekannt, dass bei weitem die größte
Mehrzahl archaistischer Werke, die wir besitzen, aus der römischen Kaiser-
zeit stammt, in welcher besonders Augustus und später wiederum Hadrian
eine starke Liebhaberei für die Werke der alterthümlichen Kunst besaßen,
welche natürlich von allen denen getheilt wurde, die irgendwie Hofluft
athmeten oder mit den tonangebenden Kreisen in Verbindung standen. Echt
alterthümliche Kunstwerke sich anzuschaffen war aber nicht Jedermanns
Sache, und so erwuchs eine nicht unbeträchtliche Fabrikation der Nach-
ahmung. Dieser und damit der augusteischen und nachaugusteischen Epoche
nun auch die pompejaner archaistischen Arbeiten zuzuweisen, wird schwer-
lich etwas Wesentliches im Wege stehn.

Auf den ersten Blick möchte es scheinen. als sei auch der bronzene
Apollon Fig. 282 einfach unter die Zahl der archaistischen Werke zu rechnen,
da bei ihm allerdings gewisse Züge eines Strebens nach alterthümlicher
Strenge hervortreten. Allein diese Statue wird mit gutem Bedacht erst hier
und gesondert von anderen aufgeführt; denn sie ist ein kunstgeschichtlich
sehr merkwürdiges Stück und geht wahrscheinlich nebst einigen anderen ihr
mehrfach verwandten Statuen auf die unteritalische Schule des Pasiteles
zurück, dessen Hauptthätigkeit in die Zeit des Pompejus fällt, und dessen
Charakter durch große Sorgfalt einerseits und gelehrtes Studium und Nach-
 
Annotationen