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Drittes Capitel. Die Malerei.

führen g, so bestimmt die beleuchtete und die im Schatten liegende Seite her-
vorgehoben , auch der Schlagschatten, wenngleich nicht in allen Bildern,
angegeben ist, bat, wenn man von dem Unterweltsbild in der Folge der
esquilinischen Odysseelandschaften absieht, stets etwas Neutrales, Allgemeines
und wohl niemals etwas bewusst Stimmungsvolles, wie denn auch Mondschein-
landschaften völlig unerhört sind. Dagegen wird man in Betreff der Ent-
wickelung des Terrains, der Vegetation, des Zusammenwirkens von Land und
Wasser, der Übereinstimmung der Landschaft mit der Staffage in s. g. histo-
rischen Landschaften, am vollkommensten in den Odysseebildern, endlich der
landschaftlichen Hintergründe historischer Bilder mit den menschlichen Hand-
lungen kaum von grundsätzlichen, sondern eigentlich nur von gradweisen
Unterschieden der antiken von der modernen Landschaftsmalerei reden kön-
nen. Damit aber, dass die antike Landschaftsmalerei überwiegend oder allein
auf das topographische und plastische Element der Landschaft, auf die For-
men des Terrains und der Vegetation gerichtet war, hangt es zusammen, dass
so ziemlich alle antiken Landschaften wie von einem sehr hohen Standpunkt
aus aufgenommen scheinen, von dem ans sich die Gegend übersichtlicher und
weiter in ihrer Gestaltung entwickeln lässt, als von einem tiefem, während
bei diesem die Lufttöne und die Wirkungen der Beleuchtung mehr zur Geltung
kommen und wesentlicher werden, als bei jenem. Was aber die pompejaner
Landschaften betrifft, deren in erster Linie decorativen Zweck man niemals
vergessen darf, so muss man sich in die flüchtig und mangelhaft ausgedrückten
Absichten und Gedanken des Künstlers hineindenken, um auch aus ihnen
beurteilen zu können, in wie fern den Alten die Landschaftsmalerei aufge-
gangen war, in wie fern nicht. Allerdings kann man, um dies noch ein Mal
hervorzuheben, aus den wenigsten pompejaner Landschaftsbildern erkennen,
welchen Grad eines liebevollen und hingegebenen Studiums der unorganischen
Natur im Terrain und der Vegetation die antiken Künstler besaßen. Und wenn
sich nicht läugnen lässt, dass die pompejanische Landschaftsmalerei sich inner-
halb eines gewissen und nicht sehr weiten Kreises der Gesammtgattung hält,
so wird man dies, soweit wir bisher zu einem Urteil berechtigt sind, wohl von
der gesammten antiken Landschaft anzuerkennen haben. Denn so wenig wie
ein stimmungsvoll beleuchtetes wird sich wohl jemals ein antikes Landschafts-
bild finden, welches die Natur in ihrer Abgeschlossenheit in sich, schwerlich
eines, welches sie uns so zeigt, wie sie das moderne, aber ganz besonders das
nordische Gemüth am tiefsten ergreift, so wie sie ist, »wo der Mensch nicht
hinkommt mit seiner Qual«. Aber so fasste nicht allein der in glücklicher
Sinnlichkeit leichter als wir lebende antike Mensch die Natur nicht auf, von
einer solchen sentimentalen Anschauung weiß auch der heutige Südländer
nichts. Dem modernen Südländer ist und dem Alten war in noch ungleich
höherem Maße die Natur der Schauplatz des menschlichen Thuns und Treibens,
der Schauplatz, dessen Behaglichkeit, Schönheit, Großartigkeit er wohl zu
schätzen weiß, den er aber nicht außer Beziehung zu sich selbst aufzufassen
versteht. Und deshalb setzt nicht allein die antike Landschaftsmalerei die
Natur stets in unmittelbare Beziehung zum Menschen und seinem Thun und
Treiben, seiner Freude und seinem Leid, sei dies in genrehaft idyllischer, sei
 
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