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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1867

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No. 90-103 (1. August - 31. August)
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| ſeitvem die Cholera, die Hinterlaſssenschaft einiger norddeutscher

Contingente, in unserer Gegend hauſte, die bekanntlich in der
hiesigen Gemeinde ungemein viele und ſchwere Opfer forderte. Mit

der wiederkehrenden Jahreszeit tritt auch die Angst, der Jammer
und das Elend jener Tage wieder lebhaft vor unsere Seele, und
so oft die Glocke geläutet wird, die damals mehrere Tage lang
täglich 14 – 15 mal in unserer kleinen Gemeinde verkündete, daß
wieder Einer oder Eine vom Würgengel erdrückt worden iſt, er-
faßt die Einzelnen unwillkührlicher Schauder. Daß die Familien,
welche am ſchwerſten betroffen wurden, gerade jezt ihre Verluste
am schmerzlichſten emfinden, läßt sich leicht denken.

Zur dankbaren Erinnerung an die als Opfer der Cholera
hier gefallene barmherzige Schweſter Luciana Grathwohl, die
mit noch einer anderen Schwester die Kranken pflegte, ſowie zum
Andenken an jene Zeit überhaupt, wurde vor Kurzem auf hiesigem
Gottesacker ein prächtiges Denkmal errichtet, hervorgegangen aus
der Hand des Bildhauers Herrn Valentin Häuſler jun. in Würz-
burg. Wir machen auf dieſen Künſtler aufmerkſam und können
ihn in jeder Hinsicht beſtens empfehlen. Ein weiteres Denkmal,
welches durch die Cholera veranlaßt, hier errichtet wurde, ist eine
Stiftung, zufolge welcher für ewige Zeiten täglich Mittags 4 Uhr
ein Zeichen mit der Glocke gegeben wird, um die Bewohner an
jene Tage der Heimſuchung zu erinnern und zu entsprechendem
Gebete aufzufordern. Krieg und Cholera brachten uns zwar viel
Leid, dennoch aber wollen wir dem Himmel dankbar sein, wenn
der Krieg ebenso gute Früchte tragen wird für das deutsche Va-
terland, als die Cholera hier bereits getragen hat und noch
trägt.

/.. Königheim, 20. August. Reich an Festlichkeiten war
die vergangene Woche für die hieſige Gemeinde. Sonntag den
11. d.. Mts. feierte nämlich der hochw. Herr Neupriesſter Karl
Faulhaber sein erſtes hl. Meßopfer. Groß war die Theilnahme
an dieſer hl. Handlung, so daß ſchon vor der zur Feier bestimm-
ten Stunde die Räume des hiesigen ſchönen Gotteshauſes angefüllt
waren von Menſchen. Eine gediegene Feſtpredigt, gehalten von
dem geiſtl. Lehramtspraktikanten Dr. Rückert und die hiesige treff-
liche Kirchenmusik erhöhten besonders die Feier dieſes Tages. An
demſelben Tage erfolgte dann noch durch den hochw. Neuprieſster
die Einsegnung dreier Jubelehepaare (wovon 2 Paare mit dem
Primizianten verwandt ſind). Alle drei Paare, unter denen ein
Veteran des Armeecorps sich beſindet, erfreuen sich noch einer
guten Gesundheit. Ein Ates Jubelehepaar konnte wegen Krantheit
nicht an dieser Feſtlichkeit Theil nehmen.

An Mariä Himmelfahrt hielt ſodann ein anderer Neupriester
von hier sein erſtes hl. Meßopfer, nämlich Herr Aloys Keim.
Die Theilnahme war wieder äußerſt groß, der Doppelfeſttag für
das Herz erhebend. – Solche Feste ſind immer von großem Ein-
fluße auf das chriſtlich. religiöse Gefühl und Gesinnung einer Ge-
meinde; das zeigt ſich hier besonders in dem Umſtande, daß Viele
dem geiſtlichen Stande ſich widmen und gewidmet haben, indem aus
hiesiger Gemeinde nunmehr 12 Geiſtliche in der Paſtoration sind.
Auch von denjenigen Studenten, die eben auf der Universität sind,
oder dieses Jahr zum Fachſtudium vom Lyceutn entlaſſen wurden,
werden sich wieder einige der Theologie widmen. Möchten diese
Jeſte auch dazu beigetragen haben, das Band der Liebe zwiſchen
dem chriſtlichen Volk und ſeinen Prieſtern recht innig zu knüpfen
und sfeſt zu erhalten!

_ L. Waibstadt. Die kath. Kirche hat zu allen Zeiten ſehr
viel im Gebiete der Kunst und Wissenſchaft geleistet. Dies be-
weiſen hinlänglich sowohl die vielen Gelehrten die aus ihrem
Schooße hervorgingen, als auch die riesenartigen Bauwerke die sie

îervorbrachte. Auch. in unserem schönen Vaterlande wurde, nament-

lich in neuerer Zeit, Großes und Erhabenes in der kirchlichen
Baukunſt geleistet.

Unter anderen schönen Kirchen, die in neuester Zeit vollendet
wurden, verdient auch die in Waibstadt genannt zu werden. Die
Kirche iſt in gothischem Style gebaut und faßt nach Berechnung
gegen 3000 Menſchen. Die prachtvoll gemalten Fenster des Chors
und Langhauses wurden in Heidelberg gemacht. Der 190. . hohe
Thurm ist ganz von Quadern gebaut und kann als eine Rach:
ahmung des Freiburger Münſterthurms betrachtet werden. Die
Uhr iſt von Herrn Lachmann in Raſtatt gefertigt. Unter den
4 ziemlich großen Glocken verdient besonders die größte betrachtet
zu werden, da sie sowohl sehr alt als auch von ziemlich bedeuten-
dem Geywicht iſt (18 Cent.). Jn der Inschrift ließt man die Zahl
1406 nebſt folgender Schrift : „Bernhard Lachmann goß mich, zu
unserer Frauen Ehr läut ich.“ Das Jnnere der Kirche, die Aus-
ſchmückung iſt noch nicht vollendet. Die Einweihung durch den
hochw. Hrn. Biſchof von Würzburg ist auf das allgemeine Kirch-
weihfeſt (3. Sonntag im Adv.) feſtgesſett. Es wäre ſehr wünſchens-
werth, vaß mit der Einweihung eine Mission oder Firmung ver-
bunden vrürde, allein es wurden dafür noch keine Schritte gethan.

+ Steinsfurth, 19. Aug. Am Mariä Himmelfahrtstag
war der hieſige kathol. Männerverein mit noch mehreren Bürgern
von Dühren, Rohrbach, Reihen und einem großen Theil andrer
Bürger von hier im Baſthaus zum Ochsen verſammelt, so daß die



..

ganze Versammlung gegen 90 Theilnehmer zählte. Herr Stadt-
Pfarrer Rochels von Sinsheim präsidirte und lobte mit bekannter
Rednergabe das kathol. Vereinsleben, ebenso sprach Hr. Pfarrer

Wiese von hier in treffender Rede. Bürger von Sinsheim referir-
ten über das schöne Einweihungsfeſt des kath. Vereinshauſes in
Heidelberg und die dort gehaltenen Reden und reihten daran die Auf-
forderung zur Gründung neuer Vereine. Hr. H. Ganser von hier
sprach in eingehender Weiſe, wie der ſchlechten Preſſe entgegenzuwir-
ken sei und wie man es anfangen müsse, um dieselbe aus katho-
liſchen Häuſern zu verbannen und an deren Stelle unseren braven
kathol. Blättern größeren Eingang zu verschaffen, die mit so vielen
Opfern die Rechte der Katholiken vertheidigen. q

Auch verſchiedene Toaſte wurden ausgebracht, insbesondere
auf S. Heiligkeit Papſt Pius, auf S. K. H. den Großherzog und
S. Excellenz den hochw. Herrn Erzbischof. Die Versammlung unter-
hielt sich mit Reden und Gesang bis Abends 9 Uhr, wo dann
Alle in brüderlicher Liebe und Eintracht unter Händedrücken von
einander schieden, mit dem Wunſch, eine weitere Zuſammenkunft
bald wieder zu veranſtalten. P

>< Bruchſal, 19. Auguſt. Die Wahl eines Abgeordneten
für hieſige Stadt war auf heute anberaumt. Auf Seite der ſo-
genannten national liberalen Partei herrſchte ſeit mehreren Tagen
große Rührigkeit, denn es galt den „Schwarzen“ gegenüber den
erfochtenen Sieg äußerſt brillant darzuſtelen. Der große und
schöne Fortunaſaal, wo der neue national-liberale Bürgerverein
bisher die Tagesfragen erledigte, genügte nicht mehr für das
Zweckeſſen zu Ehren des 19. Auguſt, wo bei Champagner und
Rehbraten der auserkorene Abgeordnete Advocat Ree von Frei-
burg gefeiert werden sollte, darum erbat man ſich an hoher Stelle
in Karlsruhe die Ueberlaſſung des Großh. Schloſſes dahier, und
dem Begehren wurde entſprochen.

Die einſamen und öden Gemächer des vormaligen fürſtbiſchöfſen.

lichen Residenzſchloſſes verwandelten sich unter der Geſchäftigkeit
national-liberaler Hände in reichlich geſchmückte Salons und ein
Rieseneſſen mit einigen hunder1l Gedecken wurde vorbereitet.

Das prächtige Schloß sollte vor ſeiner Umwandlung in die.

Heil- und Pflegeanstalt seinen Schwanengeſang feiern. Duftende
Speiſen sollten mit ihren Wohlgerüchen die Heiten vergangener
Größe wachrufen ; goldene Weine ſollten die Toaſte und Lieder
auf Kleindeutſchland versüßen und durch die weiten Hallen ſollte
der Ruf erſchallen: Victoria! Victonſal

Doch, um zur nüchternen Proſa zurückzukehren ~ ein altes
Sprüchwort sagt : „Die Haut nicht eher feil zu bieten, als bis
man ſchon den Bären hat.“

Im Watllocale blieben von den 32 Wahlmännern mehr
als '/4 aus und es konnte somit die Abgeordnetenwahl nach g 69
der Wahlordnung nicht vor sich gehen. Bei obwaltenden Umſtän-
den blieb den Nationalliberalen nichts übrig, als troßdem das
veranſtaltete Rieſenzweckeſſen vor ſich gehen zu laſſen, was. jeden-
falls unter die neueſten Erſcheinungen des conſtitutionellen Lebens
eingereiht zu werden verdient.

In einem Aufruf vom 28. Juli d. J. sagte das Comité des
neuen Bürgervereins : „Ein unheilvoller Riß geht ſchon ſeit ge-
rnamer Zeit durch unſer ſtädtiſches Leben. Wahrlich wir beklagen
es tief! Wir hoffen aber, daß die Zeit, die Alles heilt, auch die-
ſen Riß bald heilen wird.“ '

Ganz schön geſagt. Allein die national:liberalen Herrn ver-
geſſen leider gar zu bald ihrer Rede und durch die Herbeiziehung
des Großh. Schloſſes in die Wahlbewegung und durch die veran-
ſtaltete herausfordernde Feier des 19. Auguſtes haben sie ſelbſt
zu der in Aussicht geſtellen Schließung des Riſses ein großes
Fragezeichen hinzugefügt. ~. ;

H Bruchſal, 20. Aug. Ihr Berichterſtatter über die Wahl-
männerwahl unſerer Stadt hat ſich nicht eingelaſſen den Verlauf
derſelben in's Einzelne zu ſchildern*) und gewiß iſt unter dem
Vorgefallenen Manches intereſſant genug, daß es verdient auch
auch außerhalb unserer Mauern bekannt zu werden. –~ Mein
Name bürgt Ihnen dafür , daß ich ein geborener Bruchsaler und
damit berufen bin in der Sache mitzuſprechen, ja ich halte mich
hiezu weit mehr berechtiget als der „Kraichgauer“ und sein „Bauer,
die nur für ſich allein das Wort haben möchten. –~ Alſo Einiges
aus unſerer viertägigen Wahlſchlacht. – Gleich beim erſten Tref-
fen, bei der Wahl für den I. Bezirk (Residenz), wurde von der
sogenannten „rothen“/**) Partei oder von der „@liberalen“, wie
ſie ſich selber nennen, ein Hilfscorps herbeigezogen, das anderwärts
nicht auf die Wahlstätie bürgerlichen Kampfes, wo es auf Stimm-
zettel gilt, gerufen zu werden pflegt. Es betheiligten sich nämlich,
nach dem im Kraichgauboten Nr. 89 erſchienenen Aufrufe, nicht
allein Offiziere und Militärbeamte an der Wahl, sondern sogar
gegen 70 Mann niederer Charge. Natürlich auf Commando



*) Mie die andre Correſpondenz aus Bruchsal beweiſt , iſt dies gleichwohl
der Fall, indesen konnten wir den Bericht wegen überhäuften Stoffes nicht
ſofort veröffentlichen. D. Red.

**) Wie mag man von q,rother“ Partei hier reden ! Die Rothen würden
sich bedanken, mit den „Schwarz-Weißen“ verwechſelt zu werden. Man muß
Ute [es. ws nie "Ôt:? mehr nennen als die „Schwarz-Weißen“ oder

té „Ssrvilen.“ D. Red.
 
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