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Die Etagenperücke phönikisch; die Rhodier als Vermittler 159
aus Phönikien übernommen wird und sich sehr weit verbreitet, überall die alten Flechten
ablösend. Dann muß aber die Möglichkeit offen gelassen werden, daß die bildlichen Dar-
stellungen dieser Haarmode unabhängig von einander an verschiedenen Orten entstehen konn-
ten, und so scheint es in der Tat wenigstens in Etrurien der Fall zu sein, denn die beiden ge-
nannten Kessel der Bernardini-Barberinigräber sind durchaus stilreine Imitationen phönikischer
Vorbilder, ohne Einmischung griechischer Elemente. Ebenso sieht die böotische Frauenfigur
Abb. 171 bei den vertieften Augenbrauen und der klaren Einschnürung der Haare durch
Binden entschieden aus wie eine direkte plumpe Nachbildung eines phönikischen Vorbildes.
Auch die kretische Gruppe könnte autochthon sein; der Stabhut der Sphinx Abb. 173 ist echt
syrisch, und schon der Zeus des bekannten Schildes aus der idäischen Höhle hat eine der
Etagenperücke verwandte Haartracht.1)
Bemerkenswert sind jedoch zwei Dinge. Die Etagenperücke kommt, so weit wir wissen,
nicht im eigentlichen ionischen Gebiet vor. Sie fehlt bei den Figuren aus den tiefen Schichten
unter dem Artemision mit der einzigen Ausnahme der Büchse Abb. 160, die mit den rhodischen
Goldblechen verwandt ist und ganz wohl aus Rhodos importiert sein könnte. Auch der Gold-
schmuck aus Aidin (XXXI) gehört technisch wie formell nach Rhodos hin. Ferner fehlt die
Etagenperücke durchaus bei den Figuren auf den ionischen Vasen.
Dagegen genügt ein flüchtiger Blick auf die von uns gebildete Liste um zu erkennen,
ein wie ungeheueres Kontingent Rhodos geliefert hat, und wie diese Perücke auf rhodischen
Goldblechen, rhodischen Vasen und in rhodischen Terrakotten immer wieder auftritt. Be-
sonders das Vorkommen der Perücke auf den altrhodischen Vasen, deren Abhängkeit von
den phönikischen Vorbildern wir oben nachgewiesen haben, und die Kombination dieser
Haartracht mit dem Motiv der Frau im Fenster in noch ganz phönikischer Formengebung
(Abb. 165) sind schwerwiegende Momente für die Ansicht, daß die Rhodier diese Haartracht
direkt von den Phönikern übernommen und bildlich fixiert haben. Dazu stimmen auch die
Zeitverhältnisse, denn auf Rhodos finden wir schon die Etagenperücke auf den rhodischen
Vasen der älteren Gattung und auf Goldblechen, deren Sphinxe noch gerade Flügel tragen.2)
Wir legen dabei besonders auf die Vasen großes Gewicht, denn, wie oben S. 145 erwiesen,
hat die Sphinx eines jüngeren rhodischen Goldbleches noch die geraden Flügel bewahrt, wo-
durch die Beobachtung von dem Konservatismus der rhodischen Metallarbeiter im Vergleich
zu den rhodischen Vasenmalern, die wir oben (S. 91) bei der Behandlung der Tyskiewicz-
schale machten, nochmals bestätigt wird. Auch im Mittelalter bewahrten ja die Goldschmiede
neben den Glasmalern die alte romanische Ornamentik weit in die gotische Periode herein,
als Steinmetzen und Schreiner sie schon längst aufgegeben hatten. Es steht der Ansicht
nichts im Wege die ersten Anfänge der Etagenperücke auf Rhodos noch ins VIII. Jahrh. zu
verlegen, während die eigentliche Blütezeit, wie die gesicherten Fundumstände der Gold-
bleche nr. X—XI zeigen, nach der Mitte des VII. Jahrh. fällt. Daß die melische Vasengruppe
ebenfalls unter rhodischem Einfluß steht, haben wir oben (S. 90) wenigstens für die Näpfe
erwiesen, und so scheint die Perücke der Sirenen der melischen Scherbe Abb. 163 auch nur
eine rohe Kopie nach einem rhodischen Vorbild zu sein. Der Verbreitung im einzelnen nach-
zugehen, vermögen wir bei der noch primitiven Formengebung in der damaligen Kunst nicht.
Aber das Einheitliche in der Kunst dieser Zeit verrät sich z. B. in der Übereinstimmung der
Komposition zwischen dem Relief des lykischen Grabbaues (Abb. 180) und der spartanischen

1) Maraghiannis-Karo: Antiquites cretoises I Taf. XL.
2) Vgl. oben nr. XVIII und XXV und Abb. 166—167.
 
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