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Poulsen, Frederik
Der Orient und die frühgriechische Kunst: mit 197 Abbildungen — Leipzig, Berlin: Druck und Verlag von B.G. Teubner, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.52590#0174
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Elftes Kapitel. Die Figuren mit der Etagenperücke

Elfenbeingruppe (Abb. 181). Bei der Verbreitung der Etagenperücke in der jüngeren Form
nach Italien, von anderen griechischen Stilelementen begleitet, wie sie das Relief Abb. 162
zeigt, mögen die Rhodier ebenfalls einen großen Anteil gehabt haben. Wenigstens finden
wir in Italien vielfach Nachahmungen in Buccheroton von Opferschalen, welche durch Frauen-
figuren getragen werden1), ganz in der Art der rhodischen nr. XIX, und ein etruskischer
Kentaur mit Etagenperücke2 3) zeigt auffällige Verwandtschaft mit den Kentauren der rhodischen
Goldbleche nr. XXVII. Ein Kentaur in badehosenartigem Kostüm wie diese letzteren ist ferner
eingeritzt auf einer etruskischen Vase aus Narce.8)
Zum Schluß sei noch auf ein Detail aufmerksam gemacht, das für die frühgriechische
Kunst von höchstem Interesse ist, nämlich auf die an den Schenkeln anliegenden, geschlos-
senen Hände der Bronzefiguren nr. XXXVIII, XL, XLI. In der primitiven, griechischen Kunst,
die durch zahlreiche, kleine Denkmäler in diesem Buch illustriert ist4), liegen die Hände
flach ausgebreitet an den Schenkeln an, und so ist es vereinzelt noch der Fall im VI. Jahrh.,
z. B. bei der Frauenfigur von samischem Typus aus Ephesus, die wir oben (S. 106) besprochen
haben, ferner bei ihrem männlichen Verwandten, einem Bronzeapollon in Stockholm5), bei
den auf dem Bronzewagen von Monteleone abgebildeten Apollines6 *), bei der unten zu be-
sprechenden Frauenfigur von Auxerre u. a. Man pflegt die geschlossene Haltung der Hände,
die wir bei unserer jetzigen Kenntnis der frühgriechischen Skulptur unmöglich für autochthon
halten können, aus der ägyptischen Kunst herzuleiten’), und was entschieden dafür spricht,
ist das Vorkommen dieser Haltung der Hände schon bei einer sehr primitiven Apollofigur aus
Naukratis, während ein damit verwandter, rhodischer Kuros noch die altgriechischen,
flach anliegenden Hände hat.8) Ich glaube auch, daß der Sieg dieser Geste der geschlossenen,
seitlich anliegenden Hände durch den frischen Strom direkten ägyptischen Einflußes seit dem
Ende des VII. Jahrh. veranlaßt wird, und die naukrati tisch en Kleinfiguren können diese Ansicht
nur stärken9) Aber es ist doch nicht ausgeschlossen, daß phönikische Kleinfiguren von
ägyptischem Typus die ersten Vorbilder gewesen sein könnten, wie Pottier vermutete10), wenn
wir schon unter den Figuren des VII. Jahrh. und zwar frühestens bei der rhodischen Alabas-
tronfigur Abb. 94 diese spezifisch ägyptische Haltung der Hände vorgebildet finden.

1) Pottier: Vases du Louvre I Tat. 27—28, C 657—659 und 664. de Ridder: Catal. des vases peints
de la bibl. nat. I Tat III nr. 152. Alvarez-Ossorio: Vasos griegos en el Museo Arqueologico Nacional.
Madrid 1910. Tat. XLVI nr. 10846.
2) Monumenti II Taf. 29,11 (= Reinach: Rep. de la stat. II 692. 1).
3) Monumenti antichi dei Lincei IV 1895 S. 290 Fig. 146.
4) Vgl. in diesem Kapitel Abb. 154, 164, 168 und XXXI.
5) H. Brising: Antik Konst i Nationalmuseet i Stockholm Taf. XIV. Die weibliche Ephesusfigur, Hogarth:
Excavations at Ephesus Taf. XIV.
6) Brunn-Bruckmann Taf. 586. 7) Zusammenfassend Deonna: Apollons S. 25 ff.
8) Vgl. Deonna nr. 135, S. 232 Fig. 157—8 und nr. 148, S. 243 Fig. 168—9.
9) Naukratis I Taf. I 3, 4, 9 und Taf. II 1, 17.
10) Bull, de corr. hell. 1894 S. 408 ff. Vgl. oben Abb. 23.
 
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