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1. Einleitung
Phänomen oder lediglich um eine unter Pippins Sohn erstmals belegte Erschei-
nung handelt.
Das Königskapitular selbst enthält keinerlei Formulierungen, die explizit
den Konsens der Beteiligten betonen. Beim Konzil von Ver von 755, finden sich in
mehreren Beschlüssen deutliche Bezüge auf Konsens.66 Aus Bayern beinhalten
die ebenfalls in den 750er Jahren entstandenen Decreta Tassilonis ebenfalls Be-
tonungen des Konsens.67 Differenziert man zwischen den eigentlichen Ver-
sammlungen auf der einen Seite und den von diesen Versammlungen ausge-
henden Dokumenten (Kapitularien, Konzilskanones) auf der anderen Seite, so
stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Konsens auf der Versammlung und
Konsensbekundungen in den entsprechenden Quellen. Letztendlich geht es um
die Frage, ob aus fehlenden expliziten Konsensäußerungen in diesen Doku-
menten, auf eine geringe oder fehlende Relevanz von Konsens und Konsens-
bekundungen auf diesen Versammlungen geschlossen werden darf. So betont
der Fredegarfortsetzer den Konsens und die Zustimmung aller Franken in Bezug
auf die Gesandtschaft an Papst Zacharias.68 Die fehlende Zustimmung einer
Gruppe von Großen zum ersten Langobardenzug Pippins, von der Einhard
berichtet, zeigt, dass der Konsens der Großen keine Selbstverständlichkeit war.
Es lohnt daher nicht nur auf explizite Konsensäußerungen in den Quellen zu
achten, sondern auch unter rechtlich-inhaltlichen Aspekten nach Konsens in den
Beschlüssen des Königskapitulars zu suchen. Auch wenn die Quellen keine di-
rekten Informationen darüber überliefern, liegt es nahe, dass das anfängliche,
öffentliche Scheitern der Konsensfindung bezüglich des ersten Langobarden-
feldzug so kurz nach dem Dynastiewechsel, Pippin unter Zugzwang setzte, den
Konsens unter den Großen wiederherzustellen. Eine besondere Herausforde-
rung für Pippin dürfte die Integration der ehemaligen Unterstützer Grifos und
Drogos gewesen sein.
Insgesamt kam es weniger auf die Freiwilligkeit der Konsensbekundung
oder die Überzeugung der Beteiligten69 an als auf die Selbstbindung der Großen
an den durch Konsens hergestellten Kompromiss oder Entschluss, wodurch die
Legitimität des Konsens begründet wird und überhaupt erst die Voraussetzung
für eine Umsetzung geschaffen werden kann.70 Die fränkischen Großen dürfen
dabei weder vor noch nach dem Dynastiewechsel als monolithischer Block
verstanden werden. Vielmehr deuten sich in den Quellen Konflikte unter den
Großen und auch unterschiedliche Ziele und Positionen an.71 Aufgrund der
Überlieferungssituation beleuchten die Quellen schlaglichtartig die eine Familie
der Pippiniden/ Karolinger, während die anderen Großen kaum in Erscheinung
66 Vgl. Glatthaar, Konzilsdekret.
67 Vgl. Siems, Herrschaft, S. 320-334.
68 Continuationes chronicarum quae dicuntur Fredegarii Scholastici c. 31, S. 182 Z. 10f.: Quo
tempore una cum consilio et consensu omnium Francorum missa relatione ad sede apostolica, [...]. Zur
Gesandtschaft zuletzt Körntgen, Usurpation.
69 Vgl. Meyer, Konsens, S. 21 f.; Patzold, Konsens, S. 272.
70 Vgl. Esders, Consensus iuris, S. 467-471; dens., Governanceforschung, S. 185-206.
71 Vgl. Ebling, Opposition; Airlie, Carolingian Aristocracy; dens. Supporters and Opponents.
1. Einleitung
Phänomen oder lediglich um eine unter Pippins Sohn erstmals belegte Erschei-
nung handelt.
Das Königskapitular selbst enthält keinerlei Formulierungen, die explizit
den Konsens der Beteiligten betonen. Beim Konzil von Ver von 755, finden sich in
mehreren Beschlüssen deutliche Bezüge auf Konsens.66 Aus Bayern beinhalten
die ebenfalls in den 750er Jahren entstandenen Decreta Tassilonis ebenfalls Be-
tonungen des Konsens.67 Differenziert man zwischen den eigentlichen Ver-
sammlungen auf der einen Seite und den von diesen Versammlungen ausge-
henden Dokumenten (Kapitularien, Konzilskanones) auf der anderen Seite, so
stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Konsens auf der Versammlung und
Konsensbekundungen in den entsprechenden Quellen. Letztendlich geht es um
die Frage, ob aus fehlenden expliziten Konsensäußerungen in diesen Doku-
menten, auf eine geringe oder fehlende Relevanz von Konsens und Konsens-
bekundungen auf diesen Versammlungen geschlossen werden darf. So betont
der Fredegarfortsetzer den Konsens und die Zustimmung aller Franken in Bezug
auf die Gesandtschaft an Papst Zacharias.68 Die fehlende Zustimmung einer
Gruppe von Großen zum ersten Langobardenzug Pippins, von der Einhard
berichtet, zeigt, dass der Konsens der Großen keine Selbstverständlichkeit war.
Es lohnt daher nicht nur auf explizite Konsensäußerungen in den Quellen zu
achten, sondern auch unter rechtlich-inhaltlichen Aspekten nach Konsens in den
Beschlüssen des Königskapitulars zu suchen. Auch wenn die Quellen keine di-
rekten Informationen darüber überliefern, liegt es nahe, dass das anfängliche,
öffentliche Scheitern der Konsensfindung bezüglich des ersten Langobarden-
feldzug so kurz nach dem Dynastiewechsel, Pippin unter Zugzwang setzte, den
Konsens unter den Großen wiederherzustellen. Eine besondere Herausforde-
rung für Pippin dürfte die Integration der ehemaligen Unterstützer Grifos und
Drogos gewesen sein.
Insgesamt kam es weniger auf die Freiwilligkeit der Konsensbekundung
oder die Überzeugung der Beteiligten69 an als auf die Selbstbindung der Großen
an den durch Konsens hergestellten Kompromiss oder Entschluss, wodurch die
Legitimität des Konsens begründet wird und überhaupt erst die Voraussetzung
für eine Umsetzung geschaffen werden kann.70 Die fränkischen Großen dürfen
dabei weder vor noch nach dem Dynastiewechsel als monolithischer Block
verstanden werden. Vielmehr deuten sich in den Quellen Konflikte unter den
Großen und auch unterschiedliche Ziele und Positionen an.71 Aufgrund der
Überlieferungssituation beleuchten die Quellen schlaglichtartig die eine Familie
der Pippiniden/ Karolinger, während die anderen Großen kaum in Erscheinung
66 Vgl. Glatthaar, Konzilsdekret.
67 Vgl. Siems, Herrschaft, S. 320-334.
68 Continuationes chronicarum quae dicuntur Fredegarii Scholastici c. 31, S. 182 Z. 10f.: Quo
tempore una cum consilio et consensu omnium Francorum missa relatione ad sede apostolica, [...]. Zur
Gesandtschaft zuletzt Körntgen, Usurpation.
69 Vgl. Meyer, Konsens, S. 21 f.; Patzold, Konsens, S. 272.
70 Vgl. Esders, Consensus iuris, S. 467-471; dens., Governanceforschung, S. 185-206.
71 Vgl. Ebling, Opposition; Airlie, Carolingian Aristocracy; dens. Supporters and Opponents.