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1. Einleitung
forschung der für die Überlieferungsgeschichte zentralen Stellung der Kapitu-
lariensammlungen, was durch die in Arbeit befindlichen neuen Editionen für die
Monumenta Germaniae Historica von Michael Glatthaar (Kapitularien bis 814)
sowie Stefan Esders, Steffen Patzold und Karl Ubl (Kapitularien ab 814) geleistet
werden wird,85 wird ein viel genaueres Bild der Überlieferungssituation bieten,
das auch Rückwirkung auf die Beurteilung der Überlieferung des Königskapi-
tulars haben wird. In dieser Arbeit kann es nur darum gehen, die handschrift-
liche Überlieferung so weit zu analysieren und einzubeziehen, wie es zur Be-
urteilung der Authentizität des Königskapitulars notwendig ist. Die inhaltlichen
Bedenken gegen die Einheit konnten bereits ausgeräumt werden.
Erklärungsbedürftig bleibt das Problem, dass das Kapitular sowohl als
Ganzes in sieben Kapitel überliefert ist als auch separat in zwei Abschnitten
(Kapitel 1-3 sowie Kapitel 4-7) als Teil anderer Kapitularien. Besonders ver-
wirrend ist, dass die beiden Vertreter der mit dem Bistum Sens in Verbindung
stehenden Collectio capitularium Senonica (P und V), die das ganze Kapitular
überliefern, zusätzlich alle Kapitel noch einmal in den genannten zwei Blöcken
tradieren.86 Diese seltsame Überlieferungssituation ließ wie bereits angedeutet
Zweifel an der Originalität des Kapitulars aufkommen. Bereits Ludwig Oelsner
trat 1871 entschieden dem Verdacht entgegen, dass ein Kompilator aus einigen
Kapiteln anderer Kapitularien ein neues zusammengesetzt habe.87 Die Kenntnis
der handschriftlichen Überlieferung hat sich seit Oelsners Zeiten deutlich ver-
bessert.88 Eine jüngst unternommene Untersuchung der Überlieferung von Ka-
pitel 4-7 auf verbesserter Handschriftengrundlage konnte das Urteil Oelsners
bestätigen.89
Außerhalb der Collectio capitularium Senonica sind die Kapitel 4-7 nicht
separat überliefert. In der Sammlung aus Sens stehen sie am Ende des Concilium
Vernense.90 Von den Kapiteln 1-3 zirkulierte ferner eine Separatüberlieferung,
die nicht nur in der Collectio capitularium Senonica, sondern auch in den
85 Vgl. Hartmann, Bericht 2018/19, S. IX f.
86 Vgl. Mordek, Bibliotheca capitularium, S. 564, 782f.
87 Vgl. Oelsner, Jahrbücher, S. 463-467 mit älterer Literatur.
88 Vgl. Mordek, Bibliotheca capitularium; capitularia.uni-koeln.de/mms.
89 Vgl. Breternitz, Münzwesen.
90 In V sind alle Beschlüsse von I-XXVI durchnummeriert. Die Kapitel 4-5 des Pippini regis
capitulare gehören der Gliederung nach noch zu Kapitel 25, das sich gegen die Bestechlichkeit
von Richtern wendet. Die Kapitel 6-7 folgen als Nummer XXVI. Der Schreiber der Handschrift
hat keine Abgrenzung des Zusatzes vom eigentlichen Kapitular vorgenommen. Ähnlich verhält
es sich in der Handschrift P, deren Schreiber die Kapitel 6-7 allerdings erneut als Nummer XXV
zählte. Erklärungsbedürftig ist eine hakenartige Markierung zwischen dem eigentlichen Ende
von Ver c. 25 und dem Beginn von Kapitel 4 des Königskapitulars, die also genau den Beginn des
Zusatzes markiert. Ob sie vom Schreiber des Textes selbst stammt, kann nicht mit Sicherheit
ausgeschlossen werden. Eine Autopsie der Handschrift war im Rahmen dieser Arbeit leider
nicht möglich.
Hinzu kommt, dass die Synode von Ver, sollte der Zusatz zum originalen Bestand zählen, ihre
Beschlüsse sehr ungleichmäßig ausgearbeitet hätte. Während die Kapitel 1-24 jeweils nur ein
Thema behandeln, würden die Kapitel 25 und 26 jeweils mehrere Themen behandeln und auch
innerhalb der jeweiligen Kapitel Rubriken aufweisen.
1. Einleitung
forschung der für die Überlieferungsgeschichte zentralen Stellung der Kapitu-
lariensammlungen, was durch die in Arbeit befindlichen neuen Editionen für die
Monumenta Germaniae Historica von Michael Glatthaar (Kapitularien bis 814)
sowie Stefan Esders, Steffen Patzold und Karl Ubl (Kapitularien ab 814) geleistet
werden wird,85 wird ein viel genaueres Bild der Überlieferungssituation bieten,
das auch Rückwirkung auf die Beurteilung der Überlieferung des Königskapi-
tulars haben wird. In dieser Arbeit kann es nur darum gehen, die handschrift-
liche Überlieferung so weit zu analysieren und einzubeziehen, wie es zur Be-
urteilung der Authentizität des Königskapitulars notwendig ist. Die inhaltlichen
Bedenken gegen die Einheit konnten bereits ausgeräumt werden.
Erklärungsbedürftig bleibt das Problem, dass das Kapitular sowohl als
Ganzes in sieben Kapitel überliefert ist als auch separat in zwei Abschnitten
(Kapitel 1-3 sowie Kapitel 4-7) als Teil anderer Kapitularien. Besonders ver-
wirrend ist, dass die beiden Vertreter der mit dem Bistum Sens in Verbindung
stehenden Collectio capitularium Senonica (P und V), die das ganze Kapitular
überliefern, zusätzlich alle Kapitel noch einmal in den genannten zwei Blöcken
tradieren.86 Diese seltsame Überlieferungssituation ließ wie bereits angedeutet
Zweifel an der Originalität des Kapitulars aufkommen. Bereits Ludwig Oelsner
trat 1871 entschieden dem Verdacht entgegen, dass ein Kompilator aus einigen
Kapiteln anderer Kapitularien ein neues zusammengesetzt habe.87 Die Kenntnis
der handschriftlichen Überlieferung hat sich seit Oelsners Zeiten deutlich ver-
bessert.88 Eine jüngst unternommene Untersuchung der Überlieferung von Ka-
pitel 4-7 auf verbesserter Handschriftengrundlage konnte das Urteil Oelsners
bestätigen.89
Außerhalb der Collectio capitularium Senonica sind die Kapitel 4-7 nicht
separat überliefert. In der Sammlung aus Sens stehen sie am Ende des Concilium
Vernense.90 Von den Kapiteln 1-3 zirkulierte ferner eine Separatüberlieferung,
die nicht nur in der Collectio capitularium Senonica, sondern auch in den
85 Vgl. Hartmann, Bericht 2018/19, S. IX f.
86 Vgl. Mordek, Bibliotheca capitularium, S. 564, 782f.
87 Vgl. Oelsner, Jahrbücher, S. 463-467 mit älterer Literatur.
88 Vgl. Mordek, Bibliotheca capitularium; capitularia.uni-koeln.de/mms.
89 Vgl. Breternitz, Münzwesen.
90 In V sind alle Beschlüsse von I-XXVI durchnummeriert. Die Kapitel 4-5 des Pippini regis
capitulare gehören der Gliederung nach noch zu Kapitel 25, das sich gegen die Bestechlichkeit
von Richtern wendet. Die Kapitel 6-7 folgen als Nummer XXVI. Der Schreiber der Handschrift
hat keine Abgrenzung des Zusatzes vom eigentlichen Kapitular vorgenommen. Ähnlich verhält
es sich in der Handschrift P, deren Schreiber die Kapitel 6-7 allerdings erneut als Nummer XXV
zählte. Erklärungsbedürftig ist eine hakenartige Markierung zwischen dem eigentlichen Ende
von Ver c. 25 und dem Beginn von Kapitel 4 des Königskapitulars, die also genau den Beginn des
Zusatzes markiert. Ob sie vom Schreiber des Textes selbst stammt, kann nicht mit Sicherheit
ausgeschlossen werden. Eine Autopsie der Handschrift war im Rahmen dieser Arbeit leider
nicht möglich.
Hinzu kommt, dass die Synode von Ver, sollte der Zusatz zum originalen Bestand zählen, ihre
Beschlüsse sehr ungleichmäßig ausgearbeitet hätte. Während die Kapitel 1-24 jeweils nur ein
Thema behandeln, würden die Kapitel 25 und 26 jeweils mehrere Themen behandeln und auch
innerhalb der jeweiligen Kapitel Rubriken aufweisen.