186
5. Rechtspflege
Seelmann stellte in seiner Dissertation über den Rechtszug im älteren deutschen
Recht die These auf, dass das Königskapitular von dieser Stelle beeinflusst
worden sei,153 wogegen sich Brunner und von Schwerin strikt verwahrten.154
Das langobardische Recht kannte zumindest im 8. Jahrhundert eine Unter-
scheidung zwischen Gesetzen, die Aufnahme in das Edikt finden sollten, und
einzelnen Regelungen, die nicht in das Edikt aufgenommen werden sollten und
in etwa mit den fränkischen Kapitularien vergleichbar sind.155 Im Prolog zu den
Kapiteln 13 und 14 der Gesetze Ratchis' heißt es, dass das zuvor Geschriebene in
das Edikt aufgenommen werden solle, während die folgenden beiden Kapitel
nur in breve statuere seien.156 Das zuvor Geschriebene beginnt mit dem Prolog vor
Kapitel 5, der eine Datierung auf den 1. März 746 enthält.157 Zu welcher Art von
Gesetzen die ersten vier Kapitel gehören, wird nicht erwähnt. Bluhme zählt sie
zu den Gesetzen, die nicht in das Edikt aufgenommen werden sollten, doch lässt
sich diese Einschätzung nicht mit letzter Sicherheit vornehmen.158 Die ersten drei
Kapitel von ihnen beschäftigen sich mit der Rechtspflege und das vierte mit der
Bewaffnung von Kriegern. Wann sie erlassen wurden, wird nicht erwähnt, doch
können sie unter der Annahme einer chronologischen Reihung der Texte in die
Zeit zwischen Ratchis' Usurpation 744159 und den unbestritten für das Edikt
bestimmten Kapiteln 5 bis 12 vom März 746 datiert werden.
5.3.1 Der Tatbestand von Ratchis 2
Trotz aller Unstimmigkeit, was eine mögliche Beeinflussung des Königskapitu-
lars betrifft, wird Kapitel 2 von Ratchis' Gesetzgebung von allen an der Dis-
kussion Beteiligten als Urteilsschelte beziehungsweise als Rechtszug verstanden.
Die Interpretation des Königskapitulars als Vorgehen gegen Justizverweigerung
macht die Überprüfung einer möglichen Abhängigkeit nicht obsolet, auch wenn
dies auf den ersten Blick so scheinen mag. Denn auch bei der entsprechenden
Formulierung des langobardischen Gesetzes, die Seelmann dem legem ei non
153 Vgl. Seelmann, Rechtszug, S. 121-123.
154 Vgl. Brunner — von Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 189 Anm. 39.
155 Vgl. Pohl, Leges Langobardorum, S. 209.
156 Leges Ratchis regis prol. ante c. 13, in: Leges Langobardorum, S. 192 Z. Il f.: Ista, quae superius
scripta tenentur, in edictum scribantur, et ista capitula dua de subtus in breve previdimus statuere.
157 Leges Ratchis regis prol. ante c. 5, in: Leges Langobardorum, S. 186 Z. 4-6: Idcirco per redemptoris
nostri providentiam ego divino auxilio Ratchis, precellentissimus et eximius princeps, anno regni mei
secundo, die Kalendarum Martiarum indictione quarta decirna, [...].
158 Vgl. Bluhme, Leges Langobardorum, S. X; Leges Ratchis regis prol. ante c. 1, in: Leges Lango-
bardorum, S. 183 Z. 3-7: In nomine domini nostri lesu Christi, qualiter iuxta deum et animae nostrae
salutem et omnium nostrorum rectum nobis paruit esse una cum nostris iudicibus, ut homines potentes et
pauperes qui suam quaerunt iustitiam minime fatigentur. Zur Motivation der ersten vier Kapitel vgl.
auch Jarnut, Langobarden, S. 107 f. Zur Diskussion um die Einordnung der ersten vier Kapitel
vgl. Andreolli, Pagina, S. 298 f.
159 Vgl. Jarnut, Prosopographie, S. 366.
5. Rechtspflege
Seelmann stellte in seiner Dissertation über den Rechtszug im älteren deutschen
Recht die These auf, dass das Königskapitular von dieser Stelle beeinflusst
worden sei,153 wogegen sich Brunner und von Schwerin strikt verwahrten.154
Das langobardische Recht kannte zumindest im 8. Jahrhundert eine Unter-
scheidung zwischen Gesetzen, die Aufnahme in das Edikt finden sollten, und
einzelnen Regelungen, die nicht in das Edikt aufgenommen werden sollten und
in etwa mit den fränkischen Kapitularien vergleichbar sind.155 Im Prolog zu den
Kapiteln 13 und 14 der Gesetze Ratchis' heißt es, dass das zuvor Geschriebene in
das Edikt aufgenommen werden solle, während die folgenden beiden Kapitel
nur in breve statuere seien.156 Das zuvor Geschriebene beginnt mit dem Prolog vor
Kapitel 5, der eine Datierung auf den 1. März 746 enthält.157 Zu welcher Art von
Gesetzen die ersten vier Kapitel gehören, wird nicht erwähnt. Bluhme zählt sie
zu den Gesetzen, die nicht in das Edikt aufgenommen werden sollten, doch lässt
sich diese Einschätzung nicht mit letzter Sicherheit vornehmen.158 Die ersten drei
Kapitel von ihnen beschäftigen sich mit der Rechtspflege und das vierte mit der
Bewaffnung von Kriegern. Wann sie erlassen wurden, wird nicht erwähnt, doch
können sie unter der Annahme einer chronologischen Reihung der Texte in die
Zeit zwischen Ratchis' Usurpation 744159 und den unbestritten für das Edikt
bestimmten Kapiteln 5 bis 12 vom März 746 datiert werden.
5.3.1 Der Tatbestand von Ratchis 2
Trotz aller Unstimmigkeit, was eine mögliche Beeinflussung des Königskapitu-
lars betrifft, wird Kapitel 2 von Ratchis' Gesetzgebung von allen an der Dis-
kussion Beteiligten als Urteilsschelte beziehungsweise als Rechtszug verstanden.
Die Interpretation des Königskapitulars als Vorgehen gegen Justizverweigerung
macht die Überprüfung einer möglichen Abhängigkeit nicht obsolet, auch wenn
dies auf den ersten Blick so scheinen mag. Denn auch bei der entsprechenden
Formulierung des langobardischen Gesetzes, die Seelmann dem legem ei non
153 Vgl. Seelmann, Rechtszug, S. 121-123.
154 Vgl. Brunner — von Schwerin, Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 189 Anm. 39.
155 Vgl. Pohl, Leges Langobardorum, S. 209.
156 Leges Ratchis regis prol. ante c. 13, in: Leges Langobardorum, S. 192 Z. Il f.: Ista, quae superius
scripta tenentur, in edictum scribantur, et ista capitula dua de subtus in breve previdimus statuere.
157 Leges Ratchis regis prol. ante c. 5, in: Leges Langobardorum, S. 186 Z. 4-6: Idcirco per redemptoris
nostri providentiam ego divino auxilio Ratchis, precellentissimus et eximius princeps, anno regni mei
secundo, die Kalendarum Martiarum indictione quarta decirna, [...].
158 Vgl. Bluhme, Leges Langobardorum, S. X; Leges Ratchis regis prol. ante c. 1, in: Leges Lango-
bardorum, S. 183 Z. 3-7: In nomine domini nostri lesu Christi, qualiter iuxta deum et animae nostrae
salutem et omnium nostrorum rectum nobis paruit esse una cum nostris iudicibus, ut homines potentes et
pauperes qui suam quaerunt iustitiam minime fatigentur. Zur Motivation der ersten vier Kapitel vgl.
auch Jarnut, Langobarden, S. 107 f. Zur Diskussion um die Einordnung der ersten vier Kapitel
vgl. Andreolli, Pagina, S. 298 f.
159 Vgl. Jarnut, Prosopographie, S. 366.