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Albert, Peter P.; Beyerle, Konrad [Hrsg.]
Die Kultur der Abtei Reichenau: Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724-1924 (1. Halbband) — München: Verlag der Muenchner Drucke, 1925

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Vorgeschichte und Klostergründung
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Schmidle, Wilhelm: Geologie und Vorgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.61010#0035
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Geologie und Vorgeschichte

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Schnitt vom Burghof zum Seerücken
mm Meeresmolasse, mo Obere Süßwassermolasse. Senkrecht schraffiert Moräne. Punktiert Kiese.

zur letzten Zwischeneiszeit, in welcher die Gegend
wie heute von Pflanzen und Tieren belebt war,
und die Drumlinmoräne endlich zur vorletzten
Vergletscherung; es ist dieses die größte, die das
Alpenvorland überhaupt während der Eiszeit er-
litt: der ,Riß g 1 e tseher‘ stieß sein Eis bis Meß-
kirch und Sigmaringen vor.
Weitere Schicksale erzählen uns die niederen
Teile der Insel. Schon ihr Gras- und Schilfwuchs
zeigt einen geringwertigen, feuchten Boden an.
Es ist ein feiner, gelber oder blauer, geröllfreier
Mergel, der den Namen Beckenton erhal-
ten hat. Denn er ist der Absatz der Gletscher-
trübe in die mit schmutzigem Wasser erfüllten
Becken, wie man sie heute noch unmittelbar vor
den nordischen Gletschern findet. Dann und wann
enthält er Moränennester und vereinzelte Find-
linge, em Zeichen, daß noch Eisberge in den
Beckenseen schwammen, deren Moräne beim Ab-
schmelzen in den Schlammgrund fiel. Hier am
Bodensee liegt unser Beckenton überall auf der
Würmmoräne und reicht nirgends höher als auf
410 m Meereshöhe hinauf, wo er gewöhnlich an
einer alten Strandhme endet. Vor dem abschmelzen-
den Würmgletscher muß sich also ein Schlamm-
see gebildet haben, dessen Spiegel 15 m über dem
heutigen See lag. Und da nun die höheren
Lagen unserer Insel frei von diesen Tonen sind,
so müssen sie bereits als Insel herausgeragt haben.
Damit erhalten wir das erste Lebens-
zeichen unserer Reichenau. Sie muß
also, während der Würmgletscher den

Boden bedeckte, entstanden sein, und
schmolz sozusagen aus ihm heraus.
Wie ist sie nun hier gebildet worden?
Nach Ansicht vieler Glazialgeologen hat sie der
Gletscher selbst erzeugt. An seinem Ende floß er
wie em weicher Kuchenteig auseinander und zer-
teilte sich im Unterseegebiet in drei Arme. Von
ihnen hobelte der eine in seinem Vorwärtsgleiten
südlich den Steiner Seearm aus, der mittlere den
Zeller- und der nördliche den Gnadensee; zwi-
schen den beiden ersten blieb der Schienerberg
stehen, zwischen den letzten die Reichenau und
Mettnau nebst dem unterseeischen Damm, der
beide verbindet.
Mir scheint diese Ansicht unrichtig. Denn der
Untersee liegt, wie gleich gezeigt wird, nicht in
einem Aushobelungs-, sondern in einem Ablage-
rungsgebiet dieses Gletschers.
Zunächst weicht die Landschaft südlich der Insel,
auf dem Seerücken und dem Schienerberge, gänz-
lich von der Insel ab. Drumlmhügel und inter-
glaziale Kiese fehlen völlig, die eiszeitlichen Ab-
lagerungen liegen auf den Gipfelebenen jener Berge
200 m höher, und überall tritt Molasse heraus,
die auf der Reichenau fehlt. Dagegen stimmt der
südliche Bodanrücken völlig mit ihr überein; und
es ist nicht zu bezweifeln, daß die Insel nur
em abgetrenntes Stück davon ist. Erst wenn wir
auf dem Bodanrücken hinter den Mmdelsee ge-
langen, tritt uns im Mühlsberg und Bodenwald
wieder die Molasselandschaft des Seerückens ent-
gegen. Die Ursache dieses Wechsels ist erkannt.
 
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