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Albert, Peter P.; Beyerle, Konrad [Hrsg.]
Die Kultur der Abtei Reichenau: Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724-1924 (1. Halbband) — München: Verlag der Muenchner Drucke, 1925

DOI Kapitel:
Leben und Verfassung der Reichsabtei
DOI Artikel:
Göller, Emil: Die Reichenau als römisches Kloster
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https://doi.org/10.11588/diglit.61010#0503
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DIE REICHENAU ALS RÖMISCHES KLOSTER
PROFESSOR DR. E. GÖLLER / FREIBURG I. BR.

DIE STAATS- UND KIRCHEN-
rechtliche Stellung des Klosters Reichenau
hat Karl Brandl1 ) in seinen grundlegenden, durch
die Untersuchungen Lechners2) allerdings in ein-
zelnen Punkten überholten Forschungen über die
Reichenauer Urkundenfälschungen kurz in den
Hauptlinien gekennzeichnet. Unter Hinweis auf
die Urkunde Karl Martells, wonach das unter
karolingischem Schutz gegründete Kloster die
Grundlage seines Besitzes aus Königsgut erhielt,
hebt er hervor, daß das ausdrückliche königliche
Immunitätsprivileg bereits von Karl d. Gr. ver-
liehen wurde. Das Privileg Ludwigs d. Fr. hat
dann das ohnehin schon durch die Benediktiner-
regel geforderte Recht der freien Abtswahl
hmzugefügt, wodurch der Kaiser seinerseits auf
em Einsetzungsrecht verzichtete und den Ein-
griffen des Diözesanbischofs vorbeugte. ,Die be-
sonderen Vorrechte, welche das Kloster als
Reichsabtei genoß, das Wesen der Grundherr-
schaft und die durch Immunität und freie Abts-
wahl verbürgte Selbständigkeit des Klosters bil-
deten die Grundlage für die spätere Territoriali-
tät , deren allmähliche Ausbildung durch die Im-
munitätsprivilegien der Könige begünstigt wurde.
Das königliche Schutzprivileg entsprach jeden-
falls theoretisch den Anforderungen der Regel
des hl. Benedikt, die die freie Abtswahl und die
ungestörte Hingabe an das klösterliche Lebens-
ideal voraussetzte; es charakterisierte zugleich
das Kloster als ,abbatia regalish Nach strengem
Reichsrecht hätte, worauf man hmgewiesen hat3),
die Abtei Reichenau als römisches Kloster nicht
zu den Reichsklöstern zählen dürfen, da sie sich,
wie wir sehen werden, frühzeitig dem päpstlichen
Stuhle zu eigen gegeben hat und, wie, am Ab-
schluß einer langen Entwicklung, das einzige noch
im Original vorhandene Privileg Innocenz’ III.
sagt, ,beati Petri iuris war und ,sub s. Romane
ecclesie tutela et protectione‘ stand, oder, wie

Gregor VII. sich ausdrückte, ,quadam principali
et individua linea“ mit dem apostolischen Stuhl
zusammenhing. Von Anbeginn freilich bestand
em solcher Zusammenhang nicht. Auch darf dar-
auf hmgewiesen werden, daß an sich die päpst-
liche Privilegierung, aus der freilich die späte-
ren engeren Beziehungen sich ergeben konnten,
nicht im Widerspruch zu dem königlichen Schutz
zu stehen brauchte, vielmehr nicht selten erbeten
wurde, um als Verstärkung des von den Herr-
schern erlangten Vorrangs, vor allem auch gegen
etwaige Eingriffe des Bischofs, hinzuzutreten.4)
So berühren wir die Frage der Privilegierung der
Reichenau und ihres Verhältnisses zum apostoli-
schen Stuhle, die hier für die mittelalterliche Zeit
in Kürze erörtert werden soll; mit dem Vorbehalt,
daß eine Reihe von Emzelfragen für spätere
Untersuchung zurückgestellt werden muß.
Die Unterordnung der Klöster unter den Diö-
zesanbischof galt nach den Bestimmungen des
Konzils von Chalcedon und der synodalen Ge-
setzgebung der folgenden Zeit als Grundsatz.
Wie die Merowingerkömge, so privilegierten aber
auch die fränkischen Bischöfe die Klöster zur
Aufrechterhaltung eines ungestörten monachalen
Lebens, ohne damit ihre übergeordneten Rechte
preiszugeben. Diese bischöflichen Rechte wurden
auch längere Zeit im großen und ganzen von den
Päpsten aufrecht erhalten, als diese, m verstärk-
tem Maße seit Gregor d. Gr., die Klöster mit
reichen Privilegien ausstatteten. Es war daher eine
Maßnahme von außerordentlicher Bedeutung, als
Honorius I. das Kloster Bobbio von der Gewalt
des Diözesanbischofs eximierte und dem Hl. Stuhl
unmittelbar unterstellte. Andere Exemtionen,
wenn zunächst auch, von den iroschottischen Klö-
stern abgesehen, nur wenige, folgten. Darunter
vor allem auch diejenige im Privileg des Klosters
Fulda durch Papst Zacharias, dessen Echtheit
nach den abschließenden Untersuchungen Tangls
 
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