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Gall Jecker
Dann muß er — so sagte man — em Irländer
gewesen sein, einer jener Schottenmönche, welche
wie Kolumban und Gallus im 6. und 7. Jahrhun-
dert scharenweise von der grünen Insel auf das
Festland kamen. Wie Pirmin und seine Mönche
wurden ja vor allem die Schotten .Fremdlinge,
pilgernde Mönche' (monachi peregnm) geheißen.
Bei ihnen waren auch die Klosterbischöfe wie
die Wanderbischöfe häufig zu treffen. Dazu
hatte Pirmin ja auch mehrere kleine Schotten-
niederlassungen zu eigentlichen Klöstern or-
ganisiert. Diese Auffassung schien so wohl
begründet, daß selbst die Bollandisten sich der-
selben anschlossen. .Fremdlinge' wurden aber
auch andere Mönche geheißen; zudem war Pir-
min Benediktiner und führte allenthalben die
Benediktusregel em. Das hätte em Schotte doch
nicht getan.
So blieb denn kaum etwas anderes übrig, als ihn
für einen Angelsachsen zu halten. In der Tat
hatte gerade zu Beginn des 8. Jahrhunderts die
große angelsächsische Missionsbewegung auf dem
Festland mit aller Kraft eingesetzt, und die angel-
sächsischen Glaubensboten Willibrord, Winfried-
Bomfatius und ihre Gefährten waren alle Bene-
diktiner. Dagegen hat Prof. G. Schnürer, der
neuere Biograph des hl. Bonifatius, nachdrücklich
auf das Verhältnis zwischen Pirmin und Bonifatius
hingewiesen. In seiner glühenden Vaterlandsliebe
bekundete dieser für all seine angelsächsischen
Landsleute auf dem Festland ein stets lebhaftes
Interesse und suchte auch in persönliche Berüh-
rung mit ihnen zu kommen. Pirmin arbeitete jahr-
zehntelang in dessen Nähe, und doch kümmerte
sich Bonifatius nicht um ihn. Erst an seinem Le-
bensabend traf er mit Pirmin in Hornbach zusam-
men. Der Besuch, von dem uns Pirmins erster
Biograph Nachricht gibt, scheint aber so unbe-
deutend und zufällig gewesen zu sein, daß er in
der viel zuverlässigeren Vita des Bonifatius nicht
einmal vermerkt wurde.
Es ist darum wohl begreiflich, wenn ein Ver-
ehrer Pirmins in den Wiltzer Ardennen nach einer
andern Lösung gesucht hat. Nach J. Weicherding
wäre Pirmin Däne von Geburt und einer von
jenen dreißig Jünglingen, welche Willibrord aus
Dänemark an die Missionsschule des Abtes Gre-
gor nach Utrecht gesandt hätte. Als später Pir-
min zu Karl Martell gekommen sei, wären die
Beziehungen zwischen den Friesen und den Fran-
ken so gespannt gewesen, daß er vorsichtshalber
dem fränkischen Hausmeier seine Abstammung
verheimlicht habe. Das erwähnte Verhältnis zu
Willibrord erkläre auch, wie später noch beide,
obwohl keine Landsleute, enge Beziehungen unter-
halten und einander wiederholt aufgesucht hätten.
Diese Gründe sind recht dürftig. Wer mit dem
Heiligenleben des Frühmittelalters nur em wenig
vertraut ist, weiß, daß diese Gottesmänner auch
ohne äußeren Anlaß gern ihre Abstammung ver-
heimlichten oder sie überhaupt nicht der Erwäh-
nung wert erachteten. Von einem innigen Ver-
hältnis Pirmins zu Willibrord oder auch nur von
deren Zusammenkünften fehlt uns jeder zuver-
lässige Bericht. Es war darum den Bollandisten
auch nicht schwer, Weicherdmgs Aufstellungen
gründlich zu widerlegen.
Damit ist aber die Frage einer Lesung keineswegs
nähergebracht. Wird man derselben überhaupt
noch näherkommen? Unmöglich, wenn man nur
auf die Biographen Pirmins und auf die uns er-
haltenen Urkunden angewiesen wäre.
Aber Pirmin hat uns em kostbares Erbstück, eine
Unterweisungsschrift, hinterlassen, die sich mit
dem zweiten Wort der Überschrift DICTA als
Predigt ausgibt, mit dem Schlußwort des Titels
SCARAPSUS aber als einen Auszug aus den hl.
Schriften charakterisiert. Sie ist uns nur in einer
einzigen Handschrift erhalten. Den kostbaren
Schatz birgt heute em Tochterkloster von Rei-
chenau, das Benediktinerstift Einsiedeln, dessen
gelehrter Abt Dr. P. Ignaz Staub uns gestattet,
Gall Jecker
Dann muß er — so sagte man — em Irländer
gewesen sein, einer jener Schottenmönche, welche
wie Kolumban und Gallus im 6. und 7. Jahrhun-
dert scharenweise von der grünen Insel auf das
Festland kamen. Wie Pirmin und seine Mönche
wurden ja vor allem die Schotten .Fremdlinge,
pilgernde Mönche' (monachi peregnm) geheißen.
Bei ihnen waren auch die Klosterbischöfe wie
die Wanderbischöfe häufig zu treffen. Dazu
hatte Pirmin ja auch mehrere kleine Schotten-
niederlassungen zu eigentlichen Klöstern or-
ganisiert. Diese Auffassung schien so wohl
begründet, daß selbst die Bollandisten sich der-
selben anschlossen. .Fremdlinge' wurden aber
auch andere Mönche geheißen; zudem war Pir-
min Benediktiner und führte allenthalben die
Benediktusregel em. Das hätte em Schotte doch
nicht getan.
So blieb denn kaum etwas anderes übrig, als ihn
für einen Angelsachsen zu halten. In der Tat
hatte gerade zu Beginn des 8. Jahrhunderts die
große angelsächsische Missionsbewegung auf dem
Festland mit aller Kraft eingesetzt, und die angel-
sächsischen Glaubensboten Willibrord, Winfried-
Bomfatius und ihre Gefährten waren alle Bene-
diktiner. Dagegen hat Prof. G. Schnürer, der
neuere Biograph des hl. Bonifatius, nachdrücklich
auf das Verhältnis zwischen Pirmin und Bonifatius
hingewiesen. In seiner glühenden Vaterlandsliebe
bekundete dieser für all seine angelsächsischen
Landsleute auf dem Festland ein stets lebhaftes
Interesse und suchte auch in persönliche Berüh-
rung mit ihnen zu kommen. Pirmin arbeitete jahr-
zehntelang in dessen Nähe, und doch kümmerte
sich Bonifatius nicht um ihn. Erst an seinem Le-
bensabend traf er mit Pirmin in Hornbach zusam-
men. Der Besuch, von dem uns Pirmins erster
Biograph Nachricht gibt, scheint aber so unbe-
deutend und zufällig gewesen zu sein, daß er in
der viel zuverlässigeren Vita des Bonifatius nicht
einmal vermerkt wurde.
Es ist darum wohl begreiflich, wenn ein Ver-
ehrer Pirmins in den Wiltzer Ardennen nach einer
andern Lösung gesucht hat. Nach J. Weicherding
wäre Pirmin Däne von Geburt und einer von
jenen dreißig Jünglingen, welche Willibrord aus
Dänemark an die Missionsschule des Abtes Gre-
gor nach Utrecht gesandt hätte. Als später Pir-
min zu Karl Martell gekommen sei, wären die
Beziehungen zwischen den Friesen und den Fran-
ken so gespannt gewesen, daß er vorsichtshalber
dem fränkischen Hausmeier seine Abstammung
verheimlicht habe. Das erwähnte Verhältnis zu
Willibrord erkläre auch, wie später noch beide,
obwohl keine Landsleute, enge Beziehungen unter-
halten und einander wiederholt aufgesucht hätten.
Diese Gründe sind recht dürftig. Wer mit dem
Heiligenleben des Frühmittelalters nur em wenig
vertraut ist, weiß, daß diese Gottesmänner auch
ohne äußeren Anlaß gern ihre Abstammung ver-
heimlichten oder sie überhaupt nicht der Erwäh-
nung wert erachteten. Von einem innigen Ver-
hältnis Pirmins zu Willibrord oder auch nur von
deren Zusammenkünften fehlt uns jeder zuver-
lässige Bericht. Es war darum den Bollandisten
auch nicht schwer, Weicherdmgs Aufstellungen
gründlich zu widerlegen.
Damit ist aber die Frage einer Lesung keineswegs
nähergebracht. Wird man derselben überhaupt
noch näherkommen? Unmöglich, wenn man nur
auf die Biographen Pirmins und auf die uns er-
haltenen Urkunden angewiesen wäre.
Aber Pirmin hat uns em kostbares Erbstück, eine
Unterweisungsschrift, hinterlassen, die sich mit
dem zweiten Wort der Überschrift DICTA als
Predigt ausgibt, mit dem Schlußwort des Titels
SCARAPSUS aber als einen Auszug aus den hl.
Schriften charakterisiert. Sie ist uns nur in einer
einzigen Handschrift erhalten. Den kostbaren
Schatz birgt heute em Tochterkloster von Rei-
chenau, das Benediktinerstift Einsiedeln, dessen
gelehrter Abt Dr. P. Ignaz Staub uns gestattet,