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Albert, Peter P.; Beyerle, Konrad [Editor]
Die Kultur der Abtei Reichenau: Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724-1924 (1. Halbband) — München: Verlag der Muenchner Drucke, 1925

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Zur Einführung in die Geschichte des Klosters
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Beyerle, Konrad: Zur Einführung in die Geschichte des Klosters, 1, Von der Gründung bis zum Ende des freiherrlichen Klosters (724-1427)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61010#0111
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K. Beyerle

ner Kanzlei der Titel ,abbas monasterii Augiae
Maioris durchaus. Der Liber Decimationis, das
päpstliche Kreuzzugssteuerregister vom Jahr
1275, hat gleichfalls nur mehr die Form ,Augia
maior, die seit dem 14. Jht. auch auf allen
Siegeln der Äbte begegnet (vgl. unsere Siegel-
tafeln).
Langsam erst bricht sich das deutsche .Rei-
chenau“ allgemeiner Bahn, um schließlich die
Kurzform ,Au“ im offiziellen Gebrauch völlig
zu verdrängen und zum Dialektwort der Gegend
herabsinken zu lassen. Den Übergang verrät
deutlich die Umschreibung des schlichten alten
,Au“ in einer Urkunde von 1270 als ,ze Owe,
die man haizet die Richen Owe in dem bistume
ze Kostanze ; ähnlich in einer schwäbischen Ur-
kunde von 1300 ,Owe die Richlin32); 1317
nennt sich Diethelm von Kastel ,Abt in der Ri-
chlin Ouwe ; in den deutschen Abturkunden
herrscht seit Eberhard von Brandis (1343 bis
1379) der Name ,Richenowe“, bald kürzer ,Ri-
chenow“, ganz ausschließlich. Auch die historische
Literatur gebraucht die Bezeichnung seit dem
14. Jht.33); em Jahrhundert vorher noch hatte
Eike von Repgow in seiner sächsischen Welt-
chronik noch schlicht vom Kloster ,Owe in dem
Bodense“ gesprochen; auch das habsburgische
Urbar redet am Anfang des 14. Jhts. noch von
der ,Owe“.
So spricht im Wandel ihrer Bezeichnungen em
gut Teil I nselgeschichte zu uns. Seit alter Zeit
hat dieser Wandel die Menschen interessiert.
Gall Oheim (Br. II, 22) zog die Namen einer
,Kiingclichen Ow‘, einer ,Rychen Ow‘ oder
,Groß en Ow‘ zur Erklärung ihrer einstigen
hohen Macht heran und meinte in seiner naiven
Art: ,ain liimbd und rum Von ainer mengi us-
schellen mangelt niimer grundes . Doch nun ge-
nug hievon. Kehren wir nach dieser kurzen na-
mengeschichtlichen Abschweifung in die Tage
Heitos zurück.

Kaum war der Bau des Reichenauer Münsters
in seiner strengen, an antike Vorbilder gemah-
nenden Formensprache eingeweiht und mit aus-
erlesenem Schmuck geziert, da trat für Abt
Heito und seinen Konvent eine neue Aufgabe
auf den Plan. Die Wellen der Klo'ster-
reform Ludwigs d. Fr. schlugen ungestüm
ans Ufer unserer Insel. Von Südwestfrankreich,
aus Septimamen, kamen sie, Benedikt von Amane
war ihr Träger, Ludwig d. Fr. ihr Beförderer.
Schon unter Karl d. Gr. war dieser zweite Be-
nedikt unermüdlich an. der Hebung der klöster-
lichen Zucht in Westfranzien tätig und schon
vor der Thronbesteigung Ludwigs dessen bevor-
zugter Ratgeber. Kaum hatte Ludwig das Erbe
Karls d. Gr. angetreten, als er mit dem vollen
Eifer eines dem Religiösen zugewandten, von
seiner Herrscheraufgabe erfüllten Monarchen
den mancherlei Mißständen entgegentrat, die im
Reiche des alternden Karl eingerissen waren.
In unmittelbarer Nähe von Aachen durfte jetzt
Benedikt von Amane em Musterkloster errich-
ten. Im August 816 wurden die Bischöfe und
Äbte des Reichs nach Aachen berufen. Sie be-
rieten als Synode die zu treffenden Maßnahmen
und entwarfen unter Benedikts Führung 27 Ka-
pitel, nach denen die Benediktmerregel in Got-
tesdienst und Klosterleben überall einheitlich
durchgeführt werden sollte. Aus diesen Beschlüs-
sen spricht der Geist der Askese. Wortlose
Handarbeit und Übungen der Demut standen im
Vordergrund, vom Studium der Wissenschaften
ist darin nicht viel die Rede.
Einer ungewöhnlichen Gunst der sonst so brü-
chigen Reichenauer Überlieferung verdanken wir
nähere Aufschlüsse, wie die Reformbewegung
von der Reichenau aufgenommen wurde und wie
sie sich dort auswirkte.34)
An den Beratungen zu Aachen hatte Abtbischof
Heito selbst teilgenommen und die Beschlüsse
persönlich der Reichenau überbracht.30) Nach
 
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