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Albert, Peter P.; Beyerle, Konrad [Hrsg.]
Die Kultur der Abtei Reichenau: Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724-1924 (1. Halbband) — München: Verlag der Muenchner Drucke, 1925

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Zur Einführung in die Geschichte des Klosters
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Beyerle, Konrad: Zur Einführung in die Geschichte des Klosters, 1, Von der Gründung bis zum Ende des freiherrlichen Klosters (724-1427)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61010#0114
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Von der Gründung bis zum Ende des freiherrlichen Klosters (724 —1427)

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nachzugeben, man war offenbar schon damals
im Inselkloster an das warme Bad gewöhnt. So
sucht Heito nach vermittelnden Anordnungen und
schafft einen Übergangszustand. In Anbetracht
der Hinfälligkeit der Kranken sei jedenfalls die-
sen letzteren bis zu Beginn der nächsten Fasten-
zeit der Gebrauch der Wannenbäder (,scaphae )
gestattet. Inzwischen sollten Propst und Cellerar
auch den übrigen Brüdern reichlich Zuber oder
Kufen (,copae balneariae‘) mit warmem Wasser
anweisen, in denen sich die Brüder einzeln nach
Bedarf und nach vorherigem Segensspruch, je-
doch ohne Zutritt von Fremden, waschen kön-
nen, wobei sie auch einander behilflich sein dür-
fen. Durch diese Verzögerung, so sagt Heito,
wollen wir nicht als Übertreter der Synode er-
scheinen, davor Gott sei, sondern durch Frist-
gewährung behutsam alles Unerlaubte entfernen,
bis das Gebot in ganzer Strenge in Kraft tritt.
Em weiterer Synodalbeschluß verbot den Äbten,
mit den Gästen im Empfangszimmer bei der
Klosterpforte zu speisen. Hierzu bietet uns
Heito einen köstlichen Einblick in die Gepflor
genheiten der Reichenau. Er sagt, Mahlzeiten
im Pfortenzimmer habe er niemals eingenommen.
Im Gemach des Abtes (Auditorium ) dagegen,
wo er zu lesen und mit Brüdern oder Gästen sich
zu unterhalten pflege, habe er wohl auch das eine
und andere Mal mit den Gästen eine Mahlzeit
genossen. So wünsche er es auch in Zukunft zu
halten, wenn hierin nicht em strengeres Verbot
ergehe. Der Ort dieses Abtgemaches befindet
sich dicht beim Kloster und der Pforte (,qui
locus in confinio claustri et januae monasterii
situs est‘), so daß er darin sowohl Kloster-
brüder ohne Störung durch die Gäste, wie auch
Gäste ohne Anwesenheit der Brüder zu Rück-
sprachen empfangen könne. Als liebender Vater
seiner Mönche zeigt sich Heito, wenn er zu der
Synodalvorschrift, wonach den Gästen im Re-
fektorium in würdiger Weise der Tisch gereicht

werden soll, Abt und Gäste sich dabei aber
mit den Speisen der Brüder zu begnügen hätten,
bemerkt: das sei leicht zu beobachten, daß Abt
wie Gäste ihrer Würde entsprechend bedient
werden; die Brüder des eigenen Klosters sollten
sich aber auch beim Eintreffen auswärtiger Brü-
der — eine Anspielung auf die Laienmitglieder
der Gebetsverbrüderung — mitfreuen und die
Zügel der Enthaltsamkeit bei solchem Anlaß
em wenig locker lassen. Zu den beiden letzten
Aachener Kapiteln, welche Liebkosungen von
Frauen und Züchtigungen von Mönchen in ent-
kleidetem Zustand verbieten, bemerkt Heito, sie
seien für sein Kloster völlig gegenstandslos, da
sich dort derartiges niemals zugetragen habe.
Eine Ermahnung fügt aber Heito bei: es sei
zu unterlassen, aus irgend einem Grunde mit
einem Mann oder einer Frau besondere Brüder-
schaft zu schließen (,compatratio et commatra-
tio ), weil solches in Wahrheit der Seele nichts
nütze und dem Mönchsgelübde fern liegen müsse.
Dieser feinsinnigen Erläuterung der Kapitel von
816 fügt Heito noch einen Hinweis auf die Li-
turgie im Reformkloster Benedikts, sowie über
andere Bräuche klösterlicher Demut, über die
Zeiteinteilung zwischen Gebet und Arbeit, über
den dortigen Gebrauch des Lateins in der Schule
bei, deren Beispiel zur Richtschnur genommen
werden solle. Heito will diesen Reformen keines-
wegs den Eingang in die Reichenau verwehren,
da der Kaiser befohlen, die neuen Sätze sollen in
allen Klöstern seines Reiches gleichmäßig ein-
geführt werden. In edlem Wettstreit möchten die
Brüder daher sich die neuen Vorschriften an-
eignen, um dadurch, zu guten und ehrbaren Klo-
stersitten erzogen, lobenswert vor Gott zu er-
scheinen und durch ihren vorbildlichen Wandel
andere zur Demut und zum Gebet zurückzu-
führen. Alsbald sollten em bis zwei Mönche in
eines der Musterklöster gesandt werden, um dort
das Leben zu erkunden und den Abtbischof über

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